Berlin: Daten-GAU statt Soforthilfe

Dass die Verantwortlichen in Berlin keinen Flughafen bauen können, ist hinlänglich bekannt. Ebenso wie die Unfähigkeit des rot-rot-grünen Senats der Hauptstadt in vielen anderen Dingen, die aufzuzählen den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Insofern kann man sich auch kaum wundern, dass nun bei den versprochenen Soforthilfen für Klein- und Kleinstunternehmer an der Spree alles drunter und drüber geht. Betroffene berichtet von einem Chaos, dass abenteuerlich klingt – aber für alle, die sich ein wenig mit Deutsch–Mogadischu befasst haben, wenig überraschend kommt. Wenn sich eine Regierung jahrelang auf Unisex-Toiletten, Frauen-Pissoirs, das Schaffen von Verkehrshindernissen für Autofahrer und ähnlichen ideologischen Klimbim konzentriert, wenn man bei einem ewig nicht fertiggestellten Flughafen schon vor der Eröffnung die Klimaneutralität zur Priorität macht und die Flughafengesellschaft einem Aktionsbündnis gegen Homophobie beitritt, wenn eine Stadt ihre Behörden in einen Zustand bringt, in dem sie nicht einmal mehr den Drogenhandel unterbinden können, leiden andere Dinge, die in einer Krise existentiell wichtig sind.

In der Hauptstadt ist die „Investitionsbank Berlin“ für die „Unterstützung für Berliner Unternehmen“ bei Liquiditätsengpässen wegen des Coronavirus zuständig, insbesondere für die Kleinstunternehmer, die wegen Verdienstausfällen ihre Miete oder andere Ausgaben nicht mehr bestreiten können und um ihre Existenz bangen müssen. Ab Freitag Mittag, so war seit Tagen angekündigt, sollten die ausschließlich online zu stellenden Anträge für Finanzhilfen auf der Website der Investitionsbank zur Verfügung eingereicht werden können. Theoretisch. „Punkt 12 Uhr wurde das Online-Formular für die Förderanträge freigeschaltet – und der Server brach umgehend zusammen“, berichtet der RBB. Ein Leser bestreitet dies in einem Brief an mich: „Die Seite war erst ab 13 Uhr am Freitag freigeschaltet. Wir waren um kurz nach 13 Uhr schon bei etwa 33000 Antragstellern vor uns. Am Samstag gegen 20:25 waren wir an der Reihe“.

200 Anträge seien in der ersten halben Stunde erfolgreich eingegangen, so die landeseigene Bank. Und weiter: Es habe 20.000 Anfragen gleichzeitig gegeben. Am frühen Nachmittag seien mehr als 60.000 Nutzer in der Warteschlange gewesen. Die Rechnung, die der RBB nicht macht: Bei 200.000 Kleinunternehmern, die inzwischen laut IBB eine Hilfe beantragen wollen, und 200 erfolgreichen Antrags-Eingängen pro halber Stunde, wären selbst bei einem Zehn-Stunden-Tag zehn Arbeitswochen notwendig, um alle Anträge auch nur eingehen zu lassen. Ganz zu schweigen von vielen weiteren Anträgen, die zu erwarten sind (schließlich kamen viele gar nicht einmal mehr in die Warteschlange), und der sicher noch zeitaufwändigeren Bearbeitung der Anträge.

Eine Hochrechnung bleibt auch das Hauptstadt-Blatt „Tagesspiegel“ schuldig: „Die erste Million ist schon ausgezahlt“ heißt es lobend in einer Überschrift der Zeitung. Die klingt toll – die Zahlen dahinter jedoch gar nicht: 110 Kleinunternehmer waren es, die am Freitag in Berlin den Corona-Zuschuss überwiesen bekamen. Eine Hochrechnung, wie lange die meisten der Insgesamt 200.000 Interessenten in der digitalen Warteschlange bei solchen Bearbeitungszeiten warten müssen, fehlt in dem Blatt. Sie würde wohl den durch die Überschrift vermittelten Optimismus bremsen.

Als ich am Freitag Abend die Seite testen wollte, bekam ich nur folgende Anzeige zu Gesicht:

Der Antrag selbst war ebenso wenig zu finden wie eine Möglichkeit, sich für die Warteschlange anzumelden.

Ein neuer Versuch am heutigen Samstag war nicht erfolgreicher:

Damit spottet die Umsetzung regelrecht den Ankündigungen, Kleinunternehmern unbürokratisch aus der Patsche zu helfen und sie vor der Zahlungsfähigkeit zu retten.

Vor diesem Hintergrund wirken andere Pannen, die in normalen Zeiten für großen Unmut sorgen würden, eher weniger dramatisch:

So berichteten Antragsteller über technische Fehler und Datenpannen bei den Online-Anträgen. Einer schilderte auf Facebook, wie er anstelle des eigenen Antrags detaillierte Daten „wildfremder Menschen in Berlin“ habe herunterladen können – während sein eigener Antrag für ihn spurlos verschwunden sei. Ein anderer Nutzer berichtete RBB von einem ähnlichen Vorfall: „Wenn man nach dem Ausfüllen seinen Antrag runterladen wollte, bekam man den Antrag eines anderen Antragstellers inkl. Adresse, Ausweisnummer, Steuer-ID, Geschäftsform, Bedarf und Bankverbindung.“ Er befürchte, dass seine Daten wiederum jetzt ein völlig Fremder habe.“

Eine andere Nutzerin schrieb dem Sender in einer Mail, Anträge konnten für eine „geraume Zeit“ nicht vollständig abgeschlossen werden. „Es kommt immer die Nachricht ,Ihr Formular wird gespeichert´ und teilweise haben Antragssteller Bestätigungen für Anträge erhalten, die nicht ihre waren.“

 

Auf Twitter-Nutzerin schrieb eine Frau, am Freitag sei außerdem die Warteschlage für den Zugriff auf das Antragssystem unterbrochen worden: „Andere Bundesländer haben schnell ein PDF Formular zur Verfügung gestellt, nur Berlin nicht.“

In ruhigen Zeiten fanden viele das politisch gewollte Chaos in Berlin inklusive freiem Drogenverkauf schick. Jetzt in der Krise zeigt sich, welche dramatischen Folgen es haben kann.


Bild: Unsplash

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