Die Hauptstadt in den Zeiten der Corona-Krise: Pralles Leben in der Fußgängerzone in der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg, sehr viele Menschen, die Cafés, Bars gut gefüllt – auch die Tische auf der Straße. Alle Geschäfte offen – so, als gäbe es das Virus gar nicht.
Umso größer der Kontrast, wenn man Zuhause ankommt, und ein Video ansieht, das einem ein Freund zuschickt hat:
Zehn Seiten Todesanzeigen in der Lokalzeitung im italienischen Bergamo. So unendlich traurig. Und so ein grober Widerspruch zu der Sorglosigkeit draußen auf der Straße.
Der Spiegel-Peking-Korrespondent hat gerade beschrieben, wie sehr ihn die Sorglosigkeit in Deutschland nach seiner Rückkehr aus China am Donnerstag verwunderte. Das begann schon am Flughafen Schönefeld, wo niemand die aus dem Land der Mitte Ankommenden prüfte oder registrierte. Nach einem Bericht von WDRforyou kamen auch Flug-Passagiere aus dem Iran, dem nach China am schwersten betroffenen Land weltweit, ohne jede zusätzliche Kontrolle nach Deutschland.
Der Virologe Alexander Kekulé hat sich schon am 28.01.2020 erstaunt gezeigt, warum an den deutschen Flughäfen nicht entschiedenere Maßnahmen ergriffen worden sind, um die Ausbreitung des Virus in Deutschland zu verhindern. Am gleichen Tag hatte das ZDF noch gemeldet: „Spahn ruft zu Gelassenheit auf“.
Diese Probleme sind nicht die einzigen. Während in den wichtigsten Nachrichtensendungen vor allem von ARD, ZDF und Co. das Corona-Krisenmanagement in Deutschland gelobt und das in den USA und Großbritannien scharf kritisiert wird, zeichnen zahlreiche Einzel-Berichte ein Bild von haarsträubendem Versagen und Inkompetenz. Hier eine Übersicht – nicht für schwache Nerven:
Eine bekannte Lehrerin in Berlin schildert, wie sie am vergangenen Donnerstag plötzlich hohes Fieber, Halsschmerzen, Atembeschwerden und Husten hatte. Sie rief daraufhin bei ihrer Hausärztin an und bat um eine Krankschreibung und einen Hausbesuch – genauso wie dies empfohlen wird, um Kontakte von möglichen Infizierten zu minimieren. Ihr wurde beides verweigert – sie musste selbst in die Hausarzt-Praxis kommen. Ein Test auf den Corona-Virus wurde ihr ebenfalls verweigert, weil sie nicht nachweisen konnte, mit Infizierten in Kontakt gekommen zu sein.
Die Tempelhofer Firma TIB Molbiol produziert Test-Kits auf das Covid-19-Virus für Kunden in 60 Ländern. Ihr Gründer Olfert Landt beklagt ein Versagen der Verwaltung: Rund 2,50 Euro koste einer seiner Tests, erklärt Landt. Mit Arbeitskosten und dergleichen dürften die Labore eigentlich nicht mehr als zehn Euro verlangen, rechnet er vor. Dass ein Test um die 300 Euro kosten solle, könne er sich nur mit einer ,riesigen Geldverschwendung´ erklären. Marisa Kurz schreibt aus München: „Ich war Wahlhelferin heute in München, es gab nicht mal Desinfektionsmittel um ab und zu die Tische und Stifte abzuwischen. Meiner Meinung nach hätte man die Wahl in München absagen müssen, weil München bayernweit am stärksten betroffen ist (etwa 250 bekannte Fälle). Irgendwo auf dem Land in Bayern ist das schon okay, aber München hätte ich echt abgesagt.“
Tina Spanger-Mettjes schreibt:
„Definitiv wird nicht ausreichend getestet! Vier mir persönlich bekannte Beispiele:1.) Wir selbst sind in Homeoffice geschickt worden, weil ein Mitarbeiter in dem Bürokomplex, in dem wir arbeiten positiv getestet wurde. Nur die Leute, die direkten Kontakt hatten, wurden getestet. Küche, Bistro, WC und Unterlagen haben wir aber mit dem Kollegen geteilt. Getestet wurden wir nicht.2.) Bekannter 1 kommt aus Urlaub zurück mit Symptomen. Der CHEF hat ihm nahegelegt, sich nicht zu testen, weil er sonst die Firma schließen müsste!3.) Bekannter 2 kommt aus Urlaub zurück mit Symptomen, geht zum Arzt. Der Arzt bestätigt eine Virusinfektion, sagt aber dass sie mal besser nicht testen um Wirbel zu vermeiden ! 4.) Meinen Enkel mit 41 Fieber und Husten seit 3 Tagen haben wir heute vergeblich versucht testen zu lassen. 6 Stunden Warteschleifen und Telefonate!! Nicht mal ein Arzt, der ihm die Lunge abhört, war aufzutreiben!“
Eine Freundin von mir mit engem Draht in die Berliner Verwaltung schreibt:
„Eine nachgewiesen infizierte Frau lebt seit langem nicht mehr in ihrem Flüchtlings-Wohnheim, das vom Gesundheitsamt bis 23.03. unter Quarantäne gestellt wurde. Der Fall wird intern verharmlost – die Frau, so wird beschwichtigt, habe wohl gar nicht mehr dort gelebt. Bewohner des unter Quarantäne stehenden Hauses konnten noch am Donnerstag im Amt vorsprechen. Kollegen machten sich lustig über eine Mitarbeiterin, die nach dem Besuch der Bewohner des unter Quarantäne stehenden Hauses die Kontaktflächen und den Tisch desinfizierte, an dem die Flüchtlinge gesessen haben.“
Eine Bekannte, Lehrerin, erzählt: „Es ist völlig unklar, wie es weitergeht, wir Lehrer müssen alle am Dienstag noch in die Schule, und voraussichtlich auch am Mittwoch, mit dem öffentlichen Nahverkehr in meinem Fall. Mir macht das Angst. Wozu müssen wir da alle hin, wenn die Schüler weg sind? Warum können wir uns nicht online absprechen? Was bringt es, die Schüler Zuhause zu lassen, wenn ich dann das Virus selbst zu meinen Kindern nach Hause bringe?“
Eine russische Freundin klagt: „Ich habe ein feines Gespür für Sozialismus. Und ich spüre hier in Berlin Sozialismus. Völlig überforderte Behörden, die lügen, das Gewünschte für das Wirkliche ausgeben. Bevor ich vor einem Jahr nach Deutschland kam, hatte ich so eine hohe Meinung von dem Land. Jetzt bin ich einfach nur geschockt. Die Behörden schützen nicht ihre Bürger, es geht ihnen offenbar nur darum, keine Verantwortung zu übernehmen. Das ist genau das, was ich von Zuhause aus dem Sozialismus kenne“.
„GRENZE LÖCHRIG WIE SCHWEIZER KÄSE? Brisant: Deutsche Grenzkontrollen offenbar nur lückenhaft“ – unter dieser Überschrift schreibt die Österreichische Zeitung „Wochenblick“: „In der Praxis stellt sich aber nun heraus, dass Bekenntnisse zum Grenzschluss in unserem Nachbarland vor allem Lippenbekenntnisse sind. Denn offenbar kontrollieren die deutschen Behörden vor allem die wichtigen Grenzübergänge. Die Salzburger FPÖ-Chefin Marlene Svazek etwa weiß aus erster Hand von einem unkontrollierten Posten zu berichten.“
Michael Sauerbier, Chefreporter der Bild Berin-Brandenburg, schreibt auf twitter:
„Aus Ägypten in Schönefeld gelandet. 200 Urlauber ohne Mundschutz & Handschuhe, viele husteten. Sie waren 1-2 Wochen mit Italienern, Niederländern, Briten, Franzosen, Polen und Tschechen in All-Inclusive-Hotels, wo alle am Buffet dieselben Löffel anfassen, 300 zeitgleich im Restaurant. 0 Kontrolle bei Abflug und Ankunft, laufen jetzt durch Berlin.“
Hotelchef (Ägypten, 1200 Betten): „Können Abläufe am Buffet nicht so schnell ändern, Virus kriegt eh jeder.“ Stewardess (Türkin, Onur Airlines): „Haben keine Masken für Passagiere. Sie können ja noch aussteigen.“ Bundesregierung: „Ägypten kein Risikoland“ trotz Toten 6500 Berliner Arztpraxen haben nicht die nötige Schutzausrüstung – immer mehr wollen schließen. Ist Berlin jetzt schon ein Katastrophenfall?
Wirtschaftsminister Altmeier bei „Hart aber Fair“ in der ARD: „“Bei der Kinderbetreuung, kann man sich innerhalb der Nachbarschaft helfen, meine Kollegen machen es auch so.“ Der Virologe in der Runde: „Genau das wollen wir eigentlich verhindern.“
Ein Freund aus Aachen schreibt: „Ich habe in meinem privaten Umfeld Furchtbares erleben müssen. In einer unserer Wohnungen in Bonn lag vier Wochen der Mieter tot in der Wohnung. Ich habe mehrmals in den drei Wochen die Polizei angerufen ,keiner wollte kommen, weder das Ordnungsamt noch der psychiatrische Dienst, erst als ich allen gedroht habe, kamen sie und beim betreten des Hausflurs haben sie schon den Leichengeruch wahrgenommen, den wir vier Wochen ertragen mußten. Daher halte ich nichts mehr von deutschen Institutionen. Sie haben gesagt sie könnten nichts tun, obwohl der Geruch ekelhaft war. In Litauen wäre sowas niemals passiert. Wir wissen nicht, ob er an dem Corona-Virus gestorben ist, er hatte Lungenkrebs gehabt, war angeschlagen. Die Polizei teilte uns aber die Ursache nicht mit. Da in D die Toten nicht getestet werden, liegt die Vermutung nahe. Normalerweise gibt die Kripo eine Pressemeldung raus, diesmal jedoch nicht. Warum, ich kann es nur vermuten, dass kein Journalist uns kontaktieren sollte.“
„Ich bin erschüttert über das Katastrophenmanagement dieser Bundesregierung“, klagt der Allgemeinmediziner Stephan Höhne aus Wandlitz bei Berlin: „Wir haben weiterhin keine Schutzmasken erhalten, wir warten seit mehreren Wochen auf die Lieferung von Desinfektionsmittel.“ Er vermisse eine Führung in der Krise, kritisiert der Arzt: „Es gibt ganz, ganz unterschiedliche Aussagen von unterschiedlichen Gesundheitsämtern, schon über die Landkreise hinweg, Patienten die in einem Landkreis wohnen und im anderen Landkreis arbeiten werden ganz unterschiedlich beraten, wir haben keinerlei Unterstützung in der Patientenkoordination, im Gegenteil, wir erfahren eine Verunsicherung der Patienten über die Gesundheitsämter, die weiterhin größere Testverfahren ablehnen. Wir testen viel, viel zu wenig, um ein Cluster zu eruieren, wie denn die Verbreitung ist.“
Auf dem twitter-Account des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe war vom 29. Februar bis einschließlich 13. März, also fast zwei Wochen lang, keine einzige aktuelle Corona Meldung zu finden. Erst am 14. wurde angefangen, ausführlich zu berichten.
Die aktuellste Nachricht am 13. März:
„Im Volksglauben als Tag des Unglücks verschrien – aus Sicht des Bevölkerungsschutzes ein Datum zur Prävention: Freitag, der 13. ist #Rauchmeldertag. Rauchmelder können Leben retten & wir haben ein paar wichtige Informationen für Sie zusammengestellt.“
Und vom Tag davor, 12. März:
„Im BBK verwenden wir eine Reihe von Abkürzungen. Eine davon ist #NINA. Hätten Sie gewusst, was das bedeutet?“
11. März: „#DAMALS … 2002, vor sich hin rostende Notenblätter brauchen Hilfe! #BevSMag (S. 18) schildert ein weitgehend unbekanntes Problem des Kulturgutschutzes und die Rettungsaktion.“
Ein naher Verwandter aus Bayern schreibt: „Gestern in Neusäßer Wahllokal .. weit und breit kein einziges Desinfektionsmittel … bei Nachfrage , wird man noch blöd angeschaut … ja, das ist Bayern !!!!! Eisdielen sind voll … gestern haben wir noch eine Gruppe Beachvolleyballer gesehen die draußen gespielt haben, mindestens 25 Mann!“
Die österreichische Zeitung „Wochenblick“ schreibt: „Am Montagmorgen schloss Deutschland wegen des Coronavirus seine Grenze zu Österreich. Nun mehren sich die Anzeichen, dass die Grenzkontrollen nur halbherzig geschehen.“
Bereits vorgestern habe ich hier beschrieben, wie die in Polizeimeldungen und Zeitungsberichten bescheinigte Schließung von Bars und Cafes in Wirklichkeit eine Potemkin´sche ist, und wie etwa die Verteilung von Einreisezetteln in ankommenden Flugzeugen in Berlin zur Farce wurde.
Ich bin überzeugt, dass in Krisenzeiten wie diesen kritischer Journalismus und das Hinweisen auf Fehler besonders wichtig ist – und es ein fataler Fehler wäre, wie viele fordern, wenn Journalisten jetzt schweigen und „Solidarität“ zeigen würden. Unsere Aufgabe ist, Fehler aufzudecken und auf diese hinzuweisen, damit etwas gegen sie unternommen werden kann. Es ist nicht so, dass in Medien nicht über Probleme berichtet würde. Sicher sind viele Einzelmeldungen zu finden. Zusammenfassende Berichte aber, die einen Überblick über das Ausmaß an Versagen geben, sind vor allem in den großen Medien und insbesondere im Fernsehen kaum zu finden. Genau das ist aber entscheidend.
Ich bitte Sie, auch persönliche Erlebnisse hier zu schildern, damit ich diesen Beitrag entsprechend ergänzen kann.
Twitter-Nutzerin Grey Cats schreibt: „Ich war ebenfalls Wahlhelferin in MUC, kann die Aussage aus Ihrem Artikel bestätigen: kein Desinfektionsmittel, wenige Handschuhe auch in unserem Wahllokal. Heute dann bei mir typische Corona Symptome mit hohem Fieber, aber Test verweigert. Ich könnte das ganze Wahlteam und Wähler angesteckt haben und hatte kürzlich Kontakt mit einer Chemo-Patientin. Hausärztin testet, da sie keine Schutzkleidung mehr habe unc ich keinen Kontakt mit nachweislich Infizierten / Risikogebiet hatte. Gesundheitsamt ebenfalls völlig desinteressiert. Bei der 116117, die man laut Regierung anrufen solle, werde ich jedesmal nach 5 Minuten aus der Leitung gekickt. Zusammenfasst: deutsche Corona-Statistiken sind für die Tonne, das Gesundheitssystem schon jetzt völlig überfordert.“
Bild: Shutterstock# aus Wandlitz bei Berlin: „Wir haben weiterhin keine Schutzmasken erhalten, wir warten seit mehreren Wochen auf die Lieferung von Desinfektionsmittel.“ Er vermisse eine Führung in der Krise, kritisiert der Arzt: „Es gibt ganz, ganz unterschiedliche Aussagen von unterschiedlichen Gesundheitsämtern, schon über die Landkreise hinweg, Patienten die in einem Landkreis wohnen und im anderen Landkreis arbeiten werden ganz unterschiedlich beraten, wir haben keinerlei Unterstützung in der Patientenkoordination, im Gegenteil, wir erfahren eine Verunsicherung der Patienten über die Gesundheitsämter, die weiterhin größere Testverfahren ablehnen. Wir testen viel, viel zu wenig, um ein Cluster zu eruieren, wie denn die Verbreitung ist.“#