Bevor Sie sich jetzt über meine Überschrift wundern oder ärgern, lassen Sie mich erklären, wie ich zu ihr komme. Tatsächlich könnten Sie einwenden, wenn ein Gericht in letzter Instanz entscheidet dass eine umstrittene Handlung keine Bestechung ist, dann ist sie auch keine Korruption. In der Tat. In seiner Entscheidung, in welcher der Bundesgerichtshof jetzt die so genannten „Maskendeals“ legalisierte, schreiben die Richter: Allein die Tatsache, dass sich ein Mandatsträger „bei außerparlamentarischen Betätigungen auf seinen Status beruft, um im Interesse eines Privatunternehmers Behördenentscheidungen zu beeinflussen“, erfülle nicht das Merkmal der Bestechlichkeit.
Genau das, was der Bundesgerichtshof hier aber vom Vorwurf der Bestechlichkeit freispricht, ist im landläufigen Sinne als „Korruption“ verrufen. Insofern ruft das Urteil auch bei vielen – wie mir – Kopfschütteln hervor. Dabei liegt die Ursache für dieses Kopfschütteln noch tiefer als bei dem Gerichtsentscheid: Die Richter betonten nämlich, wie JF schreibt, dass der Gesetzgeber, falls er eine Strafbarkeitslücke erkennen sollte, darüber befinden kann, „ob er sie bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen will“. Zwischen den Zeilen bedeutet diese Aussage: die aktuelle Gesetzgebung legitimiert diese Art der Korruption. Sollte der Bundestag das für problematisch halten, müsste er halt die Gesetze ändern.
Zur Erinnerung: Die Provisionen aus den Maskendeals, die Alfred Sauter, CSU-Abgeordneter im Bayerischen Landtag und Georg Nüßlein, der für die CSU bis 2021 im Bundestag saß, mit einfädelten, sind legal, und beide dürfen sie behalten: Sauter 1,24 Millionen Euro, Nüßlein 660.000 Euro. Die Christsozialen hatten 2020 zu Beginn der Corona-Krise, als die Nachfrage nach Masken riesig und das Angebot minimal war, den Kontakt zwischen einem bayerischen Geschäftsmann und den Gesundheitsministerien in Berlin und München hergestellt, um Maskengeschäfte auf den Weg zu bringen. Offenbar ging es ihnen da nicht nur um die Gesundheit, sondern auch um den eigenen Geldbeutel.
Als die Deals und die Provisionen 2021 bekannt wurden, gab es einen Sturm der Entrüstung. Der Bundestag hob die Immunität Nüßleins auf, es kam zu Durchsuchungen in seinen Büros und Privaträumen. Nüßlein verließ die CSU, Sauter die CSU-Landtagsfraktion. „Sowohl Nüßlein als auch Sauter hatten bei der Anbahnung der Geschäfte darauf aufmerksam gemacht, daß sie Bundestags- beziehungsweise Landtagsabgeordnete seien, allerdings die E-Mail-Adressen ihrer Kanzleien genutzt“, schreibt die JF.
Die Causa ist ein Beispiel für Doppelmoral: Einerseits war damals der Aufschrei groß – völlig zu Recht. Wer ein öffentliches Wahlamt in Krisenzeiten dazu nützt, um sich auf Kosten der Steuerzahler zu bereichern, handelt verwerflich. Andererseits hat es der Bundestag bis heute nicht für nötig gehalten, so ein Ausnutzen des Amtes unter Strafe zu stellen. Genau das ist „Diskreditierung der staatlichen Institutionen“ – die unsere Regierung und der ihr treu als Bekämpfer von Andersdenkenden ergebene Verfassungsschutz Andersdenkenden im Stile der DDR vorwerfen.
Text: br