Manchmal wundere ich mich über mich selbst. Das ich immer noch zu naiv bin, oder immer noch an das Gute im Menschen glaube. Und so habe ich gestern in meinem Wochenbriefing geschrieben: Weil meine Aufnahmen offenbar die einzigen sind, auf denen die Brutalität der Festnahme von Attila Hildmann voll zu sehen ist, wollte sie sogar RT bzw. Ruptly kaufen, das frühere Russia Today. Ich fragte daraufhin auf twitter öffentlich die Kollegen von ARD und ZDF, ob sie nicht Interesse hätten. Null Reaktion. Dafür hat RTL/n-tv reagiert und die Szenen nach einigem hin und her übernommen. So ganz irrelevant scheinen sie also doch nicht zu sein.“
Ich war felsenfest überzeugt, dass meine Aufnahmen für eine realistische Wiedergabe der Festnahme verwendet werden. Und jetzt das. Eine Leserin schrieb mir, dass sie die Szene in den Nachrichten gesehen habe: „RTL berichtete heute Abend, der Pressesprecher der Berliner Polizei kann überhaupt nicht die Aggressivität der Bürger verstehen, die gegen die Polizei vorgehen. Und dabei haben sie die Verhaftung von Hildmann gezeigt und ihn als brutalen Schläger dargestellt.“
Sie können sich den Beitrag in den Abendnachrichten hier selbst ansehen (ab Minute 13.15). Und die Leserin hat Recht: Da wird meine Aufnahme der Festnahme als Beispiel für Gewalt gegen die Polizei dargestellt: „Der Frust entlädt sich an den Einsatzkräften, sie werden angespuckt und beschimpft“, sagt die Sprecherin genau in dem Moment, in dem mein Video mit Hildmann gezeigt wird. Dass der Koch Polizisten anspuckte, stand aber nie im Raum.
RTL vermittelt in dem Nachrichtenbeitrag genau das Gegenteil des Eindrucks, den ich hatte als jemand, der die ganze Szene mitsamt ihrer Vorgeschichte direkt vor Ort verfolgte. Und – viel objektiver – das Gegenteil des Eindrucks, den das Video vermittelt. Auf dem ist auch zu sehen, wie ein Polizist den am Boden liegenden, von mehreren Beamten gehaltenen Hildmann das Knie gegen den Rücken rammt und ihm die Hose heruntergerissen wurde (hier können Sie sich selbst ein Bild machen). Angesichts der Tatsache, dass kurz zuvor in dem Beitrag gesagt wurde, „der Pressesprecher der Berliner Polizei kann überhaupt nicht die Aggressivität der Bürger verstehen“, wirkt das wie blanker Hohn und Zynismus.
Ich fühle mich bzw. mein Video missbraucht. Als Propaganda-Werkzeuge. Die Aufnahme wird völlig missbräuchlich eingesetzt, um den Zuschauer in die Irre zu führen. Der kurze Ausschnitt, der gezeigt wird, stellt mit der Kommentarstimme die Ereignisse völlig auf den Kopf. Gar nicht davon zu reden, dass es ein Mindestgebot an journalistischer Ethik gewesen wäre, zumindest mich als Augenzeugen zu befragen. Oder festzustellen, dass die Berliner Polizei, zumindest laut ihrer Presseerklärung, Hildmann gar keinen Widerstand gegen die Polizei vorwirft?
Mir fehlen einfach die Worte.
Ein anderes Video zum selben Thema ist nicht weniger manipulativ (anzusehen hier). Zudem ist es schlicht dumm. Die Szene, in der Hildmann von der Polizei begleitet (!) wird, verwechseln die Kollegen mit der Festnahme. Zitat: „Er feiert sich, während er von der Polizei abgeführt wird“. Jeder, der schon mal ein Abführen gesehen hat, würde erkennen, dass dies in diesem Ausschnitt nicht der Fall ist. Weiter heißt es: „Der Koch, der mittlerweile mehr Bekanntheit durch wilde Verschwörungstheorien erlangt hat, hat es wieder getan: Hier in Berlin zettelt er erneut eine Großveranstaltung an und verstößt damit gegen das Abstands und Versammlungsgebot. Die Polizei stoppt den Aufstand.“
Das ist so irrwitzig, dass es nur noch bizarr ist. Von einem „Versammlungsgebot“ ist mir nichts bekannt. Die Kollegen meinen wohl ein „Versammlungsverbot“. Aber auch das trifft nicht zu: Hildmann wurde auf dem Weg zu seiner genehmigten (!) Veranstaltung von seinen Anhängern begleitet. Sie liefen schlicht hinter ihm her. Als die Polizei Hildmann und den Tross an der engsten Stelle blockierte, kam es naturgemäß zu einer Ansammlung der Menschen – weil es vorne nicht mehr weiterging. Was daran ein „Aufstand“ sein soll, den die Polizei stoppt, ist MIR rätselhaft. Und widerspricht völlig den Aufnahmen der Szene, die die Kollegen jederzeit im Internet hätten einsehen können, und die ja auch ich RTL geliefert habe, im guten Glauben.
Weiter heißt es in dem Beitrag: „Am Abend kommt er wieder frei und motzt weiter öffentlich rum. Nichts gemerkt also.“ Abgesehen davon, dass es das Grundrecht des Zuschauers sein sollte, sprachgewandte Texte zu hören und keine auf dem Niveau von Grundschülern: Nach meinen Kenntnissen des Grundgesetzes ist eine Kundgebung ein Grundrecht, und kein Motzen.
Genauso wenig wie meine Berichterstattung und Hinweise auf diese Fehler eine Unterstützung für Hildmann sind – wie das Kollegen unterstellen, die vor lauter „Haltung“ das Schildern von Sachverhalten, die nicht zu ihrem Weltbild passen, als Unterstützung des „Bösen“ wahrnehmen und damit ein sehr eindimensionales Bild von der Welt und vom Journalismus offenbaren (siehe hier).
Mein Fazit: Alle deutschen Sender haben meine Aufnahmen trotz entsprechender Angebote entweder nicht oder manipulativ verwendet. Damit ist genau das geschehen, aus Angst vor was ich die Aufnahmen nicht RT zur Verfügung gestellt habe, weil ich mit dem russischen Sender sehr schlechte Erfahrungen in Sachen Manipulation gemacht habe.
Nach diesem Erlebnis verstehe ich aber noch besser als früher, warum so viele Menschen RT nutzen. Und ich muss ganz klar sagen: Es sind unsere eigenen Sender, die mit ihrem ideologischen Erziehungs-Journalismus, ihrem Kuschen vor dem linksgrünen Zeitgeist und Vertuschen von dem, was nicht zu diesem passt, dafür verantwortlich sind, dass RT & Co. so erfolgreich sind.
P.S.: Bei Durchsicht meiner Fotos vom Samstag stieß ich auf dieses Bild eines Gegendemonstranten. Also bei Punkt 1) seines Textes komme ich ins Grübeln…
Bilder: Boris Reitschuster