Rechtsanwaltskanzlei
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Amtsgericht Köln
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Az.: 111 C 569/19
In Sachen
Gensing ./. Reitschuster
wg. Forderung
14.01.20
In oben genannter Sache zeige ich die Verteidigungsbereitschaft des von mir vertretenen Beklagten an. Ich kündige an zu beantragen,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Höchst hilfsweise wird angekündigt zu beantragen:
Der Klage wird in Höhe von 147,56 € stattgegeben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Klageabweisungsantrag wird wie folgt begründet:
A. Die Klage ist bereits nach BGH und ständiger Rechtsprechung unzulässig, weil der Kläger seine eigene Anschrift verschleiert und dabei c/o NDR, Hugh-Greene-Weg 1, 22529 Hamburg, angibt. Es fehlt damit an der ordnungsgemäßen Klageerhebung gem. §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO.
Auch dann, wenn der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist, kann auf die Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift nicht verzichtet werden, weil mit dem Betreiben des Prozesses nachteilige Folgen verbunden sein können, wie insbesondere die Kostenpflicht im Falle des Unterliegens. Eine Partei muss sich diesen möglichen Folgen stellen. Legt es ein Kläger darauf an, den Prozess aus dem Verborgenen zu führen, um sich dadurch einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen, müsste ohnehin von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten ausgegangen werden, auf das nicht anders als mit einer Prozessabweisung zu reagieren ist. Nebenbei muss der Kläger bereit sein, persönlich in Terminen zu erscheinen, falls das Gericht dies anordnet (vgl. etwa 141, 79 II, 145 ff. ZPO). Ein weiteres, untergeordnetes Argument ist, dass bei der Prüfung der Frage, ob das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden soll, das erkennende Gericht sein Ermessen nur sachgerecht ausüben kann, wenn ihm auch der Aufenthalt des Klägers bekannt ist. Kein Kläger hat Anspruch darauf, dass das Gericht in seinem Falle diese Möglichkeit von vornherein nicht in Betracht zieht.
Insgesamt folgt aus diesen Überlegungen, dass die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers zwingendes Erfordernis einer ordnungsgemäßen Klageerhebung ist, und zwar jedenfalls dann, wenn die Angabe ohne Weiteres möglich ist.
Im Falle von unüberwindlichen oder nur schwer zu beseitigenden Schwierigkeiten, weil schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen, ist zumindest zu fordern, dass dem Gericht die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Klägers verzichtet werden kann. Wird diese hingegen schlechthin oder ohne zureichenden Grund verweigert, liegt keine ordnungsmäßige Klageerhebung vor.
Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen trägt der Kläger aber nicht einmal vor und können auch nicht als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden.
Besondere Brisanz in diesem Zusammenhang birgt die Tatsache, dass der Kläger dem Beklagten, gegen den tatsächlich Morddrohungen ausgesprochen worden sind, mit Detektivkosten in Höhe von 1.144,78 € drohte, wenn dieser seine ladungsfähige Anschrift nicht preisgebe. Jenen Morddrohungen war der Beklagte in der Vergangenheit ausgesetzt, weil er als bekannter Journalist und Sachbuchautor sechzehn Jahre lang Leiter des Moskauer Büros des Nachrichtenmagazins „Focus“ war und sich im Rahmen dieser Tätigkeit in seinen Büchern und Artikeln kritisch mit dem politischen System Russlands auseinandersetzte. Er hat es insbesondere als Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einiger Bekanntheit gebracht. So wurde er beispielsweise für seinen „hohen persönlichen Einsatz für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit und damit für die Wahrung von Bürger- und Menschenrechten“ in Russland im Jahre 2008 mit der Theodor-Heuss-Medaille geehrt. Die Kehrseite der Medaille war aber, dass er sich vorzeitig gezwungen sah, nach Deutschland zurückzukehren und eben eine stets konkrete oder latente Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt war und ist. Bis heute liegt wegen Schutzbedürftigkeit eine Auskunftssperre vor. Nichtsdestotrotz hat der Beklagte seine Adresse freiwillig dem Klägervertreter preisgegeben. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass dem voraus ging, dass der Klägervertreter im November einen anderen Rechtsanwaltskollegen anrief, der gar nicht vom Beklagten mandatiert war. Dabei teilte er mit, er wisse von der Auskunftssperre, der Detektiv sei „übereifrig“. Gleichzeitig traf bei der Meldebehörde in Berlin eine Adressermittlung einer Privatdetektivin ein und beim Bruder des Beklagten ging ein Anruf einer Frau ein, die sich in Täuschungsabsicht als Vertreterin der Deutschen Rentenversicherung ausgab und nach dem Wohnort des Beklagten erkundigte. Darauf angesprochen erklärte der Klägervertreter per Mail vom 25.11.19 an den Beklagten: „Ich weise darauf hin, dass ich auf eigene Initiative bei einem zuverlässigen Detektiv lediglich um einen Kostenvoranschlag zur Adressermittlung angefragt hatte. Einen Auftrag und insbesondere der von Ihnen geschilderten Art hatte ich nicht erteilt, schon gar nicht mein Mandant.“
B) Die Klage ist auch unbegründet.
Dem Kläger steht kein Zahlungsanspruchsanspruch gegen den Beklagten zu, weil ihm kein – in der Abmahnung vom 5.11.19 geltend gemachter – Unterlassungsanspruch des öffentlichen Zugänglichmachens und des Vervielfältigens des in der Abmahnung streitgegenständlichen Fotos zustand.
Mangels Urheberrechts und mangels dessen Übertragbarkeit gem. § 29 UrhG macht der Kläger das behauptete ausschließliche Recht an der Verwertung des Lichtbilds aus eigenem Recht geltend. Der behauptete Urheber des Bildes, Herr XXXX XXXXXXX, soll dem Kläger nach dessen Angaben das ausschließliche Verwertungsrecht übertragen haben und dem Beklagten keine Einwilligung zur Nutzung erteilt haben.
Der Zahlungsanspruch kann nur dann im Klagewege mit Aussicht auf Erfolg durchgesetzt werden, wenn der der Abmahnung zugrunde liegende Unterlassungsanspruch bestanden hat. Hierfür müssten folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:
· Der Kläger muss der ausschließliche Nutzungsrechtsinhaber des vom Beklagten verwendeten Bildes sein.
· Der Kläger muss bereits zum Zeitpunkt des inkriminierten Tweets des Beklagten am 27. 10.19 diese ausschließlichen Nutzungsrechte innegehabt haben.
· Die Abmahnung muss formell den Regeln des § 97 a Abs. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 1-4 UrhG entsprochen haben und die Höhe der Forderung muss § 97 a Abs. 3 entsprechen.
· Dem in der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsanspruch dürfen keine sonstigen Einwendungen oder Einreden entgegenstehen.
I. Es fehlt bereits an der Aktivlegitimation des Klägers zur Geltendmachung von Ansprüchen aus §§ 97 ff. UrhG, weil der Kläger nicht das ausschließliche Nutzungsrecht an dem Lichtbildnis erworben hat.
1. Ob Herr XXXX XXXXXX das für die Abmahnung streitgegenständliche Lichtbild als Urheber angefertigt hat, wird zunächst mit Nichtwissen bestritten.
2. Das kann aber dahingestellt bleiben, weil er jedenfalls nicht das ausschließliche Nutzungsrecht dem Kläger übertragen hat.
Es wird ausdrücklich bestritten, dass der Kläger die ausschließlichen Nutzungsrechte erworben hat.
Der für die Tatsache des ausschließlichen Verwertungsrechts beweisbelastete Kläger führt zum Beweis dieser Tatsache das Schriftstück vom 7.11.19 (!) – erst in der Klage, nicht bereits in der Abmahnung -in Anlage K 1 an.
In diesem schreibt der Zeuge XXXXXXX, dass er dem Kläger bestätige, dass er ihm „sämtliche“ Verwertungsrechte der am 6.12.16 von ihm angefertigten Porträts übertragen habe.
Die Erklärung in dem Schriftstück vom 7.11.19 ist, so wie sie formuliert ist, zunächst mal eine Wissenserklärung. Ein Vertrag, der das behauptete ausschließliche Nutzungsrecht begründet, wird bezeichnenderweise nicht vorgelegt.
Offenbar liegt der Wissenserklärung nicht einmal eine Willenserklärung dergestalt zugrunde, er habe „sämtliche Verwertungsrechte“ übertragen. Nur eine Willenserklärung kann aber ein solches Nutzungsrecht begründen. Das Vorliegen einer solchen Willenserklärung wird ausdrücklich bestritten.
Vorausgesetzt, es gab eine solche Willenserklärung, wäre diese nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen.
Der Klägervertreter behauptet hierzu in der Klage (S.3), die Erklärung des Zeugen XXXX XXXXXX vom 7.11.19 sei „deklaratorischer Natur“.
Diese Behauptung verkennt im eklatanten Maße das Regel- Ausnahmeprinzip, wenn damit behauptet wird, es bedürfe einer solchen Erklärung gar nicht, um von einem ausschließlichen Verwertungsrecht ausgehen zu dürfen.
Dem liegt folgendes zu Grunde: Das Urheberrecht ist unveräußerlich und verbleibt das ganze Leben lang beim Urheber und steht auch nach seinem Tode bis zum Ablauf der Schutzfrist seinen Erben zu, vgl. § 29 Abs. 1 UrhG. Die Regeln der Nutzungsübertragung richten sich nach den §§ 31 ff. UrhG. Die verschiedenen Kategorien der Nutzungsrechte sind bedeutsam für die Bestimmung des Umfangs.
Nach der auf § 31 Abs. 5 UrhG basierenden Zweckübertragungslehre, die den Urheber vor einer übermäßigen Belastung durch Nutzungsrechte schützen soll, gilt der Grundsatz, dass Nutzungsrechte nur in einem solchen Umfang eingeräumt werden, wie es zu der Erreichung des Vertragszweckes erforderlich ist. Schließlich kann der Urheber auch den örtlichen wie zeitlichen Geltungsbereich bestimmen. Für den Vertragszweck des Porträts des Klägers waren sicherlich keine exklusiven Nutzungsrechte erforderlich.
Der absolute Regelfall ist mithin die einfache Nutzungsrechtsübertragung.
Damit ist festzuhalten, dass die Erklärung vom 7.11.19 selbstverständlich nicht rein deklaratorischer Natur war und der Kläger auch keine frühere Rechteübertragung vorlegen konnte, die vor dem Tweet des Beklagten gelegen ist.
Auch bedeutet nach §§ 133 157 BGB das Wort „sämtliche“ nicht zwingend „ausschließliche“. Sämtliche kann nach der grammatischen Auslegung bedeuten, dass der Zeuge XXXXXX damit meinte, der Kläger könne damit machen, was er wolle, darunter wohl auch klagen. „Ausschließliche“ bedeutet aber, dass es alle anderen Personen von den Rechten ausschließt, also auch Herrn XXXXXX selber. Dass dies gewollt ist, ist der Erklärung nicht zu entnehmen und sehr zweifelhaft. Auch war dem Zeugen XXXXXX bei seiner Erklärung am 7.11.19 und einer gedachten zugrunde liegenden Willenserklärung sicherlich nicht klar, dass er sich beispielsweise auch seiner Printrechte (§§ 16, 17 UrhG) entledigte, wenn seine Erklärung „sämtliche Verwertungsrechte“ so verstanden würde wie vom Kläger, der von „ausschließlichen Nutzungsrechten“ ausgeht.
Folglich ist der Schluss in dem klägerischen Vorbringen, das Wort „sämtliche“ schlichtweg in „ausschließliche“ umzudeuten, nicht nachvollziehbar.
Gegen die ausschließliche Nutzungsübertragung spricht ebenfalls, dass dieses Bildnis von der „tagesschau“ verwendet wird.
Beweis:
(auf dem hier eingefügten Bild handelt es sich um das Foto, das Gegenstand des Streits ist, und das deshalb hier aus juristischen Gründen hier nicht gezeigt wird – nur die Bildunterschrift:)
Anlage B 1
Auch ist das Label der „tagesschau“ am unteren rechten Bildrand eingefügt. Das Bild wurde auf „tagesschau.de“ als „twitter“-Bild des Klägers ausgewiesen.
Twitter-Bilder sind aber nach den AGBen von „twitter“ zur weiteren Verwendung auf der Plattform – auch für Dritte – frei, auch in überarbeiteter Form.
Die AGBen lauten diesbezüglich wie folgt:
„Durch Übermittlung, Veröffentlichung oder Anzeigen von Inhalten auf oder über die Dienste gewähren Sie uns eine weltweite, nicht ausschließliche, unentgeltliche Lizenz (mit dem Recht zur Unterlizenzierung), diese Inhalte in sämtlichen Medien und über sämtliche Verbreitungswege (die gegenwärtig bekannt sind oder in Zukunft bekannt sein werden) zu verwenden, zu vervielfältigen, zu reproduzieren, zu verarbeiten, anzupassen, abzuändern, zu veröffentlichen, zu übertragen, anzuzeigen und zu verbreiten. Mit dieser Lizenz erteilen Sie uns die Erlaubnis, Ihre Inhalte weltweit verfügbar zu machen und dies auch Dritten zu ermöglichen. Sie bestätigen, dass Twitter mit dieser Lizenz das Recht hat, die Dienste bereitzustellen, zu fördern und zu verbessern und die an oder über die Dienste übermittelten Inhalte gemäß unseren Nutzungsbedingungen anderen Unternehmen, Organisationen oder Einzelpersonen zur Verfügung zu stellen, die mit Twitter zwecks Syndizierung, Ausstrahlung, Verbreitung, Werbung oder Veröffentlichung dieser Inhalte in anderen Medien und Diensten zusammenarbeiten. Die von Ihnen im Rahmen der Dienste übermittelten, veröffentlichten, übertragenen oder anderweitig bereitgestellten Inhalte können von Twitter oder anderen Unternehmen, Organisationen oder Einzelpersonen zusätzlich verwendet werden, ohne dass Ihnen hierfür eine Vergütung gezahlt wird.
Twitter verfügt über Regeln, die kontinuierlich weiterentwickelt werden und in denen die Art und Weise festgelegt ist, wie Netzwerkpartner mit Ihren Inhalten auf den Diensten umgehen dürfen. Anhand dieser Regeln soll ein offenes Netzwerk unter Berücksichtigung Ihrer Rechte ermöglicht werden. Sie erkennen an, dass wir Ihre Inhalte ändern oder anpassen können, da diese von uns und unseren Partner verbreitet, syndiziert, veröffentlicht oder ausgestrahlt werden, und/oder Änderungen an Ihren Inhalten vorgenommen werden können, um die Inhalte an verschiedene Medien anzupassen.
Sie sichern zu und gewährleisten, dass Sie über alle Rechte, Lizenzen, Zustimmungen, Erlaubnisse, Vollmachten und/oder Befugnisse verfügen oder erhalten haben, die erforderlich sind, um die hierin eingeräumten Rechte an den von Ihnen an, auf oder durch die Dienste übermittelten, veröffentlichten oder dargestellten Inhalten zu gewähren. Sie stimmen zu, dass solche Inhalte kein urheberrechtlich oder anderweitig geschütztes Material enthalten wird, es sei denn Sie haben die erforderliche Erlaubnis oder sind anderweitig rechtlich berechtigt, dieses Material zu veröffentlichen und Twitter daran die obengenannte Rechte zu gewähren.“
Beweis:
Auf der sog. Kachel, die der Beklagte auf „twitter“ von einem anderen Nutzer geteilt hat, ist auch die Quellenangabe „Vocer“ beigefügt. Es scheint also mehrere Nutzungsberechtigte zu geben.
Auch wurde das Bild etwa in dem Internet-Periodikum „Mimikama“, auf „Faktajouren“ und auf „Horizonte“ verwendet, mit Copyright-Hinweis auf XXXX XXXXXX. Es scheint also mehrere Nutzungsberechtigte zu geben.
Auf Wikimania ist das Bild mit folgendem Urheberrechts-Verweis zu finden: „Diese Datei stammt aus einem gemeinsam genutzten Medienarchiv und darf von anderen Projekten verwendet werden. Siehe auf der Dateibeschreibungsseite nach weiteren Informationen.“
Beweis:
https://www.mimikama.at/allgemein/die-causa-gensing/
https://faktajouren.se/inspiration/intervjuer/patrick-gensing/
https://reitschuster.de//wp-content/uploads/attachments/Datei:Patrick_Gensing.jpg
https://reitschuster.de//wp-content/uploads/attachments/File:Patrick_Gensing.jpg
Das alles schließt im Ergebnis die Annahme eines ausschließlichen Nutzungsrechts selbstverständlich aus. Darüber hinaus hat der Beklagte lediglich ein Bild eines anderen „twitter“-Nutzers geteilt, was nach den AGBen zulässig ist.
II. Insbesondere wird bestritten, dass der Kläger dieses behauptete ausschließliche Nutzungsrecht bereits zum Zeitpunkt des Tweets des Beklagten am 27.10.19, um 10.35 Uhr, geschweige denn zum Zeitpunkt der Abmahnung am 4.11.19 bereits innehatte. Der Kläger legt dies weder dar, noch beweist er dies. Es wird in dem Schriftstück aus K 1 – wie oben gezeigt – nicht angegeben, wann diese Übertragung erfolgt sein sollte.
Da das Schriftstück vom 7.11.19 stammt, mithin drei Tage nach der der Klage zugrundeliegenden Abmahnung und elf Tage nach dem inkriminierten Tweet des Beklagten, muss davon ausgegangen werden, dass bis zu diesem Zeitpunkt der Kläger nicht (ausschließlicher) Rechteinhaber des Lichtbildes war.
Der Hinweis auf die angeblich „deklaratorische“ Erklärung geht wie oben gezeigt ins Leere.
III. Die Formalien des § 97 a II, III UrhG sind nicht eingehalten, weil man bei der Parteibezeichnung des Abmahners auf seine Anschrift nicht verzichten darf.
Hierfür spricht, analog zu den Ausführungen bei § 253 Abs. 2 ZPO, dass die abgemahnte Person, hier also der Beklagte, grunsätzlich bei Abmahnungen das Recht zur negativen Feststellungsklage hat, wenn die Abmahnung ihm rechtswidrig erscheint. Da es sich bei der negativen Feststellungsklage nicht um einen identischen prozessualen Anspruch handelt, steht es dem rechtlichen Vertreter jederzeit frei, dass er sich diesbezüglich nicht für zustellungsbefugt erklärt, wie in der Praxis häufig praktiziert.
Zudem wurde meinem Mandanten nicht in klarer und verständlicher Weise dargelegt, warum es sich bei dem Kläger um den Verletzten gehandelt haben soll.
Auf Bitte des Beklagten nach Erhalt der Abmahnung, die ausschließlichen Nutzungsrechte nachzuweisen, erhielt dieser nur ein schwarzes, unleserliches Bildstück.
Der Email-Verkehr diesbezüglich war wie folgt:
„Am 06.11.19 um 17:43 schrieb Boris Reitschuster:
Sehr geehrter Herr Kompa,
ich danke Ihnen für Ihr Schreiben.
Ich bitte Sie, mir mit den entsprechenden Unterlagen zu belegen, dass Ihr Mandant alleiniger Inhaber der Rechte des von einem Dritten erstellten Fotos ist, um Rechtssicherheit zu haben.
Wenn mir dieser Nachweis vorliegt, bin ich vorbehaltlich einer weiteren Prüfung bereit, eine Unterlassungserklärung abzugeben und bitte dann um eine entsprechende Vorlage.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich meine Verwunderung zum Ausdruck bringen über die Verwendung meines Portraitfotos auf dem twitter-Accountes Ihres Mandanten; die entsprechenden Tweets wurden mittlerweile gelöscht, Screenshot liegt aber vor. Hier handelt es sich genauso um eine Verletzung des Urheberrechtes, wie Sie sie mir vorwerfen. Auch hier liegt ein Anspruch auf eine Unterlassungserklärung vor.
Da Ihr Mandat meine Portaitfotos gelöscht hat von seiner Twitter-Seite, lösche ich auch den beanstandeten Tweet, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.
Dank im Voraus und freundliche Grüße
Boris Reitschuster
Am 11.11.19 um 13:21 schrieb Boris Reitschuster:
Sehr geehrter Herr Kompa,
ich bitte um Zusendung einer lesbaren Kopie des Nachweises der Rechteübertragung auf Ihren Mandanten.
Gleichzeitig mache ich darauf aufmerksam, dass die gesetzte Frist generell nicht angemessen ist und insbesondere im Hinblick auf den bislang nicht erfolgten Nachweis der Rechteübertragung auf Ihren Mandanten (übersandt wurde eine nicht lesbare Kopie).
Mit freundlichen Grüßen
Boris Reitschuster
Am 11.11.2019 um 13:28 schrieb Markus Kompa:
Sehr geehrter Herr Reitschuster,
im Rahmen der Abmahnung ist es ausreichend, dass der Abmahner eine
schlüssige Rechtekette darlegt. Eine Beweisführung ist nicht erforderlich.
Auch die Fristsetzung ist sachangemessen.
Mit freundlichen Grüßen
Kompa
Rechtsanwalt
Aus diesseitiger Sicht fehlt es damit schon an den Formalien des § 97 a II, III.
Aber auch der Höhe des vom Kläger bemessenen Gegenstandswertes, den der Klägervertreter inkorrekterweise als „Streitwert“ in seiner Abmahnung bezeichnet, steht entgegen, dass der Kläger davon ausgeht, dass der Beklagte sein „twitter“-Profil gewerblich nutze. Denn bei einem privaten Abgemahnten wird der Gegenstandswert gem. § 97 a III UrhG auf 1.000,- € gedeckelt. Der Klägervertreter macht aber einen Gegenstandswert von 6.000,- € geltend, wenn er seinen Zahlungsanspruch aus der Abmahnung geltend macht.
Es stellt aber „venire contra factum proprium“ dar, wenn der Kläger selber dick und breit auf seinem „twitter“-Profil schrieb, er sei dort privat („Als Privat- und Ehrenmann hier“ bzw. „privat hier“), obwohl er dort auch vielfach auf seine berufliche Tätigkeit verweist (insbesondere tagesschau.de) sowie politische Themen aufwirft und gleichzeitig dem Beklagten diese Privatheit nicht zugesteht.
· Anlage B 2 (aus Web-Archiv)
·
Der Kläger muss den Beklagten gem. § 242 BGB ebenso behandeln, dass dieser sein „twitter“-Profil privat und nicht zum Zwecke einer gewerblichen Tätigkeit benutzt.
Daraus ergibt sich, dass der Kläger den Gegenstandswert lediglich auf 1.000,- € bemessen durfte, was bedeutet, dass er einen Zahlungsanspruch allenfalls in einer Höhe von 147,56 € einklagen kann (siehe Hilfsantrag).
IV. Einwendungen im Übrigen:
1. Es ist Geschäftsmodell von „twitter“, dass alle Bilder, die dort online sind, geteilt werden dürfen. Jeder Nutzer stimmt den oben dargelegten AGBen zu, in denen auch genau das festgeschrieben ist. Diesen AGBen hat auch der Kläger durch seine Teilnahme bei „twitter“ zugestimmt. Indem der Beklagte ein Bild geteilt hat, hat er sich den AGBen konform verhalten und auch der absolut gängigen Praxis konform.
Nur der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass der Kläger auf den Hinweis des Beklagten an seinen Anwalt, dass dieser doch selbst ein Porträtbild des Beklagten auf seinem „twitter“-Account veröffentlicht habe, was ja üblich ist für „twitter“ auch in dessen AGBs so vorgeschrieben, unaufgefordert diesbezüglich eine Unterlassungserklärung abgab. Dies macht zum einen deutlich, dass die Klägerseite hier ein sehr merkwürdiges Verständnis des Funktionierens von „twitter“ an den Tag legt – würde dieses konsequent angewandt, wäre das Geschäftsmodel von „twitter“ hinfällig. Zum anderen ist auch hier das Prinzip „venire contra factum proprium“ verwiesen: Der Kläger hat selbst aus seiner Sicht genau das getan, was er dem Beklagten vorwarf. Nur dass der Beklagte dagegen keine rechtlichen Schritte einleitete und auch keine Kosten einforderte.
Beweis:
2. Es drängt sich auf, dass der Kläger dem Beklagten durch das Unterlassungsbegehren in der Abmahnung lediglich seine grundgesetzlich durch Art. 5 GG garantierte Meinungs- und Pressefreiheit beschränken wollte, und zwar mithilfe einer vorgeschobenen Erklärung einer Übertragung der Nutzungsrechte, weil er nicht die geringste rechtliche Handhabe hatte, gegen das vorzugehen, worum es ihm eigentlich ging:
Er wollte nicht, dass ihm, dem „Faktenfinder“ der ARD, ein älteres eigenes Zitat vorgehalten wird, bei dem er sich wie folgt äußerte:
„Ich bin ein großer Freund von Journalismus mit Haltung, weil ich mich daran viel besser abarbeiten kann. Ich glaube, dass man die Leute eher gewinnen kann, wenn im Journalismus eine Haltung vertreten wird, als wenn da irgendwie einfach nur Fakten angehäuft werden. Das ist in meinen Augen auch überhaupt nicht Journalismus. Einfach nur Fakten zu liefern und sagen, wir können das nicht beurteilen und wissen das nicht. Das zu beurteilen ist doch genau unser Job.“
Ähnlich wie sein Kollege Georg Restle (oder im krassen Fall Claas Relotius) steht der Kläger blaupausenhaft für das zunehmende Bedürfnis vieler Journalisten, der Öffentlichkeit zu beweisen, wo er politisch steht. Es entsteht in der Öffentlichkeit für viele der Eindruck, dass eine ungute Gemengelage zwischen Tatsachen und Meinungen entstanden ist, die schwer auseinander zu dividieren ist. Der sicherlich hehre Wunsch, in gewissen Punkten klare Kante beziehen zu wollen, mündet darin, dass durch diese Gemengelage nicht wenige das Vertrauen in den Journalismus verlieren, wenn die Haltung wichtiger erscheint als eine tatsachenbasierte Berichterstattung. In diesen polarisierten Zeiten spielt genau das den sog. „Rechten“ wie der AfD in die Hände, obwohl das Gegenteil gewollt ist. Der Kläger wollte mit seinem Tweet genau das klar machen, nämlich dass klare öffentliche Positionierungen von Journalisten falsch sein können, denn sie befördern ebenjenes polarisierte Klima. Diejenigen Journalisten, die sich um dieses Vertrauen durch Objektivität redlich bemühen, leiden darunter, dass es eben solche gibt, denen man nachsagen kann, dass sie die Haltung vor die Fakten stellen. So entstehen auf Seiten der „Rechten“ Worte wie „Lückenpresse“ oder „Staatsfunk“ oder dergleichen.
Journalisten wie der Kläger, die dieser Distanz-Idee mittlerweile ausdrücklich widersprechen, finden nicht, dass es parteilich ist, sich für universelle Werte zu engagieren. Sie halten im Gegenteil einen „werteorientierten Journalismus“ für das Gebot der Stunde. So trat der Kollege des Klägers, Georg Restle, unter anderem auf der Bühne einer Großdemonstration in Berlin im Herbst 2018 auf, die unter dem Motto „Unteilbar – Für eine offene und freie Gesellschaft“ stand. Dies begründete er wie folgt: „Verdammt noch mal, wie kann man sich mit einer solchen Sache, für die diese Demonstration, für die ihr alle steht, nicht gemein machen? Wenn die Menschenwürde im Mittelmeer ertrinke, weil Deutschland dort Menschen sterben lasse, wenn völkischer Nationalismus sich wieder breitmache, wenn Religionsfreiheit nicht mehr für alle gelten solle, wenn die Freiheitswerte dieser Demokratie in Gefahr sind, dann ist Haltung gefragt, und für diese Haltung sollten auch, und besonders, Journalisten stehen“.
Diese vordergründig noble Position erscheint aber aus mehreren Gründen problematisch. Einerseits unterstellt Restle damit, dass Journalisten, die an solchen Demonstrationen nicht teilnehmen, nicht oder nicht im selben Maße wie er für Freiheitlichkeit eintreten. Er übersieht zudem – was schwerer wiegt – den Grund, warum Journalisten durch Art. 5 GG besonders geschützt sind. Diesen Grund hat das Bundesverfassungsgericht in seinem berühmten „Spiegel-Urteil“ aus dem Jahr 1966 auf den Punkt gebracht:
„Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung. (…) Sie fasst die in der Gesellschaft und ihren Gruppen unaufhörlich sich neu bildenden Meinungen und Forderungen kritisch zusammen.“
Genau dies, Meinungen und Forderungen kritisch zusammenzufassen und Orientierung zu bieten, können Journalisten nach diesseitiger Ansicht nicht glaubhaft leisten, wenn sie sich an Demonstrationen beteiligen oder Fakten mit Haltung vermengen. Schließlich machen sie sich damit zum Teil von Forderungen, über die sie unabhängig berichten sollten. Wenn der Redaktionsleiter eines der wichtigsten politischen Magazine des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf einer Großdemonstration spricht, dann begibt er sich in einen Interessenkonflikt, zumal dort linksradikale Gruppierungen vertretene waren.
Es liegt auf der Hand, dass es dem Kläger bei seinem Unterlassungsbegehren also nicht um das Foto ging, sondern darum, diesen Diskurs von prominenter Seite im Keim zu ersticken.
Damit streift die abgemahnte Unterlassungsforderung die Rechtsmissbräuchlichkeit und ist zumindest wider Treu und Glauben gem. § 242 BGB, weil es im Kern um die Beschneidung der Meinungs- und Pressefreiheit des Klägers geht, die mittelbare Drittwirkung entfaltet.
3. Der Kläger schrieb in einem tweet auf „twitter“ vom 25.12.2019 unter anderem, dass er nach dem Teilen des Bildes mit seinem Zitat auf „twitter“ darauf hingewiesen habe, dass es sich um ein Fake und eine Urheberrechtsverletzung handelt.
Beweis:
Abgesehen davon, dass ein sog. „Meme“, das der Beklagte geteilt hat, eine Kunstform ist, und kein „Fake“, stellt sich die Frage, warum er dann nicht direkt den Beklagten auf die in seinen Augen erfolgte Urheberrechtsverletzung hingewiesen hat, was problemlos über die Kontaktfunktion möglich gewesen wäre.
Nur der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass der Kläger hier von einer „Urheberrechtsverletzung“ spricht, obwohl diese nach seiner eigenen Rechtsauffassung bzw. der seines Anwalts ja gar nicht vorliegt, weil es sich nach der Auffassung der Klageseite nur um eine Nutzungsrechtsverletzung handelte.
Zudem stellt sich die Frage, warum er sich nicht direkt an die bei „twitter“ für Urheberrechtsverletzungen zuständige Stelle gewandt hat, die leicht per „google“ zu finden ist:
Beweise:
Weiter schreibt der Kläger auf „twitter“, ein anderer von ihm Abgemahnter habe nur anteilig bezahlt. Das wirft die Frage auf, warum nicht auch dem Beklagten, gegenüber dem der Kläger ja nach seiner Sicht auch einen Urheberrechtsverstoß begangen hat, nicht auch eine gütliche Regelung angeboten hat.
Die Klage ist daher abzuweisen, weil die der Zahlungsklage zugrundeliegende abgemahnte Unterlassungsforderung nicht bestand. Die vom Kläger angenommene Unterlassungserklärung des Beklagten war auch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und Präjudiz, so dass hieraus die klageweise geltend gemachte Forderung des Klägers keinen Bestand hat.
Enzio Rességuier de Miremont
Rechtsanwalt