Schweden 2020 ist mit Deutschland 2015 und 2018 vergleichbar Eine kritische Zahlenanalyse

Politik ist kompliziert. Mathematik ist für viele (auch mich) noch komplizierter. Die hier veröffentliche Analyse von Dr. A. Weber, der als Datenanalyst mit Schwerpunkt Zeitreihenanalyse und Forecasting in der Industrie arbeitet, ist allein aus mathematischer Sicht schwerer Tobak. Aber gerade weil das Thema so heikel ist und weil es so stark an fundierten Daten und Analysen mangelt, gerade wenn es etwa um den Vergleich zwischen Deutschland und Schweden geht, habe ich mich entschlossen, den Text ungekürzt zu veröffentlichen. Zur Sterblichkeit erschien von ihm bereits der Beitrag „Sterblichkeit 2020: Mild bis statistisch unauffällig“ auf meiner Seite.

Ein Gastbeitrag von Dr. A. Weber

Ist das CORONA-Jahr 2020 ein Horrorjahr, wie man es überall hört? Sterben pro Tag tausende von Menschen mehr an Corona? Welche Sterbezahlen hätten wir für 2020 ohne Corona erwartet? Und was haben die Maßnahmen gebracht? Gäbe es Deutschland 2021 noch ohne Maßnahmen oder wäre es ausgestorben?

In einem ersten Beitrag auf reitschuster.de wurde eine Analyse präsentiert, wonach wir aktuell in Deutschland noch keine Übersterblichkeit im Vergleich zu einem normalen Jahr beobachten. Diese Aussage ist wichtig, da sie die teilweise beängstigenden Pressemitteilungen in Relation setzt: Corona hat aktuell noch keine Übersterblichkeit zu einem normalen Jahr erzeugt!

Die Analyse stimmt im Wesentlichen überein mit einem Beitrag von Prof. Rießinger und den Statistiken der LMU München.

Sind Maßnahmen dafür verantwortlich, dass wir keine Übersterblichkeit sehen? Was wäre ohne Maßnahmen los gewesen? Oft wird Schweden mit seinen weichen Maßnahmen als Negativbeispiel herangezogen.

Kommt es überhaupt darauf an, wie viele gestorben sind? Sollen wir nicht um jeden Preis (!) versuchen, alle vor Corona zu retten? Wie war es in der Vergangenheit bei anderen Viren?

In diesem Beitrag möchte ich Ihnen Antworten auf genau diese Fragen geben, die uns alle brennend interessieren.

Dazu überprüfen wir: Ist Schweden wirklich ein krasses Negativbeispiel? Wir übertragen es auf Deutschland und sehen, was herauskommt.
Die verschiedenen Szenarien für Sterbezahlen sind im folgenden Diagramm dargestellt (mehr Erklärungen darunter). Ein Bild sagt mehr als tausend Worte:

Falls Sie sich fragen, wo der Unterschied ist, liegt es nicht daran, dass Sie eine Brille bräuchten. Die Balken sind tatsächlich alle in etwa vergleichbar. Das liegt daran, dass der überwiegende Teil auf die statistisch regulär Versterbenden entfällt. Weiter unten im Beitrag zoomen wir noch weiter in das Diagramm hinein. Hier erstmal noch eine Erläuterung:

  • Der grüne Balken stellt für ein fiktives 2020 ein Szenario dar, in dem es in Deutschland KEIN Corona und KEINE Grippewelle gegeben hätte – also ein mildes Jahr.
  • Der graue Balken stellt ein normales Jahr OHNE Corona dar, in dem aber eine normale Grippewelle stattgefunden hätte. Hier sehen Sie unsere Skalierung: Das heißt, dass für Deutschland und Schweden für dasselbe Szenario dieselben absoluten Zahlen aufgeführt werden, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten.
  • Der hellgrüne Balken zeigt die Prognose für das reale Jahr 2020 in Deutschland (mit Maßnahmen). Der ist noch leicht kleiner als der graue Balken.
  • Der dunkelrote Balken zeigt das reale Schweden 2020, übertragen auf Deutschland. Also ein Corona-Szenario mit weichen Maßnahmen, für Deutschland. Wir hätten etwas höhere Todeszahlen als im normalen Jahr – die Maßnahmen haben also gewirkt. Trotzdem ist der Unterschied kaum zu sehen (!). (Das ist ein erstes und möglicherweise nicht so erwartetes Ergebnis!).
  • Die beiden hellroten Balken zeigen die Jahre 2015 und 2018 in Deutschland, wobei die Zahlen auf 2020 skaliert wurden, um Vergleichbarkeit zu ermöglichen (Bevölkerungsstruktur etc. angepasst). Dies ist das zweite möglicherweise überraschende Ergebnis: Wir haben in Deutschland bereits 2015 und 2018 zur aktuellen Schwedensituation 2020 vergleichbare Jahre erlebt! Wer erinnert sich daran?

Die Kernaussagen, die man zusammenfassend sieht:

  • Erstmal sind alle Szenarien im Diagramm sehr vergleichbar, man sieht keine großen Ausreißer! Das liegt daran, dass die Mehrheit der Todesfälle auf die statistisch zu erwartenden Todeszahlen zurückgeht (Menschen sterben eben, leider).
  • Wenn man Schweden 2020 ein Horrorjahr nennt, dann folgen 2015 und 2018 in Deutschland mit Platz 2 und 3 dicht dahinter auf der Horrorliste.
  • Deutschland 2020 mit rein weichen (!) Maßnahmen hätte zu ca. 5.000-10.000 mehr Toten als im Jahr 2015 (skaliert auf 2020) geführt. Zum Vergleich: 2015 hatte 21.000 Tote mehr als ein typisches Jahr mit Grippewelle. Eine Grippewelle bringt etwa 15.000 Tote mit sich.

Ergebnis also: Das Jahr 2020 mit weichen Maßnahmen hätte in etwa Jahr 2015 entsprochen.

  • Last but not least: Die harten Corona-Maßnahmen haben die Todeszahlen um ca. 30.000 bis 35.000 Tote reduziert. Sie haben quasi ein „mildes“ Jahr ermöglicht – in der Statistik zeigt sich jedoch, dass milden Jahren generell harte folgen. Da 2019 schon mild war, haben wir jetzt zwei milde Jahre in Folge, weswegen die jetzt „Geretteten“ rein statistisch nachsterben werden und von der nächsten leichten Grippewelle oder Coronawelle erfasst werden.

Eine sehr detaillierte Ausführung zu den Berechnungen findet der mathematisch versierte Leser weiter unten. Weil aber sicher nicht alle Leserinnen und Leser in die Details gehen wollen, ziehen wir hier schon einmal das Fazit vor. Die sehr anschaulichen Graphiken im detaillierten Teil seien aber auch dem eiligen Leser sehr empfohlen.

Fazit

Wir haben verschiedene Szenarien durchgerechnet und natürlich ist es klar, dass wir das Ergebnis nicht auf die Kommastelle genau präsentieren können. Insgesamt kommen wir in Deutschland auf ca. 26.500 Tote mehr im Vergleich zu einem normalen Jahr. Diese setzten sich aus 16.500 „Zusätzlichen“ (Lebenserwartung über ein Jahr) und aus 10.000 „Schwachen“, die in 2019 von der schwachen Grippewelle verschont wurden. (Natürlich gibt es in dieser Rechnung Spielraum nach oben und unten. Es kann sein, dass unsere Schätzung etwas zu klein ist. Es kann auch sein, dass sie etwas zu groß ist, weil Schweden Fehler im Umgang mit der Risikogruppe gemacht hat). Aber darauf kommt es nicht an. Die qualitative Aussage bleibt erhalten. Was ist nun diese qualitative Aussage?

Die Situation in Schweden, übertragen auf Deutschland, (also eine Simulation, was in Deutschland 2020 ohne harte Maßnahmen geschehen wäre) wäre kein (!) schlimmer Ausreißer geworden. Mit Schweden 2020 vergleichbare Sterbezahlen hatten wir 2015, 2018 und 1968 (Hongkong-Grippe). Die Horror-Prognosen von mehreren 100.000 Corona-Toten (wenn man sie als Zusatztote interpretiert) sind deutlich übertrieben.

Wir haben gesehen, dass in Schweden der überwiegende Teil der Sterbenden durch die von 2019 „Nachsterbenden“ erklärt werden kann. Das heißt: bei dieser Gruppe ist es nicht klar, ob sie 2020 nur wegen Corona gestorben sind oder nicht ohnehin – schon rein statistisch – gestorben wären. Diese Interpretation wird durch viele Berichte, dass überwiegend Hochbetagte gestorben sind, bekräftigt.

Corona ist schlimm. Im Gegensatz dazu war 1968 (trugen die 68er Masken?) und 2018 aber insofern „schlimmer“, als dort fast keine Nachsterbenden zu erwarten gewesen wären und daher Zusätzliche verstarben (das Jahr davor war nicht mild). Nur ist es damals keinem aufgefallen.


Nach dieser Zusammenfassung folgt nun der zweite Teil meiner Analyse in detaillierterer Form (den kürzlich auf dieser Seite veröffentlichten ersten Teil finden Sie hier). 

Was bringen die CORONA-Maßnahmen?

Im ersten Teil hatten wir vorsichtig errechnet, dass es 2020 rein statistisch OHNE Corona (also in einem der üblichen Grippejahre) ca. 964.000 Tote in Deutschland zu erwarten gegeben hätte.

2019 hatte statistisch gesehen ungefähr 10.000 Tote zu wenig als man im langjährigen Trend erwartet hätte. Je nach Stärke einer potentiellen Grippewelle hätte diese noch leicht 10.000 zusätzliche Tote zu den optimistisch erwarteten 964.000 hinzufügen können.

Sind die Maßnahmen dafür verantwortlich, dass wir im „echten 2020“ keine Übersterblichkeit zu den errechneten 964.000 sehen? Stand Kalenderwoche 48 wird das Jahr 2020 voraussichtlich ca. 960.000 Tote aufweisen. Was wäre ohne Maßnahmen los gewesen?

Daher ist nun interessant zu fragen: Wie viele Tote wären es gewesen, wenn wir in einem Jahr ohne CORONA die CORONA- Maßnahmen angewendet hätten? Daraus schließen wir dann, was Maßnahmen bei Corona bewirken.

Schauen wir uns die Statistik für 2019, was ein relativ mildes Jahr war, für häufigste Todesursachen an.

Welche Zahlen werden durch die Corona-Maßnahmen runtergehen und welche hoch?


Grün markiert sind die Todesursachen, die durch CORONA-Maßnahmen eher heruntergehen sollten (Sie sehen oben typische Krankheiten, die durch Schmier- oder Tröpfcheninfektionen weitergegeben werden und durch die Maßnahmen schon beeinflusst werden sollten; darunter z. B. die Grippe). Orange sind dagegen die Krankheiten markiert, die durch CORONA-Maßnahmen eher ansteigen. Bei den anderen ist es unklar/egal.

Krankheiten des Kreislaufsystems und Neubildungen (Krebs) haben wir als steigend betrachtet, weil Menschen bei Schlaganfall oder Herzinfarkt-Symptomen tendenziell eher (verängstigt) zu Hause bleiben, statt zum Arzt zu gehen (wie es Ärzte berichten), und auch weniger zur Krebsvorsorge. Auch ist allgemein bekannt, dass Stress Krankheiten des Kreislaufsystems oder Tumorbildungen negativ beeinflusst.

Unterm Strich lässt sich also annehmen, dass durch die Maßnahmen bestenfalls ein Grippejahr in ein mildes Jahr verwandelt wird. Maßnahmen hätten also, summa summarum, dazu geführt, dass es keine ausgeprägte Grippewelle 2020 gegeben hätte.

Hätte es in 2020 also KEIN Corona gegeben, wir hätten aber MAßNAHMEN angewendet, so wäre also 2020 zu einem „milden“ Jahr geworden, wie auch manche Jahre zuvor „mild“ waren. Dann hätte man in Deutschland etwa 950.000 Tote im Jahr erwarten müssen. Diese Zahl erhält man, wenn man 2016 und 2019 auf 2020 hochskaliert, also der Altersstruktur in der Bevölkerung anpasst und die Grippewellen rausrechnet.

Tatsächlich erwarten wir nun 2020 960.000, zum Vergleich. OHNE Corona, rein statistisch, mit normaler Grippewelle, hätten wir ca. 964.000 zu erwarten!! MIT Corona aber OHNE harte Maßnahmen, hätten wir 990.000 Tote zu erwarten gehabt. Diese Zahlen nochmal zur Übersicht im reingezoomten Diagramm von oben (y-Achse startet bei 900.000).

Schweden 2020 vergleichbar zu Deutschland 2018 (!!)

Hier vergleichen wir den Verlauf von 2018 in Deutschland mit Schweden 2020. Leider steht uns der Verlauf des schlimmeren Jahres 2015 nicht zur Verfügung. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht nur die Verläufe für die Jahre 2016-2020. Sonst hätten wir 2015 zum Vergleich genommen.

Das vielfach vorgebrachte Gegenargument, Schweden sei nicht mit Deutschland vergleichbar, weil es eine geringere Bevölkerungsdichte hat, gilt nicht: denn auch in Schweden wohnen die Menschen meist in dicht besiedelten Gebieten zusammen und sind eng vernetzt, und nicht gleichverteilt über das gesamte Land. Natürlich gibt es weitere Unterschiede, wie ein anderes Gesundheitssystem etc., die aber unseres Erachtens nicht qualitativ ins Gewicht fallen. Uns geht es hier nur um rein qualitative Aussagen, also um eine Abschätzung.

Hier nun der Vergleich:

In Blau sind Sterbezahlen je Kalenderwoche für Deutschland 2018 dargestellt, skaliert auf 2020. In Orange ist Schweden dargestellt, skaliert auf Deutschland. In Grau sieht man ein typisches mildes Jahr ohne große Infektionswellen für Deutschland, skaliert auf 2020.

Was sehen wir? Der Schwedenberg ist etwas breiter und passiert später im Jahr.

Für Deutschland sieht man die Grippewelle, die deutlich über der grauen Linie liegt. Dafür liegt der blaue Verlauf später im Jahr unter der grauen Linie, d.h. die Grippe hatte viele Schwache erwischt, die sonst ein paar Kalenderwochen später gestorben wären.

Auch sieht man, dass aktuell im Herbst/Winter in Schweden die Zahlen wieder ansteigen. Es kommt wohl zu einer weiteren Welle.

Das Wichtigste aber aus dem Diagramm: Die graue Kurve (Deutschland 2018) und die orangene (Schweden 2020) haben einen ähnlich großen Wellenberg im Frühjahr (Deutschland nur etwas kleiner). Die Jahre sind insgesamt vergleichbar.

Soll heißen und das ist entscheidend: Den als besonders schrecklich dargestellten Sterbezahlenverlauf in Schweden 2020 gab es leicht abgemildert aber im Grunde schon einmal: nämlich 2018 in Deutschland.

Zusatzinfo: In Schweden sind ein Jahr zuvor, 2019, deutlich weniger Menschen als üblich gestorben. Das bedeutet, dass schon rein statistisch 2020 viele Menschen „nachgestorben“ sind. Schauen wir nun deswegen auf die vergangenen Jahre in Schweden (wieder auf die Sterbezahlen von Deutschland hochgehoben, zur Vergleichbarkeit):

Sterbefälle Schweden 2015-2020

Was sehen wir in dem Diagramm? Wir sehen die Sterbezahlen von Schweden im Zeitraum 2015-2020 mit der Prognose für gesamt 2020. Das Ganze wurde skaliert auf Deutschland (s. weiter unten, wie das genau gemacht wurde).

Hochgerechnet auf Deutschland gab es in Schweden also 2015, 2016, 2017 und 2018 eine eher stagnierende bis leicht steigende Sterbezahl bei ca. 946.000 Toten / Jahr (siehe blaue Balken und dann grauer Balken, Mittelwert). 2019 sind dann deutlich weniger Menschen gestorben (35.000 zu wenig) (grün). Es sind also schon allein statistisch im Jahr 2020 mehr Tote zu erwarten, um wieder mindestens auf den Mittelwert zu kommen.

Schauen wir uns nun den roten 2020er Balken an.

Der Sprung sieht auf den ersten Blick schlimm aus: ca. 85.000 Tote mehr als im Vorjahr!! Doch es ist bei genauerem Hinsehen „nur“ ein Sprung von ca. 50.000 zum allgemeinen Trend aus 2015-2018. Und darüber hinaus sind 2019 auch noch ca. 35.000 Menschen zu wenig gestorben. Berücksichtigt man, dass diese 2019 Überlebenden 35.000 Menschen noch statistisch „nachsterben“ müssen, so erhalten wir einmal 50.000 gegenüber dem Mittelwert zu viel Gestorbene „minus“ 35.000 aus dem Vorjahr noch Nachzusterbende = 15.000 (16.500 wenn man nicht grob rundet).

Momentan sind in Schweden 2020 also „nur“ 16.500 Menschen mehr als erwartet gestorben. Das ist eine andere Zahl als 85.000!

Das Ganze sieht so aus:

In Grau wieder die Zahlen aus Mittelwert 2015-2018. In Grün die Zahlen für 2019. In Dunkelrot die aktuelle Prognose. Mit Hellgrün der „Trend 2010-2018“  hätten wir eine Prognose, falls 2020 wie der allgemeine Trend aus der Regression (Jahre 2010 – 2018)  ausgefallen wäre (sehr unwahrscheinlich, da viele „Schwache“ 2019 überlebt haben, die statistisch in 2020 sterben müssten). Eine optimistische Prognose in Beige ist, dass zum allgemeinen Trend die Hälfte der Überlebenden noch nachstirbt. Und die realistische Prognose, dass zum allgemeinen Trend zusätzlich das ersparte Delta vollständig sterben wird.

(Für Experten:

Für Deutschland haben wir die von uns errechnete Zahl von 964.000, die wir in Deutschland 2020 unter Normalbedingungen zu erwarten gehabt hätten, gewählt.

Für Schweden halten wir den „optimistischen“ Balken aus dem Diagramm oben für eine gute Prognose unter Normalbedingungen. Somit kommt ein Skalierungsfaktor von 10.25 heraus.)

Schweden im Vergleich zum „Horrorjahr 2015“ in Deutschland

Wir hatten 2014-2015 eine vergleichbare Situation in Deutschland wie jetzt in Schweden 2020. Aber kann sich jemand an das „Horrorjahr 2015“ erinnern? Wohl kaum. Passen wir die Daten von damals dem Jahrestrend entsprechend an, so erhalten wir:

Nochmal kurz in Worten: Analog zum vorherigen Abschnitt vergleichen wir 2014 mit dem Durchschnitt der letzten 3 Jahre und dem Sprung ins nächste Jahr 2015.

Der Sprung vom Mittelwert 2010-2013 zum Jahr 2015 ist sogar noch größer als der, den wir oben bei Schweden gesehen hatten.

Übersterblichkeit Schweden 2020 im Vergleich zu Schweden 2019

Insgesamt können wir die Zusammensetzung der Sterbezahlen (für Schweden 2019/2020 und Deutschland 2019/2020) so darstellen.

In diesem Diagramm entspricht der volle Kreis der voraussichtlichen Gesamttotenzahl 2020 in Schweden mit Corona. Wie setzt der sich zusammen?

In blau der Anteil, der der Anzahl Verstorbener in 2019 entspricht, das ist der überwiegende Anteil. Die restliche Übersterblichkeit gegenüber 2019 kann man so interpretieren: 20% sind 2020 zu früh gestorben, 80% können als Nachgestorbene aus Untersterblichkeit in 2019 (40%) und regulär im Durchschnitt Verstorbene (40%) interpretiert werden.

Hier das Diagramm für Deutschlands „Horrorjahr 2015“: in blau der Anteil, der der Anzahl Verstorbener in 2014 entspricht. Orange und Grau der Ausgleich zum erwarteter Sterbezahl und die Nachsterbenden aus 2014. Der zusätzlich verstorbene Anteil (gelb) entspricht ca. 30% der Übersterblichkeit:

Die Toten im gelben Bereich waren eher Fittere – also starben in Deutschland anteilsmäßig insgesamt mehr Fittere.

Deutschland hat es also 2014/2015 vergleichbar, wenn nicht schlimmer erwischt als Schweden 2020!!

Man sieht aber in beiden Fällen, dass die Übersterblichkeit jeweils zum größten Teil als statistischer Ausgleich (Lebenserwartung < 1 Jahr bei Grippewelle) erklärt werden kann (ca. 2 Mal zu wenig im Vorjahr Gestorbene), und sich etwa zu 20% (Schweden) bzw. 30% (Deutschland) aus den „zu früh“ (Lebenserwartung bei Grippewelle > 1 Jahr) Verstorbenen zusammensetzt.

Welche Sterbezahlen hätten wir also in Deutschland 2020 ohne Schutzmaßnahmen erwartet?

Insgesamt kann man errechnen, dass in Schweden, hochgerechnet auf Deutschland statistisch ca. 16.500 zu früh (hätten sonst mindestens 1 J weitergelebt) gestorben sind.

Übertragen wir dies auf Deutschland, so hätten wir im Vergleich zum normalen 2020 mit 964.000 Toten, ca. 16.500 Tote mehr, die zu früh sterben und ca. 10.000 aus der Untersterblichkeit aus 2019, weil wir im Teil 1, um auf die Zahl 964.000 zu kommen, optimistisch gerechnet haben (den Effekt der Nachsterbenden haben wir nur mit 1/3 berücksichtigt) um die Untersterblichkeit in 2020 nicht zu übertreiben.

So kommen wir auf ungefähr (964.000+10.000+13.500)T = 988.000 Tote.

Ist Schweden 2020 also statistisch auffällig?

Nun können wir den fiktiven Sprung (den Schweden jetzt tatsächlich gemacht hat) auf Deutschland übertragen und anhand vergangener Daten ermitteln, ob der Sprung signifikant groß ist oder nicht.

Einen signifikanten hohen bzw. niedrigen Sprung erwartet man ungefähr einmal pro 20 Jahren oder 3 Mal in 60 Jahren. Nun haben wir schon gesehen, dass wir in den vergangenen 6 Jahren bereits 2 (2015 und 2018, dabei folgte 2018 auf ein schlimmes 2017) zu Schweden 2019/2020 vergleichbare Sprünge gehabt haben.

Wir können es graphisch als prozentuale Änderung von Jahr zu Jahr so darstellen:

Man sieht, dass es so gesehen 2015 in Deutschland schlimmer war als das 2020 Szenario Schweden auf Deutschland übertragen (also Deutschland ohne harte Maßnahmen) (der Punkt von 2015 ist höher als der errechnete von 2020). Und mehr noch, 1968 (Hongkong Grippe) war es nochmal deutlich schlimmer.

Allgemein kann man sehen, dass die Volatilität der Sterblichkeit in 1950 – 1980 höher war, als zwischen 1980 und 2000. Ab 2000 hat die Volatilität deutlich zugenommen, was wohl auf den immer größeren Anteil der Alten in der Gesellschaft zurückgeht, die anfälliger für verschiedene Infektionskrankheiten sind. Signifikant wäre ein Sprung vor 1972 oder ab 2000, wenn er mehr als 5.7 % nach oben und 3.3% nach unten ist. Das sind die Jahre 2015 (real, 6.6%) und 1968 (real, 6.8%).

Ein fiktives Jahr 2020 wäre mit 5.43% knapp nicht signifikant. (Für Techs: Allerdings hängt diese Zahl von unserer Annahme für Schweden unter „Normalbedingungen“ ab, siehe oben, und so kann der prozentuale Sprung, wenn man etwas andere Annahmen nimmt, größer werden.)

Nun wissen wir, dass sich die Sterblichkeit meist im nächsten Jahr ausgleicht, betrachten wir das Ganze also im Mittel, indem wir 2 benachbarte Jahre miteinander mitteln:

Jetzt bleibt nur 1960 und 1968 auffällig, und 2015, 2018 und 2020 sind ganz vergleichbar geworden.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Dr. A. Weber ist promovierter Physiker und arbeitet seit vielen Jahren als Data Scientist mit Schwerpunkt Zeitreihenanalyse und Forecasting in der Industrie.

Bild: MyNewImages/Shutterstock
Text: Gast
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