Die Bundesregierung hat bei ihrer bisherigen Auskunft zur Werbefinanzierung von privaten Medien falsche Angaben gemacht, und wird in diesem Jahr die entsprechenden Ausgaben massiv erhöhen. Gleichzeitig finanziert die Regierung so genannte „Influencer“, das sind YouTube mit großer Reichweite, im Rahmen ihrer Reklame-Kampagnen. All das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Renner (AfD) hervor, die reitschuster.de vorliegt.
Insgesamt haben sich die jährlichen Ausgaben für die umstrittene Reklame der Bundesregierung, darunter auch in privaten Medien, hinter der Kritiker eine verdeckte Finanzierung sehen, im Jahr der so genannten „Flüchtlingskrise“ 2015 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdreifacht und sind seither durchgängig auf einem weitaus höheren Niveau verblieben:
Besonders auffallend ist, dass allein im ersten Halbjahr 2020 schon fast genauso viel ausgegeben wurde wie im gesamten Vorjahr.
Die Angaben weichen deutlich von den ab, die die Bundesregierung vor gut zwei Monaten dem parteilosen Abgeordneten Mario Mieruch machte. Die ganze Sache war ins Rollen gekommen, nachdem mir ein Insider in einer Redaktion einen Tipp gab bezüglich der verdeckten Finanzierung und Mieruch nach einem Gespräch mit mir die Anfrage an die Regierung stellte. Der exklusive Bericht auf reitschuster.de schlug hohe Wellen. Hier der Zahlenvergleich zwischen den Angaben, die dem Abgeordneten Mieruch gemacht wurden, und denen in der jetzigen Antwort an den Abgeordneten Renner (im Gegensatz zu der obigen Tabelle sind hier nur die Ausgaben für Online, Print, TV aufgeführt):
Die deutliche Differenz der Zahlen wirft die Frage auf, wie zuverlässig die Angaben sind.
Auffällig ist, dass etwa im Bereich Online-Medien die Ausgaben der Bundesregierung von 2014 auf 2015 um das Fünffache stiegen. Sie wachsen auch weiter. Dies kann man auch der steigenden Bedeutung des Online-Sektors zuschreiben. Bemerkenswert ist auch die beinahe Verdoppelung der Außenwerbung bzw. der Ausgaben dafür von knapp 12 Millionen im Jahr 2018 auf 21,5 Millionen im EU-Wahlkampfjahr 2019.
Die Bundesregierung macht keine Angaben darüber, welche konkreten Medien-Unternehmen mit wie viel Geld finanziert wurden. Faktisch versteckt sie sich hinter „Mediaagenturen“ und gibt an, „keine Übersicht“ zu haben, wer wie viel Geld bekommt.
Wenn dies zutrifft, wäre damit die Haushaltskontrolle faktisch ausgehebelt. Mediaagenturen könnten dann unter Umständen unkontrollierten Einfluss auf die deutsche Presselandschaft ausüben, und zwar mit Steuergeldern. Die Antwort der Bundesregierung legt nahe, dass die Agenturen keinen Rechenschaftsbericht vorlegen müssen, was sehr merkwürdig wäre und auch ein Fall für den Bundesrechnungshof.
Interessant ist auch, dass die Bundesregierung, während sie bei den großen Medien-Unternehmen „keine Übersicht“ hat, bei den viel kleineren Youtubern eine vollständige Übersicht vorlegen kann, wer wie viel Geld erhalten hat.
Auf die Frage, welche Kriterien die Bundesregierung bei der Auswahl des jeweiligen Mediums bei der Schaltung von Werbung zugrunde legt und wo diese definiert seien, kam eine ausweichende Antwort: Es würden „ausschließlich mediaplanerische Kriterien“ zugrunde gelegt. Merkwürdig, dass dann regierungskritische Medien wie etwa „Tichys Einblick“ oder die „Achse des Guten“ offensichtlich keine Regierungsanzeigen bekommen, so zumindest der Augenschein.
Besonders bemerkenswert ist die Finanzierung von youtubern. Dazu heißt es in der Antwort: „Die Bundesregierung betreibt keine ,Werbung´ im allgemeinsprachlichen Sinne des Wortes. Sie nutzt die sozialen Medien, um ihren verfassungsmäßigen Informationsauftrag zu erfüllen.“ Und weiter: „Die Bundesregierung hat in dem abgefragten Zeitraum Influencer mit Kommunikationsmaßnahmen beauftragt.“
Die Liste der youtuber und die Summen sind beeindruckend. Erstaunlich ist auch, auf wen die Auswahl fiel – manche der Empfänger des staatlichen Gelds dürften durchaus umstritten sein. Eine Kampagne für „Nachhaltige Textilien“ wird ebenso finanziert wie „Frauenrechte in der Entwicklungszusammenarbeit“, eine „Webvideoreihe Adventskalender 2018” oder die „Nationale Top-Runner-Initiative“, für immerhin 223.272,10 Euro. Die Frage ist hier, inwieweit durch staatliches Geld Abhänigigkeiten und Loyalitäten entstehen, und inwieweit die staatliche Finanzierung transparent ist. Hier eine Übersicht über die Youtuber-Finanzierung durch die Regierung:
Der Abgeordnete Martin Renner, der die Anfrage initiiert hat, zeigt sich entsetzt über die Anworten: „Hatte man ohnehin bereits Zweifel an der Notwendigkeit für die Bundesregierung, ihrem ,verfassungsmäßigen Informationsauftrag´, wie sie es nennt, mit Millionensummen an Steuergeldern nachzukommen, so ist man angesichts der hier vorgelegten Zahlen sprachlos. Es sei „sicher kein Zufall, dass die Schaltkosten sich von 2014 auf 2015, also dem Jahr Merkels irrwitziger Grenzöffnung, auf gut 60 Mio Euro mehr als verdreifachen. Im Bereich der Online-Medien sogar verfünffachen. Alleine diese Tatsache legt nahe, dass es hier eher um massive Beeinflussung der Bürger, als um deren bloße Information geht.“
Dass die Bundesregierung „sich hinter Mediaagenturen versteckt und angeblich keine Informationen darüber hat, an welche Medienunternehmen diese enormen Summen letztlich fließen“, sei „in etwa so glaubhaft, wie die Mär vom Mann im Mond“, kritisiert Renner.
Er kündigte an, dass seine Fraktion „explizit nachhaken“ werde, „um welche Mediaagenturen es sich hier handelt – und diese genauestens unter die Lupe nehmen. Unvorstellbar, dass Mediaagenturen hier im Schatten der Öffentlichkeit regelrecht als quasi-autonome Strohmänner agieren, welche mit solchen Summen durchaus enorme Macht in der Medien- und Presselandschaft ausüben könnten. Und dies angeblich ohne Kenntnis der Bundesregierung. So oder so – was immer hier im Argen bleibt, hat politische Sprengkraft.“
Insgesamt erweise sich das von der Regierung vorgelegte Zahlenwerk als wenig vertrauenswürdig, so Renner: „Sowohl die in verschiedenen aktuellen Presseberichten, als auch anderenorts durch die Bundesregierung genannten Zahlen in diesem Zusammenhang weisen deutliche Differenzen zu den uns hier genannten Daten auf. Wir werden hier weiter nachbohren.“
+++ Aktualisierung am 31.7.2020 +++
Die Bundesregierung hat noch folgende Korrektur nachgeliefert:
„Im Rahmen Ihrer o.g. Kleinen Anfrage haben Sie unter anderem nach jährlichen „Aufwendungen der Bundesregierung für Anzeigen und Werbung“ gefragt (Frage 1). Die Schaltkosten wurden in der zwischenzeitlich übermittelten Antwort der Bundesregierung zur Frage 1 für das Jahr 2020 mit 64.470.645,98 Euro beziffert.
In der im Nachgang übersandten Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage Nr. 07/182 des Abgeordneten Dr. Anton Friesen (AfD) vom 28. Juli 2020 zur „Schaltung von Anzeigen im Jahr 2020“ wurde dieser Betrag mit 65.585.006,57 Euro beziffert. Bei diesem Betrag handelt es sich um den für den abgefragten Zeitraum aktuellen Stand, den Sie bitte auch Ihrer Kleinen Anfrage 19/20417 zugrunde legen mögen.
Grund für die Diskrepanz ist, dass uns im Zuge der für die Beantwortung der Schriftlichen Frage Ihres Fraktionskollegen notwendigen Ressortabfrage aus verschiedenen Ressorts Korrekturen der zuvor übermittelten Zahlen erreicht haben, die zur Ermittlung der erfragten Gesamtsumme für 2020 erforderlich waren. “
Bild: Pixabay/ReitschusterText: br