Deniz Yücel und Boris Reitschuster Gastbeitrag von Achgut-Gründungs-Herausgeber Dirk Maxeiner

Ein Gastbeitrag von Dirk Maxeiner, dem Geschäftsführer der „Achse des Guten“. Das Portal ist mir nach der Sperrung meines Youtube-Kanals in vorbildlicher Weise zur Seite gesprungen und hat gezeigt: Statt Konkurrenz-Denken ist auch gelebte Solidarität möglich. Dafür ein herzliches Dankeschön an ihn und sein Team. Aber hier nun der Beitrag:

Es ist nicht ganz drei Jahre her, da sprang Achgut.com Deniz Yücel zur Seite. Er war gerade ein Jahr aus türkischer Haft entlassen, als die AfD-Fraktion forderte, die Bundesregierung möge sich jetzt von üblen Aussagen in Yücels alten taz-Kolumnen distanzieren. Dies sei nötig, weil sich die Regierung doch so stark für seine Freilassung aus türkischer Haft eingesetzt hätte, begründete ein Redner dieses Ansinnen. Achgut.com fand das überhaupt nicht nötig.

Yücel war in seiner taz-Kolumne nicht nur zu den Deutschen grob. Im Umgang mit den Kriegern des Islamischen Staats empfahl er auch diesen, sie mögen sich doch möglichst schnell ins Paradies befördern. Kurzum, Yücel machte von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Pressefreiheit wirklich großzügig Gebrauch. Und in dieser Hinsicht gibt es für Achgut.com kein Aber. Schon gar nicht, wenn ein Kollege auf die schwarze Liste des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan gerät und von ihm hinter Gitter gesteckt wird. Und wenn er wieder hier bei uns ist, tritt man nicht nach, sondern freut sich, dass er raus ist.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Medien in einer solchen Situation einem der ihren zur Seite springen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass eine deutsche Regierung sich für seine Freilassung engagiert. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass man unter solchen Umständen die politischen Meinungsverschiedenheiten einmal zurückstellt. Und so geschah es bei Yüzel auch. Der Zeitpunkt, in dem man über die Gräben hinweg für Freiheit und Recht einstehen muss, ist aber eigentlich schon viel früher gekommen. Wenn jemand erst einmal eingesperrt wird, ist es zu spät.

Reitschuster nervt Regierungsmitglieder sichtlich

Und damit sind wir bei Boris Reitschuster. Nein, niemand wird ihn einsperren. Man muss hierzulande nämlich niemanden einsperren, um ihn einzuschüchtern und mundtot zu machen. Das geht in digitalen Zeiten sehr viel eleganter. Reitschuster, ehemaliger Moskau-Korrespondent des „Focus“, wurde den Mächtigen schon in Putins Reich lästig, und er ist sich treu geblieben. Wäre er in Istanbul oder Ankara statt in Moskau stationiert gewesen, hätte er sich auch nicht anders verhalten. Insofern sind er und Yücel Brüder im Geiste. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns für die Rechte solcher Kollegen einsetzen, weil es schlicht um die Pressefreiheit als solche in diesem Lande geht.

Reitschuster nervt sichtlich auch hiesige Regierungsmitglieder und Regierungssprecher in der Bundespressekonferenz. Reitschuster stellt die falschen, das heißt die richtigen Fragen. Und er begleitet mit seiner Kamera die sogenannten „Querdenker-Demonstrationen“, wobei er zahlreiche Interviews führt. Damit unterläuft er das verbindliche Narrativ von der moralischen Verwerflichkeit dieser Demonstrationen. Auch das nimmt man ihm übel. Er schaut den Herrschenden und dem Volk aufs Maul. Und er entscheidet selbst, mit wem er spricht und mit wem nicht. Und deshalb ist er lästig und soll weg.

Achgut.com und seine Autoren kennen die Methoden aus reichlicher persönlicher Anschauung. Diffamierung als „rechts“ durch einschlägige Vorfeldorganisationen, wie die Amadeu Antonio Stiftung der Stasi-Zuträgerin Anetta Kahane (IM Victoria). Gezielte Denunziation bei Anzeigen-Kunden, um die persönliche und publizistische Existenzgrundlage zu vernichten. Keine Auftritte mehr in großen Medien oder Talkshows. Sperrungen und Löschungen auf Facebook, Youtube, Twitter & Co. Diskreditierung durch sogenannte „Faktenchecker“ wie Correctiv, die nichts anderes sind als staatstreue Propaganda-Werker. Und jetzt wurden auch noch die gebührenfinanzierten Landes-Medienanstalten als Aufpasser für Youtube-Kanäle per Gesetz installiert. So macht man den Bock zum Gärtner.

Wie dieses ganze Zensurprogramm aussieht und künftig verstärkt aussehen wird, darauf wirft der Fall Reitschuster ein Schlaglicht. Unter tätiger Mithilfe übrigens von Medien wie der Süddeutschen Zeitung, die sich mit einem besonders niederträchtigen Stück über Reitschuster staatlicher Unterstützung anempfohlen hat. Sie bildete gleichsam die Vorhut dessen, was am Osterwochenende geschah. Reitschusters erfolgreicher Youtube-Kanal wurde gesperrt. Über 200.000 Abonnenten wurden von einer Informationsquelle abgeschnitten, die die Regierungspolitik nicht gut aussehen lässt. Seine Vergehen: Er hat seine Arbeit gemacht und auch Menschen zu Wort kommen lassen, die sonst nicht zu Wort kommen. Möglich macht dies eine perfide Mischung aus neuen Gesetzen und damit der Privatisierung von staatlicher Zensur. Sie ist ausgelagert, und man wäscht in Berlin seine Hände wie immer in Unschuld.

Angeblich enthalten Interviews und Redeausschnitte in der Stuttgart-Berichterstattung von Reitschuster falsche Aussagen. Wenn das ein Kriterium für das Erlaubtsein von Interviews und Talkshows wäre, müssten praktisch alle einschlägigen Politiker-Interviews und Talkshows verbannt und abgeschaltet werden. Am heutigen Montag machte Youtube nach anfänglicher Zurückweisung von Reitschusters Widerspruch schließlich einen Rückzieher, Reitschusters Kanal ist wieder frei. Willkürlicher und undurchsichtiger gehts nicht. Ohne den massiven Protest wäre das kaum so schnell erfolgt. Der Druck entstand durch Leser und neu entstandene kritische Medien wie Achgut.com. Doch die Zensurschraube wird weiter gedreht werden, solche Maßnahmen sind ja stets auch ein Wink mit dem Zaunpfahl für andere, damit sie gar nicht erst auf die Idee kommen, aus dem erlaubten Meinungsspektrum auszubrechen. Frei nach Mao: Strafe einen und erziehe hunderte.

Diejenigen im Medienbetrieb, die solche Anschläge auf Meinungs- und Pressefreiheit mit klammheimlicher Freude verfolgen oder auch noch befeuern, werden ihre Hände nicht in Unschuld waschen können. Vor allem nicht vor sich selbst. Denn sie sind, wenn es so weitergeht, eher früher als später auch an der Reihe. Zensur und Unterdrückung schreckt sehr bald auch vor ihren eigenen Propagandisten nicht zurück. Erstaunlicherweise scheinen viele Kollegen das vergessen zu haben. Dabei sollte es gerade für jene eine Selbstverständlichkeit sein, den Reitschusters in diesem Lande beizuspringen, die sich vor ein paar Jahren so vehement für Deniz Yücel eingesetzt haben. Besonders schön wäre es natürlich, wenn Deniz Yücel selbst ein paar Worte dazu verlieren könnte.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!
[themoneytizer id=“57085-3″]

Dirk Maxeiner, geboren 1953, war Redakteur beim „Stern“. Anschließend bis 1993 Chefredakteur der Zeitschrift natur – der zu dieser Zeit größten europäischen Umweltzeitschrift. Seit 1993 arbeitet Maxeiner als freier Autor. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter Bestseller wie „Ökooptimismus“, „Lexikon der Öko-Irrtümer“ und „Hurra wir retten die Welt“. Maxeiner schreibt Kommentare und Essays für Magazine und Zeitschriften (unter anderem in DIE WELT). Er ist einer der Gründungs-Herausgeber von achgut.com. Dieser Beitrag erschien zuerst dort.

Bild: Jacek Halicki
Text: Gast
[themoneytizer id=“57085-2″]

[themoneytizer id=“57085-1″] [themoneytizer id=“57085-28″]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert