AfD = entmenschlicht?

Von Boris Reitschuster

‪Man muss kein Freund der AFD sein, um die bis ins Wahnhafte gehende Verteufelung dieser Partei und ihrer Wähler für viel gefährlicher zu halten als die Partei selbst. Ein dramatisches Beispiel dafür ist eine Aussage des Pianisten Igor Levit, eines Hätschelkinds der linksgrünen Stadtkamarilla. Der 32-Jährige ist nach Eigenauskunft „extralinks“ und im sozialen Netzwerk twitter ein unermüdlicher Kämpfer gegen alles, was er als rechts verortet, und was für ihn gleichbedeutend mit Nazi zu sein scheint. Also alles, was entweder nicht so linksgrün wie Angela Merkel ist. Oder vielleicht sogar doch, aber bei bestimmten Themen, die für den quasiamtlichen linksgrünen Zeitgeist Dogmas sind, wie etwa Migration oder Energiewende, nicht die richtige „Haltung“ an den öffentlichen Tag legt.

Um von solchen Ketzern nicht kontaminiert zu werden mit gefährlichem Gedankengut, blockiert Levit sie bei twitter offenbar im Handumdrehen – wie viele seiner Gleichgesinnten. Ich kann mich nicht an eine Auseinandersetzung mit ihm erinnern, bin aber von ihm gesperrt. Die Blockier-Taste bei twitter ist für viele linksgrüne Glaubenskrieger heute das, was für Teufelsaustreiber, je nach Charakter, das Weihwasser oder das glühende Eisen war.

An einem Artikel im Cicero über Levit blieb ich nur deshalb hängen, weil ich zunächst anhand des Fotos dachte, es handle sich um Heiko Maas und mich wunderte, was mit diesem geschehen sei (das ist keine Ironie, sondern Tatsache – bitte machen Sie sich selbst ein Bild), Nach dem Lesen des Beitrags verfiel ich ins Grübeln, ob die Ähnlichkeit nur Zufall ist, oder vielleicht mehr hinter so einer Übereinstimmung von Äußerem und politischer Überzeugung stecken könnte,

In dem neuen Beitrag, der leider hinter einer Zahlschranke versperrt ist, musste ich lesen, dass der in Russland geborene Levit auf twitter schrieb, die AfD bestünde aus Menschen, die „ihr Menschsein verwirkt“ haben. Ich konnte die Aussage kaum fassen. Ich machte mich sofort ans Nachforschen, und fand heraus, dass die Aussage, die der Cicero da zitiert, von 2015 stammt. Was sie aber nicht besser macht – zumal sich Duktus und Aggressivität von Levits Aussagen zwischenzeitlich nicht wesentlich geändert haben. Und schlimmer noch: Statt die Aussage zurückzunehmen, verteidigte Lewit sie sogar noch, vor einem Millionen-Publikum, im November, im ZDF, bei Maybritt Illner (die noch 1986 in die SED eingetreten ist und ihr journalistisches Handwerk in der DDR erlernte). Lewits Position ist die Negierung des heiligsten Grundsatzes unserer Verfassung, unserer Demokratie, die in Artikel eins des Grundgesetzes festgeschrieben ist: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Die Annahme, jemand könnt sein Menschsein verwirken, zeugt von einem zutiefst totalitären Denken. Sie stammt aus dem Wörterbuch und dem Denken der finstersten Zeiten unserer Geschichte. Sie könnte von Stalin stammen. Oder von Hitler. Wenn uns unsere Vergangenheit auch nur irgend etwas gelehrt hat, dann sollte das sein, dass niemand sein Menschsein verwirken kann. Nicht einmal ein Mörder. Aber schon gar nicht kann man jemanden wegen seiner politischen Überzeugung das Menschsein absprechen.

Levits hat seine Aussage auf twitter gemacht, wo er mehr als 34.000 Follower hat. 2015 werden es weniger gewesen sein, doch es davon auszugehen, dass sehr viele Menschen den tweet sahen. Er hat diese Aussage vor einem Millionenpublikum im ZDF verteidigt. Ein Aufschrei? Fehlanzeige. Im Gegenteil. @igorpianist, wie sich Levit auf twitter nennt, wird als Star gefeiert und hoch gepriesen. Welchen Anteil daran seine musikalische Leistung hat, und welchen die (über-)korrekte Haltung, sei dahingestellt – laut Cicero spielt er „bemerkenswert bürgerlich“.

Man stelle sich einmal vor, ein Musiker hätte eine ähnliche Aussage in anderer Richtung gemacht. Etwa über gewalttätige Migranten. Ein Sturm der Entrüstung und Erregung wäre ihm sicher gewesen. Und zwar völlig zu Recht.


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Bild: Link, A.Savin (Wikimedia Commons · WikiPhotoSpace), https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0

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