Ewige Kanzlerin Merkel auch nach 2021? Weihnachtsorakel – Fürchtet Euch doch!

Gastbeitrag von Olaf Opitz

Wie lange müssen wir noch unter Merkels Regime leben?, fragen sich die Genervten. Wie lange dürfen wir noch ihrer Politik vertrauen?, fragen sich die Gelenkten. Im September 2021 sollen die Bürger bei der nächsten Bundestagswahl wieder ihre Kreuzchen machen.

Schon mehr als 15 Jahre im Amt und kein Ende der Ära Merkel?

Wer weiß das schon, wenn er sich bei Hofe in Berlin umhört.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zwar verbreitet, sie wolle im Herbst 2021 ihr Amt mit Ablauf der Regierungszeit beenden. Aber wie gering die Halbwertzeit solcher Andeutungen und anderer Versprechen bei Politikern ist, konnten Wahlbürger schon so oft erleben.

Wagen wir also einmal ein paar Einblicke in Gedanken und Spekulationen innerhalb des Raumschiffs Berlin. Denn viele Lichtjahre von der Realität entfernt, dringen Bundesregierung und Bundestag in politische Parallelwelten vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Deshalb gibt es hier etwas vorweihnachtlichen Spekulatius – völlig losgelöst von der Erde.

„Warum macht Merkel nicht jetzt schon den Weg frei?“, fragt selbst der linkslastige Berliner Tagesspiegel scheinbar besorgt.

Ja, warum wohl?

Angesichts des großen Zuspruchs für Merkels Politik in der Corona-Krise verkündete bereits im Mai dieses Jahres Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU): In der Union würde darüber diskutiert, dass CDU-Kanzlerin Merkel entgegen allen Ankündigungen eine fünfte Amtszeit dranhängen könnte. Ein Jahr zuvor hatte sie jedoch öffentlich erklärt: „Es gilt das, was ich im Zusammenhang mit meinem Abschied vom Parteivorsitz gesagt habe: Dass ich für kein weiteres politisches Amt, egal wo es ist, auch nicht in Europa, zur Verfügung stehe.“

Regierungsmitglieder hingegen meinen, raunt es auf Bundesfluren, dass Merkel aufhöre, glaubten sie erst, wenn sie wirklich weg sei. Etwas makabrer sehen es manche im Bundestag: „Merkel wird aus dem Kanzleramt herausgetragen – waagerecht.“ Ja, und dann gibt es noch eine Episode, die gerne am Abend bei Treffen in Hauptstadtkreisen unter Bundespolitikern und Diplomaten die Runde macht. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán soll Kanzlerin Merkel beim 30-jährigen Jubiläum des Paneuropäischen Picknicks im ungarischen Sopron im August 2019 eine Wette angeboten haben, dass sie als Kanzlerin doch nicht aufhören, sondern weitermachen würde.

Alles nur Schall und Rauch? Oder, wo Rauch ist, gibt’s meistens auch Feuer? Brenzlig genug ist die wirtschaftliche Lage Deutschlands und noch schlimmer die der gespaltenen EU.

Zumindest eine Amtsverlängerung um ein Jahr halten Unionsabgeordnete daher für möglich. Sie haben dafür auch gleich eine amüsante Begründung. Nachts im Kanzleramt könne Merkel in ihrem Dienstbett oft nicht richtig einschlafen. Statt Schäfchen zähle sie wohl ihre Diensttage. Ehrgeizig wie sie sei, wolle sie gerne länger an der Macht bleiben als der Einheitskanzler Helmut Kohl. Allein damit würde sich Merkel, der es nicht so sehr ums Geld, sondern vor allem um Macht und Meriten geht, mit der längsten Kanzlerschaft seit 1949 in die Geschichtsbücher einschreiben. Genau so etwas könnte Merkel noch einmal antreiben, vermuten Bundestagsabgeordnete, obwohl sie es sich nicht wünschen.

Die Bundestagswahl könnte mit der Begründung anhaltender Corona-Notlagen (denn die stellen ja nur die Regierenden fest) durchaus ins Jahr 2022 verschoben werden. Zwei Faktoren würden Merkel und vielen Bundestagsabgeordneten dabei in die Hände spielen.

Erstens, könnte Merkel so Deutschland länger regieren als Kohl.

Doch dafür müssen selbst Insider, statt Schäfchen zu zählen, schon ihre Taschenrechner bemühen.

Seit 22. November 2005 sitzt Merkel im Kanzleramt. Bereits im Dezember 2019 holte sie mit 5.143 Tagen Konrad Adenauers Kanzler-Amtszeit (15.09.1949 – 15.10.1963) ein. Zum Jahresende 2020 wird sie mit 66 Jahren dann seit 5.519 Tagen im Dienst sein. Länger als die beiden war jedoch bisher nur Helmut Kohl im Amt. Der „Kanzler der Deutschen Einheit“ brachte es als Regierungschef vom 1. Oktober 1982 bis 26. Oktober 1998 auf genau 5.869 Tage.

Angela Merkel müsste, um ihn einzuholen, im nächsten Jahr noch 350 Tage regieren, also bis zum 17. Dezember 2021. Dieses Ziel kann sie mit dem bislang geplanten Wahltermin am 26. September 2021 jedoch nicht mehr erreichen. Da macht aus Merkels Sicht eine Verschiebung der Bundestagswahl – natürlich aus einer Notlage des Landes heraus – auf 2022 schon Sinn.

Steuerpolitische Grausamkeiten, um die Milliarden-Ausgaben für die Corona-Krise wenigstens teilweise wieder einzutreiben, könnte sie – weil natürlich alternativlos – auf den Weg bringen. Doch ehe sich die Steuer- und Beitragserhöhungen im Geldbeutel der Bürger spürbar auswirken, wäre die vermeintliche „Deutschland-Retterin“ Merkel dann bei einer verschobenen Bundestagswahl bis Sommer 2022 schon weg.

Zweitens, selbst die große Mehrheit der Bundestagsabgeordneten wäre sicher froh über ein zusätzliches Mandatsjahr mit sicheren Sitzen, weiteren Diäten und Ansprüchen für ihre Pensionen. Viele fürchten ohnehin um ihre Wahlkreise und Listenplätze, egal ob sie für SPD, FDP, AfD oder Linke im Parlament sitzen. Bei CDU und CSU sieht es nicht viel anders aus. Nur die Grünen wären wohl gegen eine Wahlverschiebung, weil sie sich durch reguläre Wahlen im Bundestag dank besserer Ergebnisse ausbreiten könnten.

Damit nicht genug: Als heimliche CDU-Vorsitzende herrscht die Kanzlerin, angesichts des Totalausfalls ihrer Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK), ohnehin über die Partei. Beim nächsten Parteivorsteher zieht Merkel die Strippen, alles andere wäre ein Wunder der Demokratie.

Obendrein geht‘s in Merkels Kanzlerwahlverein hoch her. Gleich drei von der CDU-Tankstelle, die keine guten Freunde sind, kämpfen um die Nachfolge der gescheiterten und nur noch amtierenden AKK. Es sind Basisliebling Friedrich Merz, Grünen-Freund Armin Laschet und Muttis Eitelster Norbert Röttgen. Am Ende könnte womöglich auch noch Corona-Inspektor Jens Spahn ins Rennen eingreifen. Wenig Platz für viel Personal (alle vier) aus Nordrhein-Westfalen.

Als heimliche Vorsitzende müsste sich Merkel über das Personalangebot gruseln. Schließlich kann es aus ihrer Sicht keiner so gut wie sie. Also, dann doch lieber noch einmal als Kanzlerin weiterregieren und so indirekt auch die Linie der CDU mitbestimmen?

Zudem könnte Merkel in der EU als Kanzlerin weiter dafür sorgen, dass ihre höchst umstrittene wie auch gefährliche Asyl-Einwanderungspolitik der offenen Grenzen unumkehrbar wird.

Für ihre Verbohrtheit beim Asyl mit all seinen Risiken spräche, dass sie gleich mit einer kompletten fünften Amtszeit nachlegt.

Was hieße das für Deutschland? Noch länger Merkel mit ihrer Politik der gnadenlosen Alternativlosigkeit und ihren nicht enden wollenden Zumutungen ertragen? Dann dürfte das für viele Bürger die Weihnachtsbotschaft der Neuzeit sein:
Fürchtet Euch doch!
Das Gros der Willigen würde jedoch fröhlich anstimmen:
Freue, freue Dich o Merkelheit!

Wirklich noch einmal vier Jahre Merkel? Für eine qualifizierte Minderheit in der Tat eine grausame Vorstellung – für das Gros der mitlaufenden Masse jedoch nicht. Denn Mutti macht das schon. Sie fährt uns in die Krise und holt uns wohl wieder raus, denken die Folgsamen, Gutgläubigen und Ängstlichen genauso wie die treue Schar der Sehr-Gut-Menschen.

Schließlich hat Kanzlerin Merkel ihr Volk in der Corona-Krise im wahrsten Sinne des Wortes voll im Griff. Es scheint ihr offensichtlich zu gefallen, wie alle artig folgen, wenn man ihnen nur genug Furcht einjagt. Wohl deswegen redet Mutti Merkel mit ihrem Volk nicht so gern auf Augenhöhe, sondern lieber wie eine Erzieherin mit ihren Kindern.

Und die Methode scheint erfolgreich: „Je mehr sie die Bürger knechtet, desto höher sind ihre Zustimmungswerte“, geben Unionsfunktionäre zu. Sie wundern sich geradezu: „Dabei sind wir absolut wirklichkeitsimmun.“

Mitte November erreichte die Beliebtheit Merkels im ARD-Deutschlandtrend mit 74 Prozent in dieser Regierungsperiode sogar ihren Höhepunkt. Nur einen Monat zuvor fand dagegen eine INSA-Umfrage von reitschuster.de heraus, dass die Kanzlerin mit 20 Prozent die Liste der unbeliebtesten Politiker Deutschlands anführt.

Also je nachdem, wie man die Umfragen bestellt, ist Kanzlerin Merkel der beliebteste genauso wie der unbeliebteste Politiker – Gut und Böse in einer Person.

Literarisch Bewanderte greifen hier gerne zu Allegorien. Sie nehmen eine Prise schwarzen Humor, wenn sie in Merkel gar eine neue Herrin der Ringe sehen: „Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.“ (J.R.R. Tolkien)

Soso. Allerdings wird Merkel schon ärgerlich, wenn der eine oder andere Ministerpräsident nicht gleich ihrem rigiden Kurs folgt. „Es gab durchaus ein bisschen unterschiedliche Vorstellungen“, räumt dann die CDU-Kanzlerin diplomatisch ein. Das heißt im Klartext, es hat gekracht. Und sie vergisst nichts, ist nachtragend und meint es dann mit Widerständlern bitter ernst.

Warum soll sie also mit den Bürgern anders umspringen?

In den neuen Medien wie Tichys Einblick beschrieb der Herausgeber Merkels Politik respekterzeugender Furcht in ihrem 16. Regierungsjahr wie folgt: „Wie düstere Gesellen bedroht uns eine Politik, die in Angst erstarrt ist. Wir sollen uns fürchten. Wir sollen uns fürchten, damit wir gehorchen, und wenn wir gehorchen, sind sie gnädig mit uns.“

Wie würde Merkel ihr Weiterregieren rechtfertigen – etwa so?

Ein Merkel-Klassiker aus vergangenen Jahren könnte für die Begründung ihre Amtszeitverlängerung taugen: „Ich muss meinen Dienst für Deutschland tun.“ Die weitere Rede schriebe sich wie von selbst. Angesichts der tiefwirkenden Corona-Krise nehme sie sich entgegen ihrer früheren Äußerungen „nun doch noch einmal in die Pflicht“. Sie werde dabei all ihre „Gaben und Talente in die Waagschale“ werfen.

Sie wolle „Europa und Deutschland in den schwersten Stunden seit dem Weltkrieg als stabiler Faktor zur Verfügung stehen“. Für das Wohl der Menschen müsse man manchmal auch eigene Pläne hintenanstellen. Sie fordere alle Bürger auf, mit ihr den Weg für die Sicherung von Arbeitsplätzen und Wohlstand gemeinsam zu gehen. Die Aufgabe werde für alle schwerlich genug. „Bitte seien Sie dabei!“

Ja, so wäre das sicher möglich, und der begeisterte Applaus großer Teile der staatstragenden Presse, insbesondere der öffentlich-rechtlichen Sender, wäre ihr gewiss.

Denn in Hintergrundrunden könnte Merkel auch noch auf die desolate Lage in der CDU-Führung und die Schwächen der potenziellen Vorsitzenden verweisen, begleitet von nickenden Köpfen sogenannter Qualitätsjournalisten nebst ihren Chefredakteuren.

Da ist es dann auch egal, dass Merkel einmal bekannte: „Ich brauche lange, und die Entscheidungen fallen spät – dann stehe ich aber auch dazu.“
Letztlich gibt es immer wieder radikale Wenden von Politikern.

Der frühere CSU-Chef und heutige Innenminister Seehofer hat es durch seine häufigen Kurswechsel in der Öffentlichkeit bereits zum unglaubwürdigen „Drehhofer“ gebracht.

Selbst an der Spitze des Kanzleramts zeigten sich die Amtsinhaber sehr wendig. Hier nur ein paar Bestseller:

CDU-Kanzler Helmut Kohl führte im Juli 1991 für den Aufbau-Ost den Solidaritätszuschlag ein, obwohl er die deutsche Einheit eigentlich ohne Steuererhöhungen finanzieren wollte und der „Soli“ bestenfalls nur ein Jahr lang gelten sollte.

SPD-Kanzler Gerhard Schröder erhöhte entgegen seinen Wahlversprechen nach der Bundestagswahl im Herbst 2002 gleich eine ganze Reihe von Steuern wegen schlechter Haushaltslage.

Diese politische Lüge brachte ihm dann immerhin den Steuersong in der Gerd-Show ein: „Denn nun habt Ihr mich gewählt und jetzt habt Ihr den Salat – ich bin noch mal‘n paar Jahre euer Kanzler!“ Mehr noch: „Was du heute kannst versprechen, darfst du morgen wieder brechen.“ Und deswegen: „Ich erhöh‘ euch die Steuern, gewählt is‘ gewählt, ihr könnt mich jetzt nicht mehr feuern, das is‘ ja das Geile an der Demokratie.“

Hier gibt’s den Gerd-Show-Songtext zum Nachlesen und hier zum Anschauen. Der Hit von Stimmenimitator Elmar Brandt brachte es sechs Wochen lang auf Platz eins der deutschen Charts.

Das Geile an der Demokratie ist tatsächlich, dass es nach Wahlen kein Rückgaberecht für die Bürger gibt. Für nicht eingehaltene Versprechen finden Spitzenpolitiker immer schnell eine Begründung. CDU-Kanzler Konrad Adenauer könnte mit seiner Lebensweisheit Merkel für eine Amtszeitverlängerung geradezu inspiriert haben: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden.“

Nun, ja. Ob die Bevölkerung so viel Weisheit in den nächsten, viel härter werdenden Jahren noch verträgt?

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Olaf Opitz (62) war langjähriger bundespolitischer Korrespondent u.a. beim „Focus“. Nach meiner Rückkehr aus Moskau 2012 arbeiteten wir gemeinsam im Berliner Hauptstadtbüro des Nachrichtenmagazins. Dort habe ich Olaf Opitz kennen und schätzen gelernt.
Der diplomierte Kulturwissenschaftler startete 1985 seine Laufbahn bei der Berliner Tageszeitung „Der Morgen“. Dort absolvierte er die Redakteursarbeit vom Spiegeltisch bis zur Setzerei. Zugleich war er als Fotoreporter unterwegs. Im Herbst 1989 berichtete und fotografierte er als Parlamentsreporter über Mauerfall und deutsche Einheit. Er veröffentlichte im „Morgen“ noch vor dem Mauerfall am 9. November 1989 das erste Interview eines DDR-Mediums mit Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley vom Neuen Forum. Gleichzeitig schrieb er noch als Autor für das erste unabhängige ostdeutsche Jugendmagazin „Chance“. Im Oktober 1990 ging er nach Bonn, baute dort das „Morgen“-Büro auf und informierte als Korrespondent seine Leser über die Bundespolitik. Nach der Einstellung des Blattes durch den Springer-Verlag wechselte er im Juni 1991 als politischer Korrespondent in das Bonner Büro der „Berliner Morgenpost“. Im Oktober 1992 gehörte er als politischer Korrespondent der Parlamentsredaktion in Bonn zur Gründungsmannschaft des Nachrichtenmagazins „Focus“. Nach dem Berlin-Umzug berichtete er ab 1999 aus der Hauptstadt. Er ist regelmäßiger Gesprächspartner beim Nachrichtensender Phönix. Als „gelernter DDR-Bürger“ hat er ein besonderes Gespür für Probleme mit Meinungsfreiheit und Demokratie, das ich sehr zu schätzen weiß und mit dem er mich regelmäßig inspiriert. 


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Bild: Semir Sakic/Shutterstock
Text: gast

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