Bundespressekonferenz beseitigt Gefahr für ihre gute Beziehung zur Regierung Nicht deutsch genug zum Fragen stellen?

„Wer das Licht der Information aussperren muss, der braucht offenbar Finsternis für das, was er tut.“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Verabschiedung von ZDF-Intendant Thomas Bellut heute. Er meinte damit den Kreml.

„Seien Sie stolz darauf. Heute ist das ehrenvoller als das Großkreuz des Verdienstkreuzes mit Stern und Schulterband.“
Reaktion eines prominenten Bekannten.

Fast anderthalb Jahre lang habe ich für meine Leser kritische Fragen in der Bundespressekonferenz gestellt. Ein ums andere Mal der Regierung auf den Zahn gefühlt. Das gefiel vielen nicht. Schon ganz zu Beginn wurde mir mehr oder weniger diskret bedeutet, die gute Beziehung zur Regierung sei für die Bundespressekonferenz wichtig – und ich würde die stören. Ich sollte mein Verhalten ändern. Für mich war klar: Auf keinen Fall. Wenn Journalisten eine gute Beziehung zur Regierung haben, ist in meinen Augen etwas faul. So wurde ich zum Störfaktor. Gegen den mit den unterschiedlichsten Methoden gehetzt wurde. Mit Diffamierungen und einer Schmutzkampagne. Etwa einem Hetzartikel in der Süddeutschen, den mein Kollege Alexander Fritsch als „Rufmordversuch auf Süddeutsche Art“ bezeichnete. Die Stoßrichtung war immer klar: Man wollte den bösen Störenfried wieder loswerden. Unter sich bleiben. Die gute Beziehung zur Regierung nicht gefährden. Regierungskritik? Gerne, ein bisschen, aber offenbar nur, wenn sie von ganz links außen kommt. Der Tenor: Einer, der so böse (also kritisch) fragt wie Reitschuster, ist kein Journalist mehr.

Im Dezember kam dann der erste Ausschluss (laut Sprachregelung der Bundespressekonferenz ist es gar kein Ausschluss, sondern eine „Beendigung der Mitgliedschaft“ – Orwell lässt grüßen). Die Begründung war absurd – eine Firmenadresse im Impressum meiner Seite in Montenegro. Dass es sich um eine c/o-Adresse handelte, und ich meine Seite als freier Journalist betreibe und keine Firma sie betreibt  – das ignorierte die Bundespressekonferenz einfach, ebenso wie die meisten Medien, die über meinen Ausschluss berichteten. Dabei war der Wahrheitsgehalt der Unterstellungen so, wie wenn man behauptet hätte, der Briefkasten, in dem Briefe an mich landen, sei Betreiber meiner Seite.

Ich legte Widerspruch ein: Weil der aufschiebende Wirkung hatte, blieb ich bis heute Mitglied. Und konnte weiter Fragen stellen. Die Entscheidung zog sich hin. Ich ging davon aus, dass der Bundespressekonferenz die Farce selbst peinlich ist und sie einen gesichtswahrenden Ausweg sucht. Denn für ihre Begründung für den Ausschluss liefert die Satzung keinerlei Grundlage (was die großen Medien ebenfalls fast durch die Bank ignorierten).

Heute kam das Schreiben, dass der Vorstand meinen Widerspruch zurückweist. Begründet wird dies damit, dass ich meinen Wohnsitz im Ausland habe, und damit „die Erfordernisse eines deutschen Parlamentskorrespondenten“ nicht erfülle. So als ob ich jetzt ein Außerirdischer wäre. Aber selbst wenn? Wie deutsch muss man sein für die Bundespressekonferenz? Weiter heißt es dann, ich sei im Ausland ansässig, und nicht mehr in Berlin.

Sodann wird es richtig interessant. Der Kollege Burkhard Müller-Ullrich hat anhand des aktuellen Mitgliederverzeichnisses der Bundespressekonferenz nachgewiesen, dass zahlreiche Mitglieder den Maßstäben, die an mich angelegt werden, nicht entsprechen (nachzulesen hier). Ich selbst kenne Mitglieder, die nicht ihren Wohnsitz in Berlin haben, und/oder auch gar nicht oder kaum berichten. Manche pendeln. Nach der Position des Vorstandes wäre allerdings ja auch schon eine Wohnung in Potsdam ein Ausschlussgrund. Wenn die Satzung irgendetwas zum Wohnsitz besagen würde, wie der Vorstand unterstellt. Tut die Satzung aber nicht. Nicht einmal ansatzweise. Und das, obwohl sie zu einer Zeit erstellt wurde, als es noch kein Home-Office und keinen Ausschluss von Ungeimpften gab.

Warum wird immer wieder betont, dass mein Wohnsitz im Ausland sei? Was tut das zur Sache? Ginge Süddeutschland noch (auch da gibt es nämlich Fälle) – das viel näher an Berlin liegende Polen aber nicht? Wäre Freiburg okay, aber Straßburg nicht? Nicht mehr deutsch genug? Weiß man in der Bundespressekonferenz nicht, was für ein heikles, vermintes Terrain man da betritt? Der Schriftsteller Edzard Schaper wurde unter den Nazis aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, weil er seinen Wohnsitz im Ausland hatte. Andererseits gibt es aber offenbar auch andere Kriterien als den Wohnort: Selbst Henryk M. Broder, einem der bekanntesten deutschen Journalisten, der ohne Zweifel in Berlin lebt, wurde die Aufnahme verweigert. Ausgerechnet ihm, der er so scharf und klug wie kaum ein anderer die Regierung kritisiert.

Die einzige konkrete Verknüpfung an einen Ort, die sich in der Satzung finden lässt, besagt: Man muss „aus Berlin und/oder Bonn ständig und weit überwiegend über die Bundespolitik berichten“ (nachzulesen hier). Das tue ich häufiger und intensiver als die meisten anderen Mitglieder. Direkt aus dem Saal konnte ich es lange nicht wegen der 2G-Regelung. Kaum war ich nun vergangene Woche mit einem Genesenenausweis zurück, schon kommt hastig der endgültige Ausschluss.

Der Vorstand, der die Satzung erst kürzlich so ändern ließ, dass man kritische Medien durch das Profil fallen lassen kann und weiterhin unter sich bleibt, schrieb mir: „Aufgrund des Einspruchs des Herrn Reitschuster wurde bis ins Jahr 2014 zurück geprüft, ob in vergleichbaren Fällen, in denen Mitglieder, die nicht mehr in Berlin ansässig sind und aus Berlin heraus tätig werden, anders behandelt wurden als Herr Reitschuster. Die Recherche hat ergeben, dass in neun Fällen Personen aus Berlin verzogen waren, zum großen Teil blieben diese im Inland an einem anderen
Ort. In allen Fällen wurde die Beendigung der Mitgliedschaft gemäß § 12 Abs. 3 der Satzung festgestellt. Herr Reitschuster wird also nicht anders behandelt, als alle anderen Mitglieder. Die anderslautende Behauptung von Herrn Reitschuster konnte nicht verifiziert werden.“ Für diese Verifizierung hätte ein Blick ins Mitgliederverzeichnis gereicht. Auch auf diverse Karteileichen dort, die eben nicht aus Berlin berichten, wie es die Satzung fordert. Oder wie sie Burkhard Müller-Ullrich in dem bereits erwähnten Bericht aufzählt.

Was der Vorstand da nicht verifizieren konnte, wird sein Geheimnis bleiben.

Interessant ist, dass in der jetzigen Begründung des Vorstandes auf das bis dahin maßgebende Argument – meine Seite würde von einer Firma betrieben – gar nicht mehr eingegangen wird. Offenbar hat man eingesehen, wie absurd das war. Jetzt stützt man sich auf eine angebliche Pflicht, an dem Ort, an dem man tätig ist, auch zu wohnen. Eine Pflicht, die es nicht einmal beim Militär gibt.

Ebenso pikant: Im Januar hat mir die „Nowaja Gaseta“ in Moskau journalistisches Asyl gewährt. Eine der letzten kritischen Zeitungen in Moskau, die jetzt massiv unter Druck ist und um ihre Existenz kämpft. Sie hat mich zu ihrem freiberuflichen Korrespondenten gemacht. Während Mitarbeiter russischer Staatsmedien weiter Zugang zur Bundespressekonferenz haben, bin ich nun ausgeschlossen. Das ist an Absurdität kaum zu überbieten.

Auch der Zeitpunkt des Ausschlusses ist merkwürdig. Auf das letzte Schreiben meines Anwalts von Anfang November bekam ich Mitte des gleichen Monats die Antwort, die Bundespressekonferenz nehme die Ausführungen zur Kenntnis. Mein Anwalt und ich gingen deshalb davon aus, dass die Sache vom Tisch ist. Umso überraschender dann kurz nach Antritt der neuen Regierung die Nachricht über den Ausschluss – nachdem ich mit dem neuen Regierungssprecher Steffen Hebestreit mehrfach aneinandergerauscht bin. Der saß früher selbst in der Bundespressekonferenz und ist per Du mit derem Vorsitzenden, Mathis Feldhoff vom ZDF. Dem ich vergangene Woche in Berlin auf der Straße begegnete. Meine freundliche Begrüßung erwiderte er ebenso wenig wie Tilo Jung im Saal der Bundespressekonferenz.

Große Medien wie die Süddeutsche, die von Anfang an an der Spitze der Diffamierungs-Kampagne gegen mich waren, berichten nun über den Ausschluss, ohne mich auch nur nach meiner Sichtweise zu befragen oder zumindest diese auf meiner Seite nachzulesen und zu erwähnen – was eine der Grundregeln für anständigen Journalismus wäre.

Mein Anwalt hält den Ausschluss ebenso wie ich für widerrechtlich. Ich werde nun umfassend gegen den Ausschluss vor Gericht gehen. Ich habe mich in der Bundespressekonferenz immer als Stimme meiner vielen, vielen Leser gesehen (allein im Januar  hatte meine Seite 52 Millionen Aufrufe; mehr als 150.000 Menschen unterzeichneten eine Petition für meine Wiederzulassung). Der Ausschluss soll nicht nur mich mundtot machen, sondern auch meine Leser. Ich werde mich wehren!

Ich freue mich sehr, wenn Sie mir helfen, mich gegen den Ausschluss zu wehren und vor Gericht zu gehen. Sie können mich unterstützten via Paypal oder  Überweisung. 1000 Dank! Alle, die selbst wenig haben, bitte ich, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von denen, die dafür nicht auf etwas verzichten müssen.

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Auszug aus dem Schreiben meines Anwalts an die Bundespressekonferenz vom 10.11.2021

„(Es trifft nicht zu), dass unser Mandant seinen „Firmensitz“ verlegt habe. Unser Mandant ist als freiberuflicher Journalist tätig. Dass das Impressum der Internetseite www.reitschuster.de (die Endung de belegt schon die Nationalität der Seite) eine Anschrift in Montenegro ausweist, hat mit dem Betätigungsgebiet unseres Mandanten nichts zu tun.

Es wird nicht bestritten werden können, dass unser Mandant insbesondere auf der Seite www.reitschuster.de ständig und weit überwiegend über Bundespolitik berichtet. 

Soweit Sie monieren, ein Bericht müsse „aus“ Berlin und/oder Bonn erfolgen, so ist auch dies der Fall. Unser Mandant war in den letzten Tagen mehrfach auch persönlich in der Bundespressekonferenz anwesend. Im Übrigen vermögen wir der Satzung eine „physische Nähe zum Parlament“ nicht ansatzweise zu entnehmen…“

 


Bild: Boris Reitschuster/Ekaterina Quehl
Text: br

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