EU: Warum müssen die Deutschen für viel reichere Länder Milliarden spenden?

Auf eines scheint in der EU Verlass: Wenn es hart auf hart geht, dann sind die Deutschen die Zahlmeister. Auch in der Corona-Krise deutet sich wieder dieses alte Muster an. Und hat einen besonders pikanten Beigeschmack, der aber in unseren Medien kaum zur Sprache kommt.

Schon im Mai knickte Bundeskanzlerin Angela Merkel gegenüber Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein. Entgegen allen bisherigen Versicherungen öffnete die Christdemokratin den Weg in die Schulden- und Transferunion. Sie stimmte zu, dass ein Wiederaufbaufonds mit zunächst 500 Milliarden Euro kommen soll. Mehr als ein Viertel davon, nämlich 135 Milliarden Euro, würde die Bundesrepublik aufbringen – also der deutsche Steuerzahler. So die damalige Planung. Da eine Rückzahlung des Geldes gar nicht erst geplant ist, handelt es sich um nichts anderes als um ein Geschenk.

Wäre es nach Merkel gegangen, würden die 500 Milliarden nun wohl schon bald in voller Höhe fließen. Es ist anderen EU-Staaten mit weniger spendierfreudigen Regierungschefs wie Österreichs konservativem Kanzler Sebastian Kurz zu verdanken, dass das Hilfspaket nun offenbar wenigstens unter 400 Milliarden gedrückt wird. So zumindest die aktuellen Nachrichten vom EU-Gipfel. Dass Merkel die Last für den deutschen Steuerzahler drücken wollte, ist zumindest nicht bekannt. Die Bundesbürger können sich freuen, dass zumindest Kurz und andere Regierungschefs ihre Interessen wahrnehmen. Verrückte Zeiten! Doch auch mit der Kompromiss-Formel läge der deutsche Anteil immer noch bei über 100 Milliarden Euro.

Bezahlen müssen die in erster Linie die rund 25 Millionen Nettosteuerzahler in der Bundesrepublik. Von denen arbeiten wiederum 10 Millionen im Staatsdienst bzw. werden direkt oder indirekt vom Staat finanziert. Wirklich blechen muss somit faktisch der klägliche Rest von 15 Millionen Nettosteuerzahlern.

Wichtigste Empfängerländer des EU-Wiederaufbaufonds sind Italien, Spanien und Frankreich. Das ist vor allem deswegen heikel, weil diese Länder allesamt ein deutlich höheres Vermögen pro Einwohner haben als der durchschnittliche Deutsche, der ihnen nun mit Milliarden Euro helfen soll.

„Vermögensschock: Die Deutschen sind die armen Würstchen der EU“, titelte 2018 der „Stern“: „Der Welt-Reichtums-Report zeigt, wie arm die meisten Deutschen wirklich sind. Von den Ländern der alten EU liegt nur Portugal hinter Deutschland. In den meisten Ländern besitzen die Bürger mehr als doppelt so viel Vermögen wie hierzulande.“

Der Medianwert des geldwerten Vermögens pro Erwachsenem liegt in Deutschland demnach bei 47.000 Dollar. Franzosen (120.000 Dollar) und Italiener (125.000 Dollar) sind damit um eine ganze Größenordnung reicher als die Deutschen. Wichtiger Faktor ist dabei Immobilienbesitz.

Hier drängt sich eine Frage geradezu auf: Warum sollen die deutschen Steuerzahler Staaten retten, deren Bürger ein Pro-Kopf-Vermögen haben, das mehr als doppelt so hoch ist wie das der Bundesbürger. Und es kommen einem noch weitere Fragen in den Sinn: Etwa, warum genau dieser Aspekt in den meisten Medien hierzulande kaum oder allenfalls beiläufig erwähnt wird. Es wäre doch die Aufgabe der Medien, die Regierung zu kontrollieren und auf solche Ungereimtheiten aufmerksam zu machen. Stattdessen drängt sich der Eindruck auf, dass die wahren Vermögensverhältnisse eher verschwiegen werden. Und kaum jemand thematisiert die Problematik. Würden die Armen den Reichen mit Krediten helfen, die auch wirklich zurückbezahlt werden müssten, und nicht nur auf dem Papier, könnte man das ja durchaus nachvollziehen. Aber eine faktische Schenkung?

Warum also müssen wir zahlen? Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Ideologie der Bundeskanzlerin und ihrer Regierung einen wichtigeren Stellenwert haben als die handfesten Interessen der deutschen Steuerzahler. Die Kanzlerin will die Union noch enger zusammenschweißen – um buchstäblich jeden Preis. Mittelfristig zerstört sie sie damit jedoch. Nicht nur, weil die Empfängerstaaten aus der Eigenverantwortung entlassen werden und somit geradezu angestiftet zum schlechten Wirtschaften. Auch, weil in den Geberländern die Akzeptanz für ein derartiges Europa der Umverteilung sinken wird. Merkel rettet Europa nicht vor dem Abgrund, sie treibt es noch weiter auf diesen zu!

PS: Ein Leser schickte mir gerade den Hinweis, dass ein Teil der Gelder, die aus dem Geldbeutel des deutschen Steuerzahlers in andere Staaten fließen, von dort aus etwa wieder als Investitionen in den deutschen Wohnungsmarkt fließen, was dort die Preise und damit auch die Mieten treibt. Damit, so der Leser, zahle der deutsche Steuerzahler im schlimmsten Fall gleich doppelt. Als Beleg schickte mit der Leser folgenden Screenshot (Griechenland gehört ebenso wie Spanien und Italien zu den Empfängerländern aus dem hier beschriebenen Wiederaufbaufonds):

Ein weiterer Leser machte mich darauf aufmerksam, dass Focus Online das Thema heute aufgreift. Das Medium erklärt die Hilfen für faktisch alternativlos. Zitat: „Doch Italiener besitzen das höhere Nettovermögen nicht zum Spaß. Es ergibt sich erstens aus dem höheren Grad an Immobilienbesitz.“ Das verstehe ich offen gestanden nicht. Was haben Vermögen und Spaß miteinander zu tun? Oder meint der Autor, dass die Deutschen weniger Spaß haben, weil sie weniger Vermögen besitzen? So könnte es stimmen. Weiter heißt es in dem Beitrag, der höhere Anteil an Eigentum hänge mit den höheren Mieten zusammen: „Das EU-Statistikamt Eurostat meldet etwa, dass 42 Prozent der Spanier, die zur Miete wohnen, mehr als 40 Prozent ihres Einkommens dafür ausgeben müssen. In Italien sind es 28, in Deutschland nur 20 Prozent.“ Merkwürdig. Die offizielle Zahl vom Statistischen Bundesamt liegt für 2018 bei 27,2 Prozent – also fast gleichauf mit Italien (siehe hier). Das ist die aktuellste auffindbare Zahl. Gesunken dürfte sie danach wohl kaum sein. Verwendet der Focus da irreführende bzw. alte Statistiken, um seine Argumentation zu belegen?

Weiter heißt es in dem Beitrag, die Durchschnittseinkommen pro Haushalt in Deutschland seien höher als in Italien und Spanien, und die Bundesbürger könnten deshalb die Belastung leichter schultern. Dabei führt der Focus aber die Bruttoeinkommen an. Das ist verzerrend – denn in Spanien sind die Abgaben um fast zehn Prozentpunkte niedriger. Das wird zwar erwähnt im Beitrag, aber eben nicht, dass es sich bei den aufgeführten Einkommensziffern um Bruttobeträge handelt. Ebenso ausgeblendet wird, dass etwa in Italien die Schattenwirtschaft fast doppelt so groß ist wie in Deutschland und in Spanien immer noch fünfzig Prozent größer.

Die entscheidende Frage blendet der Focus völlig aus: Warum nicht leihen, sondern schenken? Erstaunlich, wie das Medium unsere Regierung verteidigt und ihrem Kurs „Alternativlosigkeit“ bescheinigt, statt sie zu kontrollieren und kritisieren.


Bild: http://archive.kremlin.ru/events/photos/2006/04/104937.shtml / Pixabay / Reitschuster

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