Eigentlich muss man dem ZDF-Komiker Jan Böhmermann dankbar sei. Er hat gerade wieder einmal selbst entlarvt, was er – und viele Gleichgesinnte – unter „Hass und Hetze“ verstehen und wo für sie der „Rechtsextremismus“ anfängt: Bei Widerrede und Kritik von Menschen, die nicht links sind, auch aus der Mitte der Gesellschaft. Im konkreten Fall wendere das Aushängeschild des Mainzer Senders faktisch Haltungs-Sippen-Haft für einen FDP-Politiker an. Der Fall, der auf twitter hohe Wellen schlug, ist bizarr. Und beispielhaft:
„Ich bin dafür, dass jemand, der unter 50 Jahre alt ist und dessen beide Eltern nicht in Deutschland geboren worden sind, die nächste deutsche Bundeskanzlerin wird“ – das hatte der ZDF-Satiriker 2018 auf twitter geschrieben. Vor wenigen Tagen kommentierte das Benedikt Brechtken, Student und bei der Nachwuchsorganisation der FDP aktiv, mit zwei Worten und einem Fragezeichen: : „Ivanka Trump?“.
Ein geistreicher und völlig harmloser Scherz. Sollte man meinen. Böhmermann jedoch rückte Brechtken dafür in die Nähe dessen, was er als „Kernfaschos der Identitären Bewegung“ bezeichnet. Das Vergehen des jungen Liberalen: eigentlich gar keines. Der Sprecher der von ihren Gegnern – aber nicht vom Verfassungsschutz – als rechtsextrem bezeichneten Identitären Bewegung (IB) Österreichs, Martin Sellner, hatte Böhmermanns Wunsch nach einer jungen Kanzlerin mit Migrationshintergrund ironisch damit beantwortet, dass er sich selbst ins Spiel brachte. Beide hatten also mit Spott auf Böhmermann reagiert.
Der gebührenfinanzierte Komiker haute daraufhin den jungen Liberalen und den umstrittenen Identitären in eine Pfanne:
Die Gedankenakrobatik und Selbstgerechtigkeit des ZDF-Mannes ist atemberaubend: Nach seiner Logik dürfte ihn, weil Rechtsextreme einen Tweet von ihm aufgreifen, niemand mehr deswegen kritisieren oder sich auch nur einen Witz erlauben. Wenn man diese Böhmermann´sche Logik zu Ende denkt, dürften Rechtsextreme künftig bestimmen, wenn man noch kritisieren darf. Aber so denkt Böhmermann allem Anschein nach seine Aussagen nicht zu Ende.
Als erste Kritik an dem Komiker wegen seines Tweets aufkam, spottete er auf twitter weiter: „Ein ganz normaler Freitag in der liberalen Kommantarbubble von FDP, NZZ und Welt. Meine Befürchtungen, Liberale hätten Schwierigkeiten sich von Rechtsextremen abzugrenzen, waren vorschnell und falsch. Entschuldigung, es liegt nicht an Euch, es ist alles meine Schuld!“
Anlass dafür war, dass ein Kritiker Böhmermanns über die Stränge geschlagen und ihn als „Neonazi“ bezeichnete – also faktisch nicht viel mehr getan hat, als Böhmermann fast schon regelmäßig mit seinen Kritikern tut. Der Attackierte Liberale Brechtken schrieb dazu: „,Unter Böhmermanns Tweets waren auf der anderen Seite Dutzende Kommentare, die mich und/oder meinen Kreisverband in die rechtsextreme Ecke rückten, mit dem absoluten Höhepunkt, dass ein Kommentar uns ,Recklinghausener Zelle´ nannte, also einen klaren Bezug zum Rechtsterrorismus herstellte.“
Zu solchen Kommentaren habe sich Böhmermann nicht geäußert, moniert Brechtken: „Im Gegenteil: Er blendete zahllose Kommentare von Liberalen und Konservativen, die sich klar gegen den rechten Rand positionierten, unter seinem Tweet aus, so dass auch andere Twitter-Nutzer diese Positionen nicht mehr lesen konnten. Linksextreme Hetze ließ er also zu, Protest aus der Mitte wurde ausgeblendet, Bravo!“
So nahe die Versuchung liegt, Böhmermann nicht ernst zu nehmen: Man muss das leider tun, aufgrund des großen Einflusses, den er hat – allein mit mehr als zwei Millionen Followern auf twitter (prüfen kann ich diese Zahl leider nicht, da auch ich von ihm auf Twitter blockiert wurde, obwohl ich mich nicht erinnern kann, jemals auf seiner Seite irgendetwas kommentiert zu haben – der Mann scheint wirklich ein Problem im Umgang mit anderen Meinungen zu haben).
Böhmermanns auch in Followern messbare Popularität hat damit zu tun, dass er eine Symbolfigur für den linksgrünen Zeitgeist ist. Und so wie er denken sehr, sehr viele, vor allem in den Eliten in Politik und Journalismus. Für sie beginnt der rechte Rand rechts von Angela Merkel. Selbst FDP und Teile der CDU und erst recht der CSU stehen für sie für den eingebildeten „Rechtsruck“ – der kaum mehr zu sein scheint als ein Widerstand gegen die linksgrüne Hegemonie in Medien und Politik, die schleichend entstanden ist. Einst bekämpften die Kommunisten mit Hilfe von Stasi und KGB Andersdenkende, indem sie sie als Faschisten diffamierten. Heute bekämpfen viele Journalisten und Politiker Menschen mit anderer Meinung mit Hilfe von twitter und Co., indem sie sie als „Rechte“ diffamieren. Anders als damals nutzen sie dabei keine Gewalt – weswegen eine Gleichsetzung absurd wäre. Die Ähnlichkeit der Muster nicht zu sehen, wäre aber naiv. Ebenso wie Parallelen zur Mc-Carthy-Ära in den USA – die absurden Hexenjagd gegen Kommunisten, die McCarthy uns seine Brüder im Geiste überall witterten.
Wer wie Böhmermann und Gleichgesinnte überall Nazis wittert und Menschen bereits wegen eines harmlosen und guten Witzes in die rechtsextreme Ecke drängt, instrumentalisiert damit nicht nur auf unerträgliche Weise echten Rechtsextremismus und damit auch nationalsozialistisches Gedankengut – er verharmlost und bagatellisiert genau dieses damit auch unverantwortlich und hilft so echten Rechtsextremen und (Neo-)Nazis, unerkannt zu bleiben. All das geschieht, weil die linksgrünen Haltungskrieger wie Böhmermann mit ihren Dogmen an der Realität gescheitert sind, und verzweifelt die Lufthoheit über dem Meinungskorridor verteidigen wollen – damit niemand ihr Scheitern und ihr Fehlen von guten Argumenten bemerkt.
Böhmermanns Angriff auf den jungen FDP-Politiker zeigt: Er und die gleichgesinnten Ideologen von ganz links, die sich heute als Mitte fühlen, sind in Wirklichkeit nackt.
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