Es tun sich seltsame Dinge mit der Meinungsfreiheit in Deutschland. Wenn ein Regierungs-Beauftragter von der CDU in Baden-Württemberg sagt, dass sich der in den USA getötete George Floyd nicht als Ikone eigne, weil er ein langes Vorstrafe-Register hat, muss er um seinen Job bangen (siehe hier). Dabei hat er nur auf einen Fakt verwiesen (der tabuisiert wird) und daraus eine durchaus legitime Schlussfolgerung gezogen.
Und erinnern Sie sich noch an die gewaltige Erregungswelle, die durch die Medien und Politik ging, als Alexander Gauland vorschlug, die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz in Anatolien zu entsorgen?
Ganz anders, wenn jemand erklärt, Polizisten seien nicht zu gebrauchen und müssten alle auf die Müllhalde. So steht es in der aktuellen taz. Dort fordert Hengameh Yaghoobifarah unter dem Titel „All cops are berufsunfähig“ die Abschaffung der Polizei. Das begründet die Autorin, die unter anderem fordert „Deutsche, schafft Euch ab!
Jeglicher Kommentar erübrigt sich hier. Alles, was man zur Verteidigung vorbringen kann, ist, dass Journalisten mehr Narrenfreiheit haben als Politiker und deswegen ein direkter Vergleich der Reaktionen unzulässig ist.
Dennoch stellt sich eine zwingende Frage: Warum findet man, wenn man den Namen der Autorin bei google news eingibt, zumindest bis Dienstag Abend nur einen einzigen Beitrag bei einem großen Medium, der sich wirklich kritisch mit der Kolumne auseinandersetzte – in der Neuen Zürcher Zeitung. Die spricht von „dumpfer, als Satire verbrämter Volksverhetzung“ und wird damit ihrem Spitznamen als „Westfernsehen“ wieder einmal gerecht. Wobei selbst die Anmerkung „als Satire verbrämt“ noch wohlwollend ist – ich erkenne eine solche Tarnung in dem Aufruf nicht, nur völlig unverschleierten Hass.
Bei den großen deutschen Medien gab es nur wenige und teilweise sehr wortkarge Berichte – aufgehängt an einer Anzeige der Deutschen Polizeigewerkschaft gegen die Autorin, nicht an deren Provokation. Wenn man sehr, sehr lange nach unten scrollt und nach Kleingedrucktem Ausschau hält, findet man etwa einen Beitrag im Spiegel. Ganze drei Absätze lang, unter der Überschrift „Polizeigewerkschaft erstattet Strafanzeige gegen die ‘taz‘“ und verharmlosend: „In dem satirischen Beitrag sinniert die Autorin über die Abschaffung der Polizei, strukturellen Rassismus bei Beamten und mögliche Berufsalternativen für Polizisten. Am Ende kommt sie zu dem Schluss, dass Polizeibeamte am besten auf einer Mülldeponie aufgehoben seien.“
Was für eine verniedlichende Beschreibung, ohne jedes Zitat, für ein an Menschenfeindlichkeit kaum zu überbietendes Stück. Aber das scheint bei den meisten Medien kaum jemanden aufzuregen – solange diese Menschenfeindlichkeit von links kommt. Gäbe es nicht die sozialen Medien – außer den taz-Lesern hätte wohl kaum jemand davon erfahren, was für extreme Ergüsse diese Zeitung veröffentlicht.
Um zu sehen, wie weit die Maßstäbe auseinander gehen, stelle man sich nur einmal für einen Moment vor, wie die Reaktionen ausgefallen wären, hätte die Autorin andere Gruppen kollektiv auf der Müllhalde entsorgen wollen – etwa Integrationsbeauftragte, Gleichstellungsbeauftragte oder Imane. Polizisten, die jeden Tag für unsere Sicherheit ihr Leben riskieren, sind offenbar vogelfrei.
P.S.: Die Polizeigewerkschaft erstattete Anzeige wegen Volksverhetzung. Hier der einschlägige Paragraph. Ein Leser machte mich darauf aufmerksam, dass in seinen Augen ein Verstoß gegen §92 StGB vorliegt. Wer die Polizei als Teil der Exekutive abschaffen will, begeht seiner Ansicht nach einen Angriff auf die Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes (das Sie hier finden).
Bilder: Tim Reckmann, flickr.com, (CC BY-SA 2.0), pxhere, twitter