Als Konrad Adenauer sich entscheiden sollte, auf welches Rentensystem er für die neu gegründete Bundesrepublik setzt, soll er sich mit folgender Begründung für die „Umlage“ entscheiden haben: „Kinder bekommen die Leute immer.“ Der Christdemokrat hatte die Rechnung ohne die Pille gemacht und ohne „Wokeness“, in der es dutzende Geschlechter gibt und Klimaschützer das Kinderkriegen zum Öko-Frevel erklären. Nun haben wir den Salat: Während andere Länder etwa auf einen Kapitalstock setzten, müssen in Deutschland immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentner bezahlen. Schon als Helmut Kohls Sozialminister Norbert Blüm bundesweit plakatieren ließ, „Eins ist sicher: Die Rente“, wirkte das wie das berühmte Pfeifen im Wald. Man braucht kein Mathematiker zu sein, um zu verstehen, dass unser Rentensystem keine Zukunft hat.
In die Diskussion hat sich nun auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger eingeschaltet. In einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ sagte er: „Das Renteneintrittsalter sollte an die Steigerung der Lebenserwartung gekoppelt werden. Es darf nicht sein, dass die weiter wachsende Lebenserwartung zu einem immer noch längeren Ruhestand führt.“ Es gehe darum, langfristig zu denken: „Mittel- und langfristig wird die Lebenserwartung weiter deutlich steigen“, so Dulger zu der Zeitung. Auf ein bestimmtes Renteneintrittsalter wollte er sich damit nicht festlegen. „Klüger finde ich es, das Renteneintrittsalter zu dynamisieren.“
Das „Nicht-Festlegen“ hat sicher seine Gründe – die Wahrheit wäre bittere Medizin. Wer will schon gerne hören, dass er bis 75 arbeiten muss?
Als Grund für seinen Warnruf nennt Dulger das Verhältnis von Rentnern und Beitragszahlern: „Auf 100 Beitragszahler kommen derzeit etwa 50 Rentner, in 15 Jahren werden 100 Beitragszahler auf 70 Rentner kommen. Das heißt: Die Finanzierung unseres Rentensystems steht vor dem Zusammenbruch!“
Die Politik reagiert nach Ansicht des Arbeitgeber-Präsidenten zu zögerlich: „Jeder in Berlin kennt diese Zahlen, aber keiner traut sich, darüber zu sprechen. Wir brauchen deshalb in der Sozialpolitik Prognosen wie in der Klimapolitik: Die Bundesregierung sollte regelmäßig über die künftige Entwicklung der Sozialbeiträge berichten. So wird der Handlungsdruck für alle sichtbar.“ Fazit Dulgers: Die Reform der sozialen Sicherungssysteme sei ähnlich herausfordernd wie die Energiewende, aber genauso wichtig für die Generationengerechtigkeit.
Sodann sprach der oberste Arbeitgeber Klartext, was in unserer heutigen Zeit kaum noch zu hören ist: „Klar ist: So wie unsere Sozialversicherungen heute funktionieren, werden sie in den kommenden fünf Jahren nicht mehr funktionieren. Die Kosten werden explodieren. ‘Sozialstaat frisst Zukunft‘ darf nicht Realität werden.“
Man kann zu den Lösungsansätzen Dulgers ganz unterschiedliche Meinungen haben. Und auch seine Kritik ganz unterschiedlich bewerten. Fakt ist aber: Wir haben massive Probleme mit dem aktuellen Sozialsystem. Und wir haben ein massives Tabu, wenn es um Diskussionen darüber geht. Genau das ist der direkte Weg zum Zusammenbruch dieser Systeme. So wichtig eine Grundsicherung ist für Menschen, die in Not geraten sind – so dramatisch sind andererseits die Auswüchse des Systems. Ein Kollege, mit dem ich in meinem früheren Sender zusammenarbeitete, der aus de Ukraine stammt, erklärt ganz offen, wie er um ein Haar in die Abhängigkeit des „Hartz-IV“-Systems gekommen ist und wie ihn dieses geradezu demotivierte, selbst zu arbeiten. Es habe ihn viel Kraft gekostet, sich aus eigener Kraft aus diesem System zu befreien. Viele würden dies nicht schaffen (hier finden Sie seine ausführlichen Schilderungen im Livestream mit mir. Titel: Aus dem Sozialismus in den Sozialismus).
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