Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Corona-Tests? Zahlreiche "falsch positive" Corona-Tests im Profifussball

Für Normalsterbliche ist das Urteil in der Regel endgültig: Abertausende Menschen, darunter auch sehr viele Schüler, müssen deutschlandweit wegen positiver Corona-Tests in Quarantäne. Sehr oft, weil nicht bei ihnen selbst der Test positiv ansprang, sondern etwa bei einem Kollegen oder Klassenkameraden. Jetzt taucht eine brisante Frage auf: Sind etwa Fußball-Profis anders als  „Normalgetestete“ privilegiert durch die Möglichkeit, nachtesten zu lassen? Drittligist Türkgücü München teilte laut BR am Sonntag mit, dass „drei positive Corona-Meldungen vom vergangenen Freitag ‚falsch positiv‘ bzw. negativ sind“. Dies habe das zuständige Corona-Labor nach einer weiteren Testreihe der gesamten Mannschaft und des Betreuerstabs bestätigt. Zuvor hatte es bereits beim FC Bayern München und den Zweitligisten Würzburger Kickers sowie 1. FC Heidenheim „falsch positive Befunde“ gegeben.

Bei Türkgücü waren den Angaben zufolge drei vermeintliche Coronafälle aktenkundig geworden. Ingesamt mussten 18 Spieler in häusliche Quarantäne. Alles zu Unrecht, wie die weitere Testreihe nun ergab. Alle Betroffenen durften laut Verein die häusliche Quarantäne sofort wieder verlassen. Nicht rückgängig gemacht werden kann indes, dass ein auf vergangenen Freitag angesetztes Spiel des Drittlage-Aufsteigers beim FSV Zwickau auf Antrag der Gäste abgesagt worden war.

Türkgücü teilte mit, dass der Deutsche Fußball-Bund in der kommenden Woche „Ermittlungen über die Verbesserung von Labortests durchführen“ will, so der BR. Wie ein Fußballverband Ermittlungen in Sachen eines medizinischen Tests durchführen will, blieb zunächst unklar. Türkgücü-Geschäftsführer Max Kothny sagte: „Es ist sehr traurig, dass unser Spiel beim FSV Zwickau wegen drei falsch positiven Tests abgesagt werden musste, besonders aus sportlicher Sicht, aber auch aufgrund der entstandenen Kosten. Nun gilt es den Fall aufzuarbeiten, um solche Szenarien in Zukunft zu vermeiden.“

Auch FC-Bayern-Spieler Serge Gnabry war am vergangenen Dienstag positiv getestet worden. Dennoch trat die Mannschaft am Mittwoch in der Champions-League an – keine Spur von häuslicher Quarantäne. An den vier auf Dienstag folgenden Tagen wurde jeweils ein weiterer PCR-Test durchgeführt. Alle brachten im Gegensatz zum ersten Test ein negatives Ergebnis. Auch am Samstag und am Sonntag durchgeführte Antigen-Tests brachten jeweils negative Ergebnisse. „Das Münchner Gesundheitsamt geht daher nun davon aus, dass der positive PCR-Test vom vergangenen Dienstag falsch-positiv war und hat daher die Quarantänemaßnahmen aufgehoben“, schrieb der Club laut BR in einer Mitteilung.

Beim Zweitligisten Würzburger Kickers mussten ein Spieler und zwei Co-Trainer wegen positiver Testergebnisse dem Spiel beim Hamburger SV fernbleiben. Später hießt es von dem Verein, die Tests seien „falsch positiv“ gewesen. Schon am Sonntag durften die drei Betroffenen laut BR wieder am Mannschaftstraining teilnehmen.

Auch der Zweitligist 1. FC Heidenheim wurde Opfer eines falsch positiven Tests. Bei dem Verein aus Baden-Württemberg waren insgesamt sechs Personen positiv getestet worden. Ein weiterer Test am Freitag und Samstag durch das Klinikum Heidelberg führte dann allerdings zu negativen Ergebnissen. Der 1. FC Heidenheim, der seine Spielvorbereitung unterbrechen müsse, prüft nun rechtliche Schritte gegen das ursprüngliche Testlabor.

Schon vergangene Woche hatte der Berliner Abgeordnete Marcel Luthe (parteilos) ein massives Chaos bei den Tests in Deutschland beklagt. So machte er geltend, dass laut einer Antwort des Berliner Senats auf seine parlamentarische Anfrage etwa der entscheidende Ct-Wert bei den Tests von den staatlichen Stellen nicht einmal erfasst werde. Luthe: „Es sind 550 unterschiedliche Tests in Deutschland. Es gibt keine Zulassungsstelle für medizinische Tests. Im Prinzip kann jeder seinen Test auf den Markt werfen. Was der testet, wie genau der ist, erfahren Sie erst mal nicht, und diese Daten werden alle nicht erfasst“.  (Lesen Sie hier den ganzen Artikel).

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Interessant ist, dass über die Serie falsch positiver Tests in den Fußball-Clubs relativ wenig berichtet wird. Vor allem wenig zusammenfassend und an prominenter Stelle. Die meisten Medien kochen dieses Thema auf Sparflamme, obwohl es eigentlich zentral behandelt werden müsste in einer Zeit, in der die Corona-Tests für Land und Leute schicksalhaft sind. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema würde massive Fragen aufwerfen: Herrscht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei den Tests, wenn etwa Fussball-Vereine Betroffene mehrfach testen lassen, was für normale positiv Getestete wohl zumindest schwierig wäre? Haben die Vereine so wenig Vertrauen in die Tests, dass sie so oft nachtesten lassen? Oder wie im Fall des FC Bayern trotz eines positiven Tests die anderen Spieler nicht in Quarantäne schicken, ja sogar weiter spielen lassen? Haben Kritiker der Tests mit ihren Vorbehalten in Sachen Zuverlässigkeit Recht, wenn allein in der kleinen Welt des Profi-Fussballs so viele Fehler bekannt werden? Wurde Jens Spahn ein zweites Mal getestet wie die Profis? Wenn nicht: Warum? Weil es zu peinlich wäre, wenn sich der erste Test als Fehler herausstellen würde? Fragen über Fragen, die dringend diskutiert werden müssten statt vertuscht und heruntergespielt.

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Bild: Mix and Match StudioShutterstock
Text: br


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