„Antirassismus“-Demo – Presse-Maulkorb von der Polizei

Ich sei „hirnverbrechig“: hätte mir jemand gesagt, dass mir unsere Polizei mal solche Vorwürfe macht, ich hätte ihn verrückt erklärt. Jetzt erlebte ich es bei der Anti-Rassismus-Demo – während Nackte vor den Augen der Beamten bei „gay pride“ marschierten. Es war eine Berichterstattung mit Hindernissen: Mein Versuch, einen Bericht von der Berliner „Antirassismus“-Aktion zu machen, brachte eine handfeste Überraschung. Während die Berliner Polizei seit Jahren Drogenhändler im Görlitzer Park gewähren lässt und bei anderen Kundgebungen und vielen Demonstranten auf die Corona-Regeln pfeift, wird bei Journalisten schon mal hart zugegriffen. Mein Kafka´esker Zusammenstoß mit den Ordnungshütern der Hauptstadt – den ich so noch vor drei Monaten eher in der DDR als in einem demokratischen Rechtsstaat für möglich gehalten hätte. Insbesondere die wiederholte Ankündigung des Beamten, er werde sich beim „Presserverband“ über mich beschweren, so in der alten Bundesrepublik nicht mal ansatzweise denkbar gewesen wäre. Er offenbart die Denkweise von Sowjetunion und DDR, wo Journalisten ebenso wie Schriftsteller von ihren jeweiligen „Verbänden“ auf Kurs gehalten und im Zweifelsfall diszipliniert, wenn nicht gar ausgeschlossen und damit zum Abschuss frei gegeben wurde. Hätte mir vor zwei Tagen jemand gesagt, dass ich mal mit solch einer Situationen in der Bundesrepublik konfrontiert werde – ich hätte nur den Kopf geschüttelt. Die Wiederkehr eines solchen Denkens ist zwar einerseits beunruhigend – andererseits ist sie auch absurd. Denn noch leben wir in einem freien Land, und ich habe weder einen Chef, noch bin ich Mitglied eines Berufsverbandes, bei dem man sich über mich beschweren könnte. Dass ein Journalist frei sein kann, liegt offenbar außerhalb der Vorstellungswelt von vielen. Die einzige Instanz, die für mich zählt, sind meine Leser. Und vor denen habe ich keine Angst – im Gegenteil.

Wobei der Vorwurf, „hinverbrechrig“ zu sein, doch schon eher an Orwell erinnert als an Kafka. Seit Wochen berichte ich jeden Samstag über die Demonstrationen in der Hauptstadt – und seit Wochen komme ich dabei aus dem Saunen nicht mehr heraus. Und mache mir große Sorgen: Was ich da erlebe, entspricht zumindest in Teilen dem, wie ich mir die letzten Jahre der Weimarer Republik vorstelle. Aber sehen Sie sich mein Video hier selbst an (und etwas später heute hier auf dieser Seite noch Bilder von der „gay pride“, die ich etwas später aktualisieren werde).

Unter dem Link finden Sie meine Presseanfrage zu der Thematik an die Berliner Polizei. Ich bin sehr gespannt auf die Antwort.

Presseanfrage an die Berliner Polizei vom 28.6.2020Sehr geehrte Damen und Herren,

bei der Kundgebung „Black live matters“ am 27.6.2020 am großen Stern kam es zu Kontroversen zwischen Beamten der Berliner Polizei und mir im Hinblick auf das Tragen eines Mundschutzes. Herr Cablitz bestätigte mir meine Sicht der Dinge, dass ich als Pressevertreter dazu nicht verpflichtet bin, insbesondere, da ich Videoaufnahmen mit parallelen Aufsagern – also Toneinsprechern – mache. Andere Beamten waren aber anderer Ansicht und untersagten mir die weitere Arbeit ohne Mundschutz.

Gestatten Sie mir dazu folgende Fragen:

1.) Auf welcher rechtlichen Grundlage gilt für Journalisten während der Ausübung ihres Berufes bei Veranstaltungen unter freiem Himmel die Pflicht zum Tragen von Mundschutz

a) generell?

b) während der Aufzeichnung von separaten oder parallelen Ton- und Videoaufnahmen/Aufsprechern?

2.) Inwieweit gilt eine mögliche entsprechende Pflicht, wenn sich Berichterstatter nur in der Nähe der Veranstaltung aufhalten wie teilweise in meinem Fall?

3.) Der Veranstalter und die Polizei drohten mir an, mich von der Veranstaltung zu verweisen wegen des Nicht-Tragens des Mundschutzes. Zu diesem Zeitpunkt war ich aber m.E. gar nicht auf der Veranstaltung, sondern außerhalb.

a) Inwieweit ist eine Verweisung eines Pressevertreters von einer Veranstaltung auf öffentlichem Grund unter freiem Himmel allein wegen des Nicht-Tragens eines Mundschutzes möglich und und ggf. auf welcher Rechtsgrundlage?

b) Inwieweit ist eine Verweisung eines Pressevertreters von der Umgebung einer Veranstaltung  unter freiem Himmel – also beim Befinden außerhalb, aber in der Nähe – allein wegen des Nicht-Tragens eines Mundschutzes möglich und ggf. auf welcher Rechtsgrundlage?

4.) Während ich wegen des Nicht-Tragens eines Mundschutzes keinen Zugang zur Veranstaltung bzw. zur Nähe der Veranstaltung bekam, waren zahlreiche andere Teilnehmer ohne Mundschutz unterwegs, was ich mit Videomaterial belegen kann. Polizisten waren hier teilweise in unmittelbarer Nähe und schritten anders als bei mir nicht ein. Auf welcher Rechtsgrundlage wurden Pressevertreter und Teilnehmer hier unterschiedlich behandelt?

5.) Bei der wenige Kilometer entfernten „gay pride“-Parade war ein erheblicher Teil der Teilnehmer ohne Mundschutz, ebenso bei diversen anderen Veranstaltungen in den vergangenen Wochen. Polizisten waren hier teilweise in unmittelbarer Nähe und schritten anders als bei mir nicht ein. Warum wurden hier andere Maßstäbe angelegt als am Großen Stern?

Da eine meiner letzten Anfragen automatisch als Beschwerde behandelt und an die Beschwerde-Abteilung weitergegeben wurde, weise ich hier ausdrücklich darauf hin, dass ich dies nicht wünsche (zumal ich mich mit den Beamten in gutem Einvernehmen getrennt habe) und das Ziel meiner Anfrage einzig und allein ist, die rechtliche Grundlage zu eruieren, um über diese zu berichten und auch anderen Kollegen für zukünftige Berichterstattung zu Rechtssicherheit zu verhelfen.

Besten Dank im Voraus und freundliche Grüße

Boris Reitschusterhttps://reitschuster.de/www.facebook.com/reitschusterwww.twitter.com/reitschuster


Bild: raphaelthelen/Wikicommons/Creative CommonsAttribution 2.0 Generic license

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