Teufelsaustreibung auf neudeutsch

In unserem Land brechen gerade alle Dämme.

Politische Gegner mit Krankheiten zu vergleichen hielt ich immer für eine Methode aus dem Giftschrank der Geschichte. Im Jahr 15 unter Angela Merkel hat dieses Gift sogar in der einst altehrwürdigen Frankfurter Allgemeinen Einzug gehalten. „Die CDU in Thüringen ist so tief gesunken, weil sie nicht erkennen wollte, dass die AfD die Cholera ist, die Linkspartei aber nicht die Pest“, schrieb Jasper von Altenbockum, verantwortlicher Redakteur für Innenpolitik in der Zeitung. Wie aus allen Rohren und wie im Gleichschritt mit den anderen großen deutschen Medien trommelt die FAZ für die Parole, die Angela Merkel kaum verhohlen in Südamerika ausgegeben hat: „Kommunisten unter freiheitlichen Bedingungen sind auch nicht mehr die Kommunisten, die sie einmal waren.“ Eine dreiste Geschichtsklitterung, denn da, wo Kommunisten an die Macht kamen unter freiheitlichen Bedingungen, waren diese Bedingungen meistens schnell nicht mehr freiheitlich.

So sehr auf der einen Seite die Linke – trotz Beobachtung von sieben ihrer Gruppierungen durch den Verfassungsschutz – weißgewaschen wird, so unheimliche Züge nehmen die Attacken auf die AfD an. Dabei fällt vor allem eines auf: Hass und Hetze kommt heute in erster Linie von denen, die sagen, sie seien gegen Hass und Hetze. Das ganze hat wahnhafte Züge. Chef-Journalisten wie Bertold Kohler. Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen oder Ulf Poschardt Chefredakteur der Welt – beides einstmals konservative Blätter – lesen sich heute fast so, als verstünden sie sich nicht mehr als Journalisten, sondern als Teufelsaustreiber.

Kohler schreibt in seinem Kommentar „Der Gipfel des Zynismus“: „Die Gaulands, Höckes und Klonovskys kann man nicht bekehren. Die haben Blut geleckt, die wollen mehr. Ihr Geschäftsmodell ist eines der Aufwiegelung, der Untergrabung der liberalen Demokratie und der Selbstzerfleischung ihrer Bürgergesellschaft. Sie werden so lange an ihm festhalten, wie sie Zulauf haben“. Jemanden zu unterstellen, er habe Blut geleckt, im Zusammenhang mit blutigen Anschlägen mit vielen Todesopfern – das ist kaum noch mit anständigen Worten zu kommentieren. Weiter schreibt Kohler: „Wer AfD wählt…sollte auch nicht überrascht sein, wenn leicht verführbare Menschen – nützliche Idioten in einem neuen Sinn – das exekutieren, was Volksverhetzer wie Höcke mehr oder minder deutlich vordenken.“ Der FAZ-Chef macht also selbst Wähler der AfD für die Bluttat eines psychisch kranken verantwortlich und instrumentalisiert diese damit. Das ist genau das, was in der Überschrift seines Kommentars steht: „Der Gipfel des Zynismus“.

Im haargenau gleichen Duktus äußert sich Welt-Chef Poschardt:

Kritik, auch sehr harte, an der AfD ist berechtigt, ja notwendig (was übrigens auf jede Partei zutrifft – aber natürlich in einem ganz besonderen Art auf solche mit starken extremistischen Rändern wie die „Linke“ und die „AfD“). Was wir heute erleben, ist aber eine Dämonisierung – völlig unverdeckt, wurde doch erst kürzlich auf dem Spiegel Björn Höcke in diabolischer Pose als „Dämokrat“ dargestellt. So berechtigt, ja notwendig es ist, Höcke massiv politisch zu bekämpfen – ihn zu dämonisieren ist nicht nur unzulässig, es ist auch dumm und kontraproduktiv.

So synchron ist der Tenor in allen großen Medien, so übereinstimmend mit der Linie aus dem Kanzleramt nicht nur in Sachen AfD, sondern auch der Mehrzahl der anderen Themen, (siehe auch Hanau und Thüringen) , dass man ins Stutzen gerät. Insbesondere wenn man an die geplante massive Finanzierung der sterbenden Zeitungen mit Millionen aus den Steuereinnahmen denkt. Der Verdacht, dass da eine Hand die andere wäscht bzw. ihr nach dem Mund schreibt (und sendet), ist nicht von der Hand zu weisen.

Allein schon nach dem Zufallsprinzip müssten doch in einem demokratischen Land einige der großen Medien auch andere Sichtweisen zu Wort kommen lassen. Aber stattdessen werden diejenigen, wenigen kleinen Medien stark attackiert, die von der Linie abweichen. Auch ausländische. Die Korrespondentin der altehrwürdigen Neuen Zürcher Zeitung in Berlin musste sich unglaubliches anhören:

Wenn diese Entwicklung so weiter geht, kommen wir in gar nicht allzu ferner Zukunft wieder zur Teufelsaustreibung und Hexenjagd wie im Mittelalter, nur mit anderen Mitteln – in der Zeit von sozialen Medien braucht man keine Pranger mehr auf Marktplätze stellen.

Im öffentlichen Dienst wird AfD-Mitgliedern bereits der Austritt nahegelegt, in Restaurant der Zutritt verweigert, in den sozialen Medien sogar zu ihrer Inhaftierung aufgerufen. Wie heute in Politik und Medien negative Emotionen und Ängste geschürt werden, ist im höchsten Maße verantwortungslos und geschichtsvergessen. Es ist ein Spiel mit dem Feuer, eine zynische Instrumentalisierung von Terror und Nationalsozialismus zur Sicherung der politischen Hegemonie. Die Verblendung, mit der große Teile der Politik und Medien, aber auch der einfachen Bürger dem folgen, in höchster Inbrunst, lässt erahnen, wie gewisse geschichtliche Prozesse abliefen, die man ohne die aktuellen Erfahrungen für undenkbar in der Gegenwart hielt.

Nach einer Umfrage des Instituts Kantar sieht eine Mehrheit der Deutschen eine Mitverantwortung der AfD an rechtsextremer Gewalt. 60 Prozent der Befragten sind dieser Meinung, so die „Bild am Sonntag“ (BamS) herausfand. Nur 26 Prozent glauben nicht, dass die Partei mitverantwortlich ist für Gewalttaten wie in Hanau, 14 Prozent sind unentschlossen. Auch wenn solche Umfragen mit Vorsicht zu genießen sind, weil sie heute oft genug verwendet werden, um Stimmungen zu schüren statt sie wiederzugeben, ist dies doch ein Indiz dafür, dass die massive Stimmungsmache verfängt.

Diejenigen, die heute so viel über Hetze klagen, sollten einmal die Definition dieses Worts im Duden nachlesen und dann in den Spiegel sehen: „Gesamtheit unsachlicher, gehässiger, verleumderischer, verunglimpfender Äußerungen und Handlungen, die Hassgefühle, feindselige Stimmungen und Emotionen gegen jemanden, etwas erzeugen.“ Emotionslos betrachtet, trifft das auf viele Äußerungen gegen die AfD und ihre Politiker genauso zu wie – zweifelsohne – auf viele von deren Äußerungen. Aber zu so viel Selbstreflexion sind leider sehr viele nicht mehr fähig – auch in Politik und Medien.

Eine gute Freundin aus dem Ausland (einer der großen, traditionellen Demokratien), die in Berlin lebt, und deren Vorfahren sowohl unter braunem wie rotem Totalitarismus gelitten hatten, schrieb mir dieser Tage:

„Alle Dämme sind gebrochen. Die häßliche Fratze der angeblichen moralischen Überlegenheit des homo germanicus ist wieder da, für die ganze Welt zu sehen. Meine Freunde Zuhause schütteln den Kopf und fragen mich, wie ich nur eine Sekunde habe glauben können, die Mehrheit der Deutschen habe sich so schlagartig zu Demokraten ändern können. Gott war ich naiv. Sie lernen es nie. Margaret Thatcher hatte recht.“

Die damalige britische Premierministerin hatte vor der Wiedervereinigung massive Bedenken, ob die Deutschen wirklich zu Demokratie fähig sind (siehe hier). Im Nachhinein lesen sich manche ihrer Bedenken wir Prognosen. Nur liegt das Problem, so glaube ich, weniger an den Deutschen an sich. Als an ihren Eliten, vor allem in Politik und Medien.

Wenn (!) sich die Hysterie dieser Tage wieder legt und wieder ein sachlicher Diskurs möglich werden sollte, muss man darüber nachdenken, wer und was die AfD groß gemacht hat. Dann könnte man, um in einem von Jakob Augstein geprägten Bild zu bleiben, statt dem Fieber die Krankheit bekämpfen. Aber da hätten wohl einige (zu) viel zu verlieren.


Bilder: Pixabay

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