Von Kai Rebmann
Javier Milei war noch gar nicht in Davos und sorgte dennoch schon für Gesprächsstoff. Der neue Präsident Argentiniens machte nämlich genau das, was Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Amtsantritt noch großspurig angekündigt hatte, dann aber keine Taten folgen ließ – er flog Linie von Buenos Aires via Frankfurt nach Zürich. Diese Art der Anreise habe seinem Land umgerechnet 392.000 US-Dollar gespart, rechnete Milei auf X vor.
Bereits bei seiner Zwischenlandung in Deutschland machte der Libertäre klar, dass er nicht gekommen ist, um in den eintönigen Chor der vermeintlichen Weltverbesserer unter dem Dirigenten Klaus Schwab einzustimmen: „Ich möchte die Ideen der Freiheit in einem sozialistischen Forum verankern, das von der Agenda 2030 kontaminiert ist.“
Sozialismus bedroht die Weltwirtschaft
Es ist fast schon erstaunlich, dass man Milei auf dem Weltwirtschaftsforum überhaupt hat reden lassen. Ist das WEF doch bekannt dafür, dass dessen Protagonisten für eine globale Transformation unter der Kontrolle einer wie auch immer gearteten staatlichen Institution einstehen – also ziemlich genau für das Gegenteil, von dem was der Südamerikaner anstrebt, der stets die individuelle Freiheit in den Vordergrund stellt.
Aus eben diesem Grund darf es auch nicht überraschen, dass der Auftritt von Javier Milei in den hiesigen Mainstream-Medien entweder überhaupt nicht stattfand oder allenfalls am Rande bzw. im Kleingedruckten erwähnt wurde. Oder wahlweise in völlig sinnentstellender Weise, wie hier bei der „Welt“.
Auge in Auge mit den politischen und wirtschaftlichen Führern dieser Welt richtete der argentinische Präsident eine eindringliche Warnung an seine Zuhörer. Die Weltwirtschaft, und insbesondere der Westen, sei in Gefahr, so Milei, „weil diejenigen, die westliche Werte verteidigen sollen, von einer Weltanschauung vereinnahmt werden, die unaufhaltsam in den Sozialismus und damit in die Armut führt“.
Kollektivistische Experimente seien niemals die Lösung für die Probleme, die die Bürger plagen, sondern vielmehr deren Ursache. Oder im Umkehrschluss formuliert: „Weit davon entfernt, die Ursache unserer Probleme zu sein, ist das Wirtschaftssystem des Kapitalismus des freien Unternehmertums das einzige uns zur Verfügung stehende Mittel, um Hunger, Armut und Obdachlosigkeit auf der ganzen Welt zu beenden. Die empirischen Beweise sind unbestreitbar.“
Tatsächlich findet sich in der Geschichte kein einziges Beispiel dafür, in dem der Sozialismus langfristig zu breitem gesellschaftlichen Wohlstand und Frieden geführt hätte. Und als Argentinier, aber auch Südamerikaner, weiß Milei besser als die meisten seiner Zuhörer in Davos, wovon er in diesem Zusammenhang spricht.
Kampfansage an die ‚soziale Gerechtigkeit‘
Den Kapitalismus bezeichnete Milei als das „einzige moralisch wünschenswerte System“, und begründete auch, weshalb er dieser Ansicht ist: „Der Kapitalismus ist gerecht und moralisch überlegen. Seine Umsetzung hat dazu geführt, dass die Welt reicher, freier, friedlicher und wohlhabender ist als jemals zuvor in der Geschichte.“
Und weiter: „Die linke Doxa hat den Kapitalismus aus moralischen Gründen angegriffen, weil seine Kritiker ihn als ungerecht empfinden. Sie behaupten, der Kapitalismus sei schlecht, weil er individualistisch sei, der Kollektivismus aber gut sei, weil er altruistisch sei. Und deshalb kämpfen sie für soziale Gerechtigkeit.“
Der Präsident bezeichnet diese „soziale Gerechtigkeit“ aber nicht nur als „nicht gerecht“, sondern sogar als „gewalttätig“ („violenta“), was in diesem Zusammenhang wohl am ehesten im Sinne von „Zwang“ zu verstehen ist. Die Idee der sozialen Gerechtigkeit sei in Wirklichkeit aber ungerecht, weil sie durch den Staat finanziert werde: „Durch Steuern und diese Steuern werden zwangsweise erhoben. Oder kann sich jemand von uns frei entscheiden, keine Steuern zu zahlen? Das bedeutet, dass der Staat durch Zwang finanziert wird und dieser Zwang umso größer ausfällt, je höher die Steuerlast ist.“
Im Klartext: Javier Milei sagt an dieser Stelle, wenn auch auf nicht sehr populäre Art und Weise, nichts anderes, als dass am Ende des Tages (fast) jeder seines eigenen Glückes Schmids sein kann. Das Problem für die Mächtigen am WEF in Davos ist hingegen: Nur Bürger, die – mehr oder weniger – vom Staat abhängig sind, sind in ihren Augen auch „gute“ Bürger.
‚Es lebe die Freiheit‘
Die Situation der westlichen Welt beschreibt der ungehobelte Gast am WEF so: „Ich sage, dass der Westen in Gefahr ist, gerade weil in den Ländern, die die Werte der freien Marktwirtschaft, des Privateigentums und weiterer Institutionen des Libertarismus verteidigen sollten, Kreise des politischen und wirtschaftlichen Establishments – einige aufgrund von falschen Annahmen, andere aufgrund von Machtstreben – die Grundlagen des Libertarismus untergraben und damit dem Sozialismus die Tür öffnen und damit den Weg in Armut, Elend und Stagnation ebnen.“
Dass die Wahrheit manchmal nur schwer zu ertragen ist, machte Milei in seinem nächsten Punkt deutlich: „Das Grausamste an der Umweltagenda ist, dass reiche Länder, die durch die legitime Ausbeutung ihrer natürlichen Ressourcen reich geworden sind, jetzt versuchen, ärmere Länder für ihre Schuld büßen zu lassen, indem sie diese daran hindern, ihre Wirtschaft durch ein angebliches Verbrechen zu fördern, das sie selbst begangen haben.“
Und weiter: „Wir sind hier, um die Länder des Westens einzuladen, auf den Weg der Freiheit zurückzukehren. Lassen Sie sich nicht von der politischen Kaste und den Parasiten einschüchtern, die auf Kosten des Staates leben.“
Am Beispiel Argentiniens skizzierte der Präsident, welche Konsequenzen es seiner Meinung nach hat, wenn die Grundwerte des Libertarismus über Bord geworfen werden: „Sobald Maßnahmen ergriffen werden, die das Funktionieren der freien Marktwirtschaft, den freien Wettbewerb, freie Preisbildung behindern; wenn der Handel behindert wird, wenn Privateigentum angetastet wird, dann ist die Armut das einzig mögliche Schicksal.“
Javier Milei schloss seine Rede in der Schweiz mit dem Satz, der ihm schon im Wahlkampf zum Mantra geworden war: „Es lebe die Freiheit – verdammt nochmal!“
Bemerkenswertes Detail am Rande: Während die Rede des Argentiniers bei den Anwesenden in Davos fast schon demonstrativ mit vergleichsweise wenig Applaus bedacht wurde, fiel die Reaktion in den sozialen Medien – also beim „Pöbel“ – ganz anders aus. Mehrere spanischsprachige Medien berichten, dass der Auftritt Mileis am WEF bis zu 40-mal so oft angeschaut wurde als jener von Pedro Sánchez (PSOE), dem sozialistischen Ministerpräsident Spaniens.
Auf Ihre Mithilfe kommt es an!
Auf meiner Seite konnten Sie schon 2021 lesen, was damals noch als „Corona-Ketzerei“ galt – und heute selbst von den großen Medien eingestanden werden muss. Kritischer Journalismus ist wie ein Eisbrecher – er schlägt Schneisen in die Einheitsmeinung.
Dafür muss man einiges aushalten. Aber nur so bricht man das Eis. Langsam, aber sicher.
Diese Arbeit ist nur mit Ihrer Unterstützung möglich!
Helfen Sie mit, sichern Sie kritischen, unabhängigen Journalismus, der keine GEZ-Gebühren oder Steuergelder bekommt, und keinen Milliardär als Sponsor hat. Und deswegen nur Ihnen gegenüber verpflichtet ist – den Lesern!
1000 Dank!
Per Kreditkarte, Apple Pay etc.Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71 oder BE43 9672 1582 8501
BITCOIN Empfängerschlüssel auf Anfrage
Mein aktuelles Video
Habeck dechiffriert: Hass und Hetze vom Vizekanzler in seiner Rede zu den Bauer-Protesten.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: Screenshot Youtube-Video CNN EspañolMehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de