Nach dem islamistischen Anschlag eines Irakers auf der Berliner Stadtautobahn werden nun brisante Umstände bekannt: Obwohl der Mann ausreisepflichtig war, konnte er den Führerschein machen und ein Auto auf sich anmelden. Der 30-Jährige Sarmad A. hatte am 18. August mit seinem Auto auf der A100 absichtlich Motorradfahrer angefahren. Sechs Menschen erlitten dabei Verletzung, drei von ihnen schwer. Der Mann führte zum Tatzeitpunkt ein Küchenmesser sowie einen Gebetsteppich mit sich. Am Tatort soll er auf Arabisch gesagt haben, dass „alle sterben“ müssten. Zudem wird von „Allahu akbar“-Rufen berichtet. Ersten Ermittlungsergebnissen zufolge war „bizarrer religiöser Wahn“ das Tatmotiv.
Wie aus einer Antwort der Berliner Stadtregierung auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Marcel Luthe hervorgeht, machte der mutmaßliche Täter noch am 9. August 2019 seinen Führerschein – zu einem Zeitpunkt, als er sich bereits außerhalb der Bundesrepublik hätte aufhalten müssen. Insgesamt hat der Mann fünf Mal eine Duldung von der Berliner Ausländerbehörde erhalten, die erste im Juni 2017, die letzte im Mai 2019 ausgesprochen. Auch wer eine so genannte „Duldung“ hat, ist weiter zur Ausreise verpflichtet.
Sarmad A. habe eine Duldung gehabt, weil Deutschland grundsätzlich keine Menschen in Bürgerkriegsgebiete abschiebe, hatte Berlins Innensenator Andreas Geisel (früher SED, heute SPD) nach der Tat gesagt. Nun stellt sich aber heraus, dass auch fehlende Ausweispapiere eine Rolle gespielt haben. „Für die Beschaffung irakischer Rückreisedokumente war die Vorlage eines irakischen Ausweises im Original sowie eine Freiwilligkeitserklärung des Ausreisepflichtigen erforderlich. Beides lag in Bezug auf den Betroffenen nicht vor“, schreibt der Senat in seiner Antwort an Luthe.
Diese enthält auch Angaben zur Einreise des mutmaßlichen Attentäters. Demnach reiste Sarmad A. am 16. März 2016 aus Finnland nach Deutschland ein. Der skandinavische Staat ist ein sicherer Drittstaat im Sinne des Grundgesetzes, sein Asylgesuch dort war abgelehnt worden. Laut Grundgesetz hatte Sarmad A. damit keinen Anspruch auf Asyl in Deutschland. Sein Asylantrag wurde denn auch von den bundesdeutschen Behörden am 27. Februar 2018 abgelehnt.
Interessant auch: Laut Senat verfügte Sarmad A. über „Aliaseintragungen“ in den behördlichen Unterlagen „aufgrund leicht unterschiedlicher Schreibweisen des Namens, die bei arabischen Namen häufiger vorkommen“. Unklar ist, wie Sarmad A. von seinen Bezügen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von 351 Euro pro Monat einen Opel Astra finanzieren und die Führerscheinprüfung machen konnte. Führerscheine aus dem Irak werden in Deutschland nicht einfach umgeschrieben – es ist eine neue theoretische und praktische Prüfung notwendig, die bezahlt werden muss. Zudem ist davon auszugehen, dass Sarmad A., wenn er keine Personaldokumente besaß, auch nicht im Besitz eines Führerscheins war. Dann musste er die gesamte Führerscheinausbildung mit allen Pflichtstunden durchlaufen. Die Kosten hierfür sind erheblich.
Bemerkenswert ist auch, dass jemand, der von Bezügen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz lebt, ein Auto auf sich zulassen kann. Laut Behörden wird der Aufenthaltsstatus des Antragstellers nicht erfasst, wenn jemand ein Auto auf sich zulässt. Insofern gibt es auch keine Angaben darüber, wie viele abgelehnte Asylbewerber und Geduldete im Besitz eines eigenen Kraftfahrzeuges sind.
Der Liberale Luthe wirft den Behörden Versagen vor und sieht eine Ähnlichkeit zum Anschlag auf den Breitscheidplatz. Der dortige Attentäter, Anis Amri, war zuvor Drogenhändler. Und obwohl ihn die Polizei als Gefährder erfasst hatte, überwachte sie ihn nicht. „Schon wieder ist ein Islamist aus einem sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist, und schon wieder gelang es den Behörde nicht, ihn abzuschieben, und obwohl seine Identität nicht zweifelsfrei geklärt war, konnte er ein Auto auf sich zulassen und einen Führerschein erwerben“, sagt Luthe. Die Causa belege, dass Berlins rot-rot-grüner Senat seine eigene Einwanderungsbehörde nicht im Griff habe.
Sarmad A. war bereits vor dem Anschlag auf der Stadtautobahn zweimal Gegenstand von Ermittlungen wegen Körperverletzung, die aber einmal eingestellt wurden und einmal mit einem Freispruch endeten. In einer Parlamentssitzung Ende August musste Innensenator Geisel auf Nachfrage Luthes eingestehen, dass es gar keine gesicherten Erkenntnisse gibt, dass der Mann wirklich Iraker ist: „Die Situation ist tatsächlich so, dass wir uns auf die Schilderungen des Täters beziehen, der geschildert hat, dass er aus dem Irak stammt. Da er aber über keinen Pass verfügte, sind entsprechende Nachweise in den letzten Jahren nicht verifiziert worden.“ Nach dem Anschlag wurde dieser in den Medien teilweise verharmlost (siehe den Artikel „Anschlag in Berlin: Hauptsache, den Terror verharmlosen„). Luthe wollte Anfang September dem Berliner Senat in einer Rede vorwerfen, dass er lieber Bürger statt Kriminelle verfolgt. Die Rede wurde im Abgeordnetenhaus aber nicht zugelassen. Sie ist hier zu finden.