An einer Waldorfschule im Ostfriesischen Aurich wurden Schüler einem Corona-Test unterzogen, ohne dass ihre Eltern Bescheid bekamen. Eine Mutter berichtet, ihr neunjähriger Sohn sei traumatisiert gewesen nach der Aktion. Sie habe von dem Test nichts gewusst, sagte die Frau in einem Interview mit dem YouTube-Kanal Aurich.TV. Sie erzählte von aufgebrachten und verängstigten Klassenkameraden: „Mein Sohn hat mir berichtet, dass ein Mädchen bitterlich geweint hat, sie wollte diesen Test nicht machen…sie hatte große Angst davor, die Kinder waren sehr, sehr eingeschüchtert, von der Aufmachung der ganzen Geschichte“, dass die Tester „in voller Infektionsschutz-Montur dort auftraten, es muss wohl sehr überrumpelnd gewesen sein, es wurde um 10 Uhr kommuniziert durch die Klassenlehrerin, und um halb 11 waren die Kinder schon mit dem Testen durch.“
Nach dem Test sei ihr Sohn „geschockt“ gewesen, so die Mutter: „Wir haben eine schlaflose Nacht hinter uns. Es wurde sehr viel geweint hier in der Familie, mein Sohn versteht die ganze Welt nicht mehr, er sagt: ‘Warum darf ich das Haus jetzt nicht mehr verlassen, ich habe doch nichts getan.‘“ Ihrem Sohn sei dreimal ein Teststäbchen „aus einer milchigen Flüssigkeit ziemlich weit unten in den Hals geschoben“ worden: Auch Zuhause habe sich ihr Sohn immer wieder unten an den Hals gefasst, es habe ihm weh getan.
Inzwischen stellte sich heraus, dass alle Tests negativ ausfielen. Deswegen werde die Quarantäne, in die sich die 13 Personen begeben mussten, mit sofortiger Wirkung aufgehoben, so ein Sprecher des Landkreises Aurich gegenüber den Ostfriesischen Nachrichten. Laut der Behörde ist ein Einverständnis der Eltern überhaupt nicht notwendig für solche Tests. Die Schule wies dem Bericht zufolge die Anschuldigungen der Mutter in einer Pressemitteilung zurück. „Alle Eltern der Schüler der Freien Waldorfschule Ostfriesland wurden vor Beginn der Testreihe informiert.“ Das ist insofern bemerkenswert, als der Landkreis selbst eingestand, nicht alle seien informiert worden. Die Schule schrieb weiter: „Dank der angemessenen Vorbereitung des Schulpersonals konnten die notwendigen Maßnahmen im Rahmen des Hygieneplans unmittelbar und in vertrauter Atmosphäre umgesetzt werden.“ Die umgehenden Maßnahme hätten es ermöglicht, die verhängte Kurz-Quarantäne schnell wieder aufzulösen, so die Schule.
Ganz anders die Einschätzung der Mutter. Auf die Frage, ob es eine Chance gegeben habe für die Sorgeberechtigten, bei dem Test anwesend zu sein, sagte die Mutter: „Auf gar keinen Fall, weil ich um 11.03 Uhr erst den Anruf von der Schule erhalten habe, ich müsste meinen Sohn abholen. Ich bin ein bisschen erschrocken gewesen: Ist etwas passiert? Nein, ist nichts schlimmes, das Gesundheitsamt war hier, die vierte Klasse muss in Quarantäne gehen, die wurden gerade alle getestet, jetzt müssen die nach Hause!“ Sie sei ins Stocken geraten, so die Mutter: „Was wurde getestet? Wie wurde getestet?“ Die Schule habe auf das Infektionsschutzgesetz verwiesen: „Das Gesundheitsamt sei gekommen, und alle Kinder der vierten Klasse müssten getestet werden, auch einige Lehrer. Ich bin aus allen Wolken gefallen. Warum wurde ich vorher nicht informiert? Dann hieß es, sie konnten mich nicht erreichen. Was nicht stimmt, ich hatte mein Handy die ganze Zeit bei mir, und wir waren auch Zuhause, das Haustelefon war auch frei, es war kein Anruf von der Schule oder dem Gesundheitsamt bis 11.03 Uhr bei mir zu verzeichnen, bis es hieß, es sei schon passiert.“
Sie sei weder rechtlich aufgeklärt noch irgendwie informiert worden, so die Mutter: „Ich bin so geschockt ins Auto, wollte meinen Sohn abholen, in der Schule war dann auch kein Gespräch möglich. Auch das Gesundheitsamt war verschwunden. Alle haben sich rar gemacht, die Lehrerin war panisch, hat mich auch quasi der Schule verwiesen, die Schüler angewiesen, den Mundschutz anzuziehen und die Schule zu verlassen. Es war sehr schockierend für uns.“
Auf die Frage von Aurich.TV, ob ein Richter das Vorgehen der Behörden angeordnet habe, antwortete die Mutter, ihr sei nichts davon bekannt. Es sei ihr auch nicht angeboten worden, ihren Sohn freiwillig in Quarantäne zu nehmen. Ein Mitarbeiter des Gesundheitsamtes habe im Nachhinein noch einmal auf das Infektionsschutzgesetz verwiesen. Die Mutter kritisierte, sie halte das Verhalten der Behörden für grob fahrlässig und ihre Auskunft für falsch: „Ich hätte das Recht gehabt, mein Kind 14 Tage in Quarantäne zu nehmen“. Ihr Sohn sei kerngesund und habe keinerlei Symptome.
Nach Angaben der Mutter hat ihr Sohn auf die Frage, warum drei mal untersucht worden sei, geantwortet: „Die sagten, ich habe ein bisschen weggezogen, die Zunge bewegt. Es tat natürlich weh. Ich bin dankbar und froh, dass es kein Nasentest war.“ Laut Erzählungen ihres Sohnes habe ein Klassenkamerad sich überlegt und ihm vorgeschlagen, aus dem Fenster der Klasse zu flüchten. Die beiden hätten das aber nicht gewagt. Der Klassenkamerad sei viermal getestet worden. Vom Gesundheitsamt habe sie später erfahren, Schüler in der Klasse hätten verdächtige Symptome gezeigt. Der Bruder eines Schülers aus der vierten Klasse sei in Quarantäne, nachdem es positiv auf Corona getestet wurde. Zwei Tage vor Quarantäne-Ende sei nun die ganze Klasse getestet worden.
Interessant ist, dass die Ostfriesischen Nachrichten der Mutter Aussagen in dem Interview mit Aurich.TV unterstellen, die sie gar nicht gemacht hatte. So heißt es in dem hinter einer Bezahlschranke stehenden Artikel in der Zeitung: „Die Rede war in dem Film von weinenden, traumatisierten Kindern, die Fluchtversuche aus dem Fenster der Schule unternommen hätten (wir berichteten). Das Auricher Gesundheitsamt hatte nach Angaben von Rainer Müller-Gummels am Mittwoch derartige Vorfälle nicht beobachtet.“ Die Mutter hatte aber gesagt, ein Mitschüler hätte die Flucht lediglich vorgeschlagen, aber nicht gemacht. Mit so einer untergeschobenen Behauptung und deren Abstreiten wird der Bericht der Mutter als unglaubwürdig und als lügenhaft hingestellt.
Die Ostfriesischen Nachrichten schreiben weiter, eine Anfrage bei der Landesschulbehörde habe ergeben, „dass die Schule gar nicht anders hätte handeln können. Das Infektionsschutzgesetz räume den Gesundheitsämtern weitreichende Rechte und Pflichten ein“. Auch eine richterliche Anordnung sei nicht notwendig. Ebenso seien Schulleiter demnach nicht bevollmächtigt, solche Tests in Klassen zu verhindern. Eine Dringlichkeit sei laut einem Sprecher des Kreises gegeben gewesen, weil an der Waldorfschule ein Kind „als konkreter symptomatischer Verdachtsfall den Unterricht besucht hat“ (Original-Zitat) und dadurch eine konkrete Gefahr bestanden hätte. „Die Annahme, dass die Testung aufgrund eines Positivfalls eines Geschwisterkindes vorgenommen wurde, ist dementsprechend falsch“, so der Kreissprecher laut Ostfriesischen Nachrichten. Ein Einverständnis der Eltern sei nicht notwendig. Dem Sohn der Mutter, die sich jetzt beklagte, sei „die Untersuchung in Form eines Rachenabstriches erklärt“ worden, der Neunjährige „habe sich einverstanden gezeigt und der Abstrich wurde ohne Probleme durchgeführt.“
Text: red