PCR-Test: Corona-positiv durch Grapefruit? Internes Warnschreiben an Behörden

Zuerst hielt ich es für einen schlechten Scherz. Eine Freundin erzählte mir, dass ihr Bekannter (m/w/d) bei einer Behörde einen offiziellen Brief erhalten habe, in dem empfohlen wird, vor PCR-Tests keine Vitaminpräparate einzunehmen und auch kein Obst und keine Fruchtsäfte zu essen oder zu trinken. Weil ich es nicht glauben wollte, stellte die Freundin indirekt den Kontakt her und ich bekam eine Abschrift des Briefes. Er stammte von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bzw. deren Zweigstelle in Nürnberg. Es ging dabei um eine Empfehlung, wie man Migranten, die freiwillig in ihre Heimatländer zurückreisen, zu testen hat. Ich wandte mich schon Ende Oktober an die IOM in Nürnberg mit folgender Presseanfrage:

Mir liegt ein Schreiben von Ihnen an eine Behörde vor, in dem empfohlen wird, „dass für den Tag des PCR-Abstrichs vor dem Test weder Vitaminpräparate einzunehmen noch viel Obst gegessen oder Fruchtsäfte getrunken werden sollten, da der Test ansonsten möglicherweise „fragwürdig positiv“ ausfallen könnte.“

Ich habe dazu folgende Presseanfrage:
1) Welche genauen Erkenntnisse über die Auswirkung von Vitaminpräparaten, Obst und Fruchtsäften auf das Corona-Test-Ergebnis liegen Ihnen vor?
2) Bezieht sich diese Warnung nur auf Tests in einem bestimmten Labor oder generell auf alle Labors?

Mit Verspätung bekam ich dieser Tage folgende Antwort:

„Wir haben im Rahmen unseres Programms für freiwillig zurückkehrende Migrantinnen und Migranten mit dem ArminLab im Augsburg zusammengearbeitet, um PCR-Tests vor Flügen durchführen zu können. Die KollegInnen dort sind in dem Fall die Experten, an die ich Sie gerne verweisen möchte:“

Weiter folgten die Koordinaten der Firma „ArminLabs GmbH“ in Augsburg.

Nun schickte ich meine Anfrage an diese. Und bekam heute folgende Antwort:

„Wir hatten zu Beginn der PCR Testungen im Frühsommer einen Verdacht hier gehegt, dass durch z.B. Obst oder Grapefruitkonzentrate eine Störung der Analytik im Einzelfall auftreten könnten.

Dies hat sich nicht verifizieren lassen, siehe bitte Anhang.

Deshalb ist die Aussage nicht verifizierbar gewesen und sollte auch nicht weiter verbreitet werden.

Einen weiteren Kontakt zu IOM hatten wir seit Frühsommer nicht mehr.

Mir liegen keine Informationen zu weiteren Störeinflüssen aus der Literatur selbst vor.“

Den Wunsch des „nicht weiter Verbreitens“ kann ich nachvollziehen. Aber Journalisten sind dazu da, um das zu verbreiten, an dessen Nicht-Verbreitung jemand Interesse hat. Und gerade solche Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit einem Test, der massive Auswirkungen auf das Leben von Millionen Menschen hat, sind von öffentlichem Interesse. Ich frage mich: Wenn es solche Bedenken gab im Frühsommer, warum wurden sie nicht kommuniziert? Bzw. nur zwischen Labor und Behörden und behördenintern? Die Bedenken müssen ja zumindest als ernst wahrgenommen worden sein, wenn es zu solchen internen Warnungen kam. Allein wegen Erzählungen vom Hörensagen hätte man wohl kaum solche Warnungen ausgeteilt. Warum aber wurden dann nur rückkehrwillige Migranten gewarnt, aber nicht die Millionen anderer Menschen, die auch einen PCR-Test machten? Und denen deswegen schwerwiegende Folgen wie etwa Quarantäne drohten? Hier drängt sich die Frage auf, ob es auch noch andere Unwägbarkeiten gibt, die ebenfalls nicht bekannt gemacht werden? Wenn selbst Zitrusfrüchte in den Labors zu einem Verdacht geführt haben. Das Vertrauen in Transparenz erhöht dieser Vorfall jedenfalls nicht.

Hier der Anhang, den mir das Labor schickte:

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Als Nicht-Fachmann werde ich aus diesem zweiseitigen Dokument nicht schlau. Bleibt mir also nur, den Angaben des Labors zu vertrauen. Und auf die Schwarmintelligenz meiner Leserinnen und Leser, unter denen sicher auch Fachleute sind, die Erhellendes beitragen können.

PS: Und hier das Ergebnis der Leser-Expertise – eine Beurteilung des Versuchs durch Dr. rer. nat. (Biochemie/Molekulare Zellbiologie) Günther Rezniczek:

Ich habe mir die 2 Seiten aus dem Labor mal angesehen, und auch kurz das Manual des PhoenixDx PCR Tests überflogen. Was hier gemacht wurde, ist ein quick’n’dirty Pilot-Experiment, um zu sehen, ob denn Grapefruitsaft tatsächlich zu positiven Ergebnissen beim Test auf SARS-CoV-2 führen könnte. Die Ansätze 1 (nicht in der Tabelle) und 2 (G11/H11) sind etwas naiv, und erwartungsgemäß kam es hier zu gar keiner Amplifikation mehr (Ergebnis „undetermined“ für die RNAseP-Kontrolle).

Ansatz 3 (also Abstrich vorher, Saft trinken lassen, nochmal ein Abstrich) ist ok. Hier zeigt sich bei den 8 (?) Probanden (wenn man davon ausgeht, dass jede Tabellenzeile einem Probanden entspricht), dass das Trinken von Grapefruitsaft keinen Einfluss auf das Testergebnis hatte. Es wird lediglich die interne Positivkontrolle (RNAseP) amplifiziert, was so sein soll. „undetermined“ heißt, dass es keine Amplifikation gab und daher auch kein Ct-Wert bestimmt werden konnte. Der Ct-Wert von ca. 32-33, teils >34, für die RNAseP kommt mir allerdings recht hoch vor (sprich: es war wenig in der Probe), aber da keine Angaben zu möglichen Verdünnungen/Volumina/etc. gemacht wurden, kann man hier nur spekulieren, ob z.B. etwa die Abstriche recht „zart“ gemacht wurden (und somit sehr wenig menschliches Zellmaterial, also Schleimhautzellen, auf den Wattestäbchen „hängen“ blieben). Der Kit spricht von erwarteten Ct-Werten von 22-29 für die RNAseP (also, bezogen auf 32, um einen Faktor von 8 bis 1000 Mal mehr).

Jedenfalls ergibt sich aus diesem Experiment jedenfalls kein Anhaltspunkt, dass der Genuss von Grapefruitsaft zeitnah zum Abstrich in (falsch) positiven Virusnachweisen resultiert. Ich hätte das auch nicht erwartet.

Natürlich ist die Aussagekraft beschränkt. Die Ergebnisse gelten jedenfalls nur für diesen einen konkreten PCR-Test und für den konkret verwendeten Grapefruitsaft. Um solidere Aussagen treffen zu können (auch ob möglicherweise Grapefruitsaft sogar zu einer Unterdrückung des Virusnachweises führen könnte), müsste man etwas breiter testen: PCR-Kits unterschiedlicher Hersteller, verschiedene Säfte, mehrere Zeitpunkte der Abstrichnahme nach Saftgenuss, usw.

Aber wenn es um einen Verdacht bei konkret diesem Labor mit konkret diesem Test ging, dann würde ich sagen, dass dieser Versuch ausreichend war, um guten Gewissens diesem „Anfangsverdacht“ nicht weiter nach zu gehen.


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Bild: photodaria/Shutterstock
Text: br


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