ARD: „Corona-Leugner“ nicht mehr nur Irre und Nazis, jetzt auch potentielle Terroristen

Zumindest ein klein wenig gärt es im System. Das bekomme ich direkt mit: Zum wiederholten Mal wurden mir direkt aus den öffentlich-rechtlichen Medien bzw. von pensionierten Mitarbeitern der Sender empört Hinweise auf Vorgänge und Beiträge dort zugespielt, die nach Auffassung der Kollegen zu weit gehen. Weil sie das im Kollegenkreis aus Angst vor Ausgrenzung und Karriere-Ende nicht ansprechen können, wenden sie sich an mich. Erst kürzlich bekam ich so ZDF-Interna zu Dunja Hayali zugespielt und den Hinweis auf einen unsäglichen Kommentar aus dem ARD-Hauptstadtstudio. Das jüngste Beispiel: Ein Beitrag des rbb, der unter anderem im MDR lief und ARD-weit den Hörfunkredaktionen angeboten wurde.

Dass in den Medien, vor allem in den öffentlich-rechtlichen, Kritiker der aktuellen Corona-Politik als Irre und Rechtsradikale hingestellt werden, ist nichts Neues. Neu ist hingegen, dass sie öffentlich-rechtliche Journalisten in Beiträgen in einen Zusammenhang mit Terrorismus stellen. Der Kollege (m/w/d), der mir den Beitrag aus dem eigenen Haus schickte, war jedenfalls entsetzt. In dem Stück wird die Sozialpsychologin Pia Lamberty zitiert mit den Worten: „Im schlimmsten Fall kann es durch den Verschwörungsglaube auch terroristische Anschläge legitimiert werden. Das haben wir in Halle gesehen, das haben wir in Hanau gesehen. Wenn sich da eine Gruppe immer weiter radikalisiert, sich gegenseitig bekräftigt kann es passieren, dass eine Person denkt, das wäre jetzt die letzte Konsequenz.“

Die falsche Formulierung in ersten Satz ist ausnahmsweise kein Tippfehler von mir – sondern steht haargenau so in dem Beitrag auf der rbb-Website. Ich lasse den Fehler extra so stehen, weil so die Manipulation durch diesen Satz zumindest sprachlich etwas gebrochen wird. Friedlicher Protest gegen die Corona-Maßnahmen wird hier in einen Zusammenhang gestellt mit den Anschlägen von Halle und Hanau. Die Formulierung „im schlimmsten Fall kann“ Terror „legitimiert werden“, die sprachliche Verbindung zu den schrecklichen Taten von Hanau und Halle sorgt dafür, dass in den Gedanken vieler Zuhörer und Leser ein entsprechendes Bild entsteht und hängen bleibt. Während rein formal nichts zu beanstanden ist. So als würde man sagen: „Im schlimmsten Fall kann Herr Müller seine Frau schlagen.“ Juristisch ist daran nichts auszusetzen. Und hängen bleibt in solchen Fällen immer etwas. Müller? Frau schlagen? War da nicht mal was?

Der gesprochene Beitrag, der über den Sender lief (anzuhören hier), geht übrigens noch weiter als der abgetippte. Da ist die Rede davon, dass Lamberty in den Parolen der Corona-Maßnahmen-Kritiker „durchaus den Nährboden für reelle Gewalt sieht.“ Jede Form von Beschimpfungen oder gar Bedrohung ist zu verurteilen. Aber interessant ist, dass Hassrede und Gewaltdrohungen etwa gegen Corona-Zweifler oder Journalisten, die nicht auf Linie sind, niemanden in den großen Medien interessieren. Wie wäre es denn mal mit einem Beitrag darüber? Material kann ich gerne zur Verfügung stellen.

So sehr ich die aggressiven Töne von Attila Hildmann ablehne – sie allein gestellt und zugespitzt zu Gehör zu bringen wie in dem Beitrag des rbb für die ARD ist nicht fair. Zur Radikalisierung Hildmann haben ganz wesentlich Gewaltdrohungen gegen ihn von Seiten Linker geführt. Die gingen so weit, dass man ihm drohte, seinen Hund umzubringen. Zu fairem Journalismus würde es gehören, auch diese Seite zu beleuchten und darzustellen, wie es zu der Spirale der Gewaltandrohungen kommt.

In den Medien hofierte Experten wie Lamberty scheinen dagegen nur „rechts“ Gefahren zu sehen. Und als „rechts“ brandmarken sie jeden, der von der gewünschten Linie abweicht, oder der die linksgrüne Ideologie und die Regierungspolitik kritisch reflektiert, in diesem Fall die Corona-Maßnahmen und ihre Folgen für die Gesellschaft.

Ginge es wirklich um Gewalt bzw. deren Prävention, hätte über die massiven Ausschreibungen bei einer linken Demo am selben Tag in Berlin viel größer berichtet werden müssen. Die wurden aber eher beiläufig erwähnt. Und in zahlreichen Medien wurden gar Verletzungen von Polizisten, die sie sich im Einsatz gegen die Linken zuzogen, der Corona-Maßnahmendemo zugeschrieben (siehe hier).

Im Vorspann eines Interviews mit Lamberty in der SPD-Zeitung „Vorwärts“ hieß es im Juni: „Pia Lamberty forscht an der Universität Mainz zu Verschwörungstheorien. Die Wissenschaftlerin sieht eine Verbindung zwischen Verschwörungstheorien und rechtsterroristischen Taten. Auch Antisemitismus spiele eine große Rolle bei Verschwörungserzählungen.“ Ich bin überzeugt: Echte „Verschwörungstheorien“ gibt es links ebenso wie rechts und im religiösen Milieu. Sie werden genau dadurch bestärkt, dass auch neutrale Kritik heute ständig als „Verschwörungstheorie“ gebrandmarkt wird, dass Zweifler als Irre und Nazis bzw. Nazi-Sympathisanten hingestellt und nun sogar in einen Zusammenhang mit Terrorismus gebracht werden.


„Neutrale Berichterstatter oder Moralibans – wie ticken unsere Journalisten?“ Viele wundern sich über die Berichterstattung in Radio, Fernsehen, Print und Online. Wie denken und funktionieren die Journalisten dort? Warum berichten sie so, wie sie berichten? Um dieses Thema ging es in meiner neuen Youtube-Sendung – in der ich auch auf Ihre Fragen geantwortet habe.


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Guten Abend aus Berlin!

Stellen Sie sich vor: Auf der Demonstration von „Querdenken 711“ in Berlin am Samstag hätten die Redner zu Ende sprechen können, es wären dann in den großen Medien Auszüge aus diesen Reden zu hören gewesen, darüber wäre gesprochen und diskutiert worden. In einer Talkshow hätten die Professoren Drosten und Kekulé dargelegt, warum die Redner Unrecht haben. Professor Bakhdi und Doktor Wodarg hätten engagiert widersprochen, die Diskussion hätte zwei Stunden gedauert, und am Ende hätte sich jeder ein Bild machen können, wer für ihn die besseren Argumente hat. Lothar Wieler, der Chef des Robert-Koch-Institutes, wäre in einer live übertragenen Pressekonferenz regelrecht gegrillt worden mit kritischen Fragen von Journalisten. Alle Widersprüche wurden kritisch hinterfragt. Und am Ende hatte jeder so viele Informationen, dass er für sich entscheiden konnte, ob sein Vertrauen ins RKI gerechtfertigt war.

Hat Reitschuster zu tief ins Glas geschaut, werden Sie sich nun fragen? Nein, hat er nicht. Er trinkt ohnehin so gut wie nichts, weil die Realität in Berlin heute so ist, dass man auch nüchtern ständig glaubt, man müsse wohl betrunken sein, weil sonst alles nicht zu erklären sei. Dass man bei dem, was ich da beschrieben habe, sofort fragt, „wie irre ist das denn?“, zeigt, wie sehr wir uns an den tagtäglichen Irrsinn gewöhnt haben. Und wie sehr wir entwöhnt sind von Zuständen, die eigentlich normal sein sollten.

Ein Leser schrieb mir, die Veranstalter von „Querdenken 711“ hätten ein Eigentor geschossen mit dem Ignorieren der Hygiene-Auflagen, weil sie so einen Vorwand zum Auflösen der Demonstration gegeben und damit selbst eine inhaltliche Diskussion verhindert hätten. Da ist einerseits etwas dran. Andererseits glaube ich nicht, dass bei Einhaltung der Vorschriften fair berichtet waren wäre – aus eigener Erfahrung mit anderen Demos.

Ein Leser schrieb mir erbost, ein Bekannter von ihm sei an Covid-19 gestorben, und es sei unverantwortlich, dass ich die Demonstranten in Berlin verteidige. Ich glaube, er hat mich falsch verstanden. Meine Aufgabe als Journalist ist es nicht, jemanden zu verteidigen. Ich bin für Kritik an der Missachtung der Hygiene-Vorschriften offen und würde niemandem wegen solcher Kritik Vorwürfe machen, solange sie sachlich ist. Ich maße mir kein Urteil zu Corona an: nur, dass die Krankheit gefährlich ist. Aber wie groß die Gefahr ist, wie man am besten mit ihr umgeht – darüber muss in meinen Augen offen, sachlich und fair diskutiert werden. Und diese Diskussion findet nicht statt. Und genau das ist der Grund dafür, dass so viele Menschen völlig das Vertrauen in Staat und Medien verloren haben. Und deshalb weigern sie sich jetzt, die Corona-Auflagen zu beachten. Mir selbst fällt das auch schwer, weil ich mich nicht als mündiger Bürger behandelt fühle und Politikern und Journalisten, sondern wie ein kleines Kind. Die Maske setzte ich mir mehr aus Rücksicht auf meine Mitbürger auf, denn aus Überzeugung. Ich will nicht, dass jemand wegen mir Angst hat – auch wenn ich mir vorstellen kann, dass seine Ängste überzogen sind.

Dass diese Zusammenhänge zwischen Widerstand gegen die Vorschriften und dem Vertrauensverlust nicht mal ansatzweise diskutiert werden, dass kaum Selbstkritik zu vernehmen ist, ist ein fatales Systemversagen des Journalismus. Stattdessen werden die Menschen, die das Vertrauen verloren haben, beschimpft. Als „Covidioten“ und als „Corona-Leugner“. Ich selbst habe noch niemanden getroffen, der Covid-19 leugnet, obwohl es solche Menschen sicher geben wird. Alle, mit denen ich sprach, sehen durchaus das Virus und seine Gefahr. Aber sie halten die Maßnahmen dagegen für nicht angemessen. Sie fordern, ernst genommen zu werden. Sie fühlen sich ungleich behandelt, wenn bei Anti-Rassismus-Demonstrationen keine Hygiene-Regeln eingehalten werden und trotzdem Lob von der Politik kommt. Wenn verschwiegen wird, dass es nach diesen Großdemos ohne Schutz keine erhöhten Corona-Zahlen gab. Wenn etwa nach einer Trauerfeier in Schwäbisch Gmünd vor einer Moschee mit vielen Infizierten oder den Feiern der „Partyszene“ kaum ein Aufschrei der Medien zu hören ist. Sie fordern Antworten. Offenheit. Glasnost. Und das ist in meinen Augen ihr gutes Recht.
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Wenn Journalisten und Presse diese Antworten bringen würden, wenn sie sich ehrlich machen würden, und wenn diese Antworten überzeugend wären, dann könnte man Verweigerer wirklich als Covidioten bezeichnen. So aber würde ich diejenigen, die so etwas schreiben, als Scheinheilige bezeichnen.

Der große österreichische Osteuropa-Experte Paul Lendvai hat die postkommunistischen Gesellschaften einmal als „vergiftet“ bezeichnet. Heute habe ich den Eindruck: Das gilt auch für die jetzige Bundesrepublik. Und wohl leider ebenso für die USA und viele andere westliche Staaten. Die Gräben gehen durch Familien, Freundschaften, Belegschaften, Sportvereine. Politiker wie der Leiter der „SPD-AG Migration“, die eine Ausweisung der Berliner Demonstranten forderten, und viele andere gießen Öl ins Feuer.

Zum Schluss noch kurz zu meiner Seite: Leser beklagten sich über den Gastbeitrag von Professor Bergemann, in dem dieser massive Kritik an der Nicht-Einhaltung von Hygieneregeln auf der Demonstration übte. Ich finde es ausgesprochen wichtig, Menschen mit unterschiedlichen Meinungen zu Wort kommen zu lassen. Sonst wäre meine Seite wie ARD und ZDF, denen ich ja genau vorwerfe, dass sie nur die eigene Meinung gelten lassen. Sie, meine lieben Leserinnen und Leser, sind ja alle erwachsen, und jeder von Ihnen kann sich eine eigene Meinung bilden. Dazu muss er aber unterschiedliche Sichtweisen kennen. Ich würde auch Herrn Restle und Frau Diekmann vom ZDF gerne die Möglichkeit zu einem Gastbeitrag bieten. Nur leider antworten sie nicht auf meine Briefe, obwohl ich etwa Restle aus Moskauer Zeiten recht gut persönlich kenne.

Technisch platzt die Seite aufgrund der massiv steigenden Besucherzahlen aus allen Nähten. Ich arbeite mit Hochdruck an dem Umzug auf die neue Plattform, der sich leider verzögert hat. Ich hoffe, in wenigen Wochen ist es so weit. Bis dahin muss ich Sie leider noch um etwas Geduld mit den Ladezeiten und dem Design bitten.

Sehr gut entwickelt hat sich mein Format mit den Live-Streams auf Youtube, also dem direkten Dialog mit Ihnen. Der letzte, zu den Corona-Demos, hatte binnen 24 Stunden 15.000 Aufrufe (anzusehen hier). Ich möchte deshalb dieses Format weiter ausbauen und hoffe auf rege Beteiligung – vor allem in Form von Fragen.

Da es jetzt das neue Tagesbriefing gibt, wo ich jeden Tag die neuesten Artikel versende und nach Möglichkeit noch Hintergründe hinzufüge (kostenlos zu abonnieren hier), löse ich das Wochenbriefing inhaltlich noch weiter von den Beiträgen auf der Seite. Ich will Sie nicht mit Wiederholungen gängeln.

Ganz zum Schluss noch ein Hinweis auf die erste größere Werbekampagne auf reitschuster.de, die Sie sicher schon bemerkt haben: Die Reklame für den Film „Kill me today“ mit Joachim Steinhöfel und Henryk M. Broder. Hier war ich in der glücklichen Lage, dass sich das wirtschaftlich Sinnvolle mit dem inhaltlich Sinnvollen deckt und ich Ihnen den Film vorbehaltlos empfehlen kann.

Ich freue mich auf viele neue Treffen auf der Seite!

Herzlich
Ihr
Boris Reitschuster

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