Die Hinweise auf die Labor-These verdichten sich Rätsel um den Ausbruch der Pandemie

Von Christian Euler

Roland Wiesendanger ist ein Mann mit starken Nerven. „Ich bin mir zu 99,9 Prozent sicher, dass das Coronavirus aus dem Labor kam“, schrieb der Hamburger Physikprofessor Roland Wiesendanger Mitte Februar. Die Retourkutschen kamen prompt. „Die Veröffentlichung weist offensichtliche inhaltliche Mängel auf“, hieß es etwa bei ZDF.de, das Wiesendanger die Nutzung von „fragwürdigen Quellen“ unterstellte. Volker Stollorz, Redaktionsleiter des „Science Media Center“, gab zu bedenken, dass man nicht von einer Studie sprechen dürfe.

Gut drei Monate später gibt es immer mehr ernstzunehmende Diskussionsbeiträge, die Wiesendanger rehabilitieren. Seine meist als Verschwörungstheorie gebrandmarkte These wird nun zunehmend aus der Schmuddelecke der Verschwörungstheorien befreit. Das Coronavirus könnte theoretisch das Ergebnis eines Laborunfalls sein, schreiben etwa 18 Top-Wissenschaftler im renommierten Fachmagazin „Science.“

Sie fordern, diese Möglichkeit eingehender zu untersuchen. Zu den Autoren zählen erstmals auch eine Reihe als sehr erfahren und renommiert geltende Corona-Forscher, darunter der US-Evolutionsbiologe Jesse Bloom und der Mikrobiologe David Relman von der Stanford Universität.

Brisant: US-Regierungsberater Anthony Fauci wurde kürzlich in einem Interview gefragt, ob er davon überzeugt sei, dass sich Covid-19 auf natürliche Weise entwickelt habe. „Nein, eigentlich nicht“, antwortete der Immunologe, „ich bin davon nicht überzeugt. Ich denke, wir sollten weiter untersuchen, was in China vor sich ging, bis wir nach bestem Wissen und Gewissen herausgefunden haben, was wirklich passiert ist.“

Viren sind bereits mehrfach aus Hochsicherheitslaboren entkommen

Als Indizienbeweis für die These vom Laborunfall gilt die räumliche Nähe der 11-Millionen-Metropole Wuhan zum Epizentrum des ersten Ausbruchs, wo chinesische Forscher in einem Hochsicherheitslabor mit Coronaviren experimentiert hatten. Eine internationale Kommission, die im Auftrag der WHO in China die Virus-Entstehung untersuchte, stufte einen Laborunfall Mitte Januar noch als „extrem unwahrscheinlich“ ein.

Diese Studie wird nun von den „Science“-Autoren kritisiert. Denn obwohl die Untersuchungskommission keine klaren Belege für eine natürliche Entstehung gefunden hat, geht sie in ihrem Bericht lediglich auf vier der insgesamt 313 Seiten auf die Möglichkeit eines Labor-Ursprungs ein.

Dafür spricht auch, dass Viren bereits mehrfach selbst aus solchen Hochsicherheitslaboren entkommen sind – zum Beispiel 1977, als ein seltsames Grippevirus um die Welt ging, das milde Symptome verursachte und hauptsächlich unter 26 Jahre alte Menschen befiel.

Die Forderung der Wissenschaftler wird man nicht mehr abtun können – es handelt sich um weltweit führende Corona-Forscher, darunter Experten für Virenevolution und Biotechnologie. Organisiert wurde der Brief von dem Mikrobiologen David Relman aus Stanford und dem Virologen Jesse Bloom von der University of Washington. Auf politischer Bühne dürfte er für noch mehr böses Blut sorgen.

'Eine gewöhnliche Grippe ist extrem unwahrscheinlich'

Neuen Auftrieb für die These eines Laborunfalls in China gab kürzlich auch ein US-Medienbericht. Das „Wall Street Journal“ berichtete unter Berufung auf einen US-Geheimdienstbericht, im November 2019 seien drei Mitarbeiter des Instituts für Virologie in der Stadt Wuhan so schwer erkrankt, dass sie ein Krankenhaus aufgesucht hätten.

Das US-Außenministerium hatte im Januar erklärt, es gebe Grund zu der Annahme, dass mehrere Mitarbeiter des Labors in Wuhan im Herbst 2019 erkrankt seien. Dies war in etwa der Zeitpunkt, an dem viele Epidemiologen und Virologen den Beginn des Sars-CoV-2-Virus vermuten. Sie hätten Symptome gehabt, „die sowohl mit Covid-19 als auch mit gewöhnlichen saisonalen Erkrankungen übereinstimmen.“

David Asher, ein früherer Mitarbeiter des Außenministeriums, der eine Taskforce zur Untersuchung des Virus-Ursprungs leitete, sagte dem „Wall Street Journal“, dass er eine gewöhnliche Grippe für extrem unwahrscheinlich halte. „Ich denke nicht, dass drei Personen unter strengen Labor-Bedingungen gleichzeitig erkranken.“

Der Chef des Wuhaner Instituts, Yuan Zhiming wies diesen Bericht in der chinesischen Staatszeitung „Global Times“ als „komplette Lüge“ zurück. Hingegen hatte ein japanischer Professor und Nobelpreisträger, der dort gearbeitet hat, schon vor längerer Zeit ausgesagt, dass er mehrere seiner Kollegen schon lange nicht mehr erreichen konnte.

Wie konnte das Virus überhaupt im Labor des Wuhan Institute of Virology entstehen?

Auch der frühere Direktor der amerikanischen Gesundheitsbehörde, Robert Redfield, pflichtete Wiesendanger in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN bei. Für den Mann, der jahrzehntelang als Virologe gearbeitet hat, ist die wahrscheinlichste Variante für die Ursache des Virus ein versehentlicher Austritt aus dem Labor in Wuhan.

Stellt sich die Frage, wie das Virus überhaupt im Labor des Wuhan Institute of Virology entstehen konnte. Sehr detailliert nimmt der amerikanische Wissenschaftsjournalist Nicholas Wade die Indizienkette unter die Lupe. Danach unternahm die Leiterin des Instituts für Virologie in Wuhan, Shi Zhengli, sogenannte „Gain-of- Function“-Experimente. Dabei fügen Virologen Teile verschiedener Viren zusammen, um neue Funktionen zu ermöglichen – die Viren auch ansteckender machen können. In einem Fall hat Zhengli ein erfolgreiches Experiment veröffentlicht.

Für die abschließende Klärung der Frage nach dem Ursprung führt kein Weg an China vorbei. Denn solange das Reich der Mitte die Daten nicht transparenter macht, bleiben alle Möglichkeiten offen.

Auch wenn sich die Herkunft von Sars-CoV-2 möglicherweise nie klären lässt: Diese Hypothese öffentlich aussprechen zu dürfen ist essenziell – verbunden mit der Hoffnung, dass die Gefahren virologischer Experimente künftig transparent zur Sprache gebracht und international gebannt werden.

 

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

 

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Dipl.-Volkswirt Christian Euler widmet sich seit 1998 intensiv dem Finanz- und Wirtschaftsjournalismus. Nach Stationen bei Börse Online in München und als Korrespondent beim „Focus“ in Frankfurt schreibt er seit 2006 als Investment Writer und freier Autor u.a. für die „Welt“-Gruppe, Cash und den Wiener Börsen-Kurier.
Bild: Shutterstock
Text: ce
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