Die Corona-Zahlen: Merkwürdige Widersprüche beim RKI

Mein Interview mit Professor Suchart Bhakdi hat große Wellen geschlagen. Nach anderthalb Tagen und 120.000 Aufrufen wurde es von YouTube zensiert. Ansehen können Sie es sich noch hier.

Ich selbst war von seinen Aussagen so geplättet, dass ich mich sofort nach dem Interview, noch vor der Veröffentlichung, daran machte, sie zu verifizieren, und mich die halbe Nacht durch die Daten des Robert-Koch-Instituts kämpfte. Ich bin kein Mediziner, und deshalb ist alles, was ich kann, die Maßstäbe der allgemeinen Logik ansetzen. Doch auch mit der stößt man auf unglaubliche Widersprüche. Und fragt sich – warum greift kaum eines der großen Medien diese auf? Das wäre ihre ureigenste Aufgabe. Ich kann Ihnen hier keine Antworten bieten, das wäre anmaßend für einen medizinischen Laien. Aber ich kann viele Fragen aufwerfen, die Sie vielleicht genauso ins Grübeln bringen wie mich. Umso mehr in Anbetracht der eiligen Löschung auf YouTube.

1.) Professor Bhakdi sagt im Interview, es gebe seit sechs bis acht Wochen keine neuen Fälle von Covid-19 Erkrankungen. Ich finde diese Aussage unglaublich und habe mich deshalb sofort ans Recherchieren gemacht. Bhakdi bezieht sich auf die virologischen Sentinelsurveillance der Arbeitsgemeinschaft Influenza des Robert Koch-Instituts (RKI). In deren aktuellem Bericht ist tatsächlich zu lesen: „Seit der 8. Kalenderwoche 2020 sind insgesamt 13 (0,6 %) SARS-CoV-2-positive Proben in 2.020 untersuchten Proben im Sentinel der AGI detektiert worden. Seit der 16. Kalenderwoche 2020 gab es keine Nachweise mehr von SARS-CoV-2 im Sentinel.“

Hierzu ein Kommentar von meinem klugen Leser Peter Tanker: „Die guten Daten sind beim RKI leider sehr versteckt. Diese Sentinel-Proben sagen natürlich nichts über absolute Zahlen für ganz Deutschland aus, dazu müsste man jeden Bundesbürger in regelmäßigen Abständen (sagen wir zwei Wochen) testen und das über Jahre. Die Sentinel-Praxen bieten einen Indikator bzw. Prädikator, ein Frühwarnsystem. Die Zahlen geben nämlich ein gutes Bild über die Entwicklung von klinischen Fällen – also jemand der tatsächlich so krank ist (Symptome zeigt), dass er zum Arzt geht. Das, was das RKI im Covid-Wochenbericht berichtet sind verzerrte Zahlen, eine Melange aus PCR-Testergebnissen, Erkrankungen, Verdachtserkrankungen, „wieder Genesenen“ usw., die als „Fälle“ bezeichnet werden – aber die Definitionen werden nicht geliefert. Da die Sentinelpraxen gleichmäßig verteilt sind, und regelmäßig Proben gemacht werden, ist hier eine „Baseline“ für Zahlen geschaffen, so dass eine Vergleichbarkeit existiert. Nur mit der Baseline ist es überhaupt möglich eine Abweichung vom Normalzustand zu erkennen.“

Die so genannten „Sentinelpraxen“ sind ein Prozent der gesamten primärversorgenden Ärzte. Laut RKI werden sie als repräsentativ für die Abbildung akuter Atemwegserkrankungen in Deutschland angesehen. Daraus ergibt sich meines Erachtens, dass die Sentinel-Proben, auf die sich Bhakdi bezieht, zwar keinen Nachweis bringen, dass es keine neuen Covid-19-Erkrankungen gegeben hat, aber sehr wohl ein wichtiges Indiz in diese Richtung sind und es wohl eher unwahrscheinlich wäre, dass die Entwicklung der absoluten Fallzahlen den Sentinel-Proben kolossal widerspricht.

Meine Frage an das RKI und die Medien: Diese Ergebnisse der Sentinel-Proben wirken wie eine sehr positive Nachricht in schweren Zeiten. Warum werden sie nicht aktiv als Nachricht verbreitet? Warum findet darüber keine Diskussion statt?

2.) Professor Bhakdi sagt im Interview zum Nutzen von Masken, für den es laut der niederländischen Gesundheitsministerin keinen Nachweis gibt, dass diese, wenn sie wirklich einen guten Effekt hätten, auch gegen andere Viren helfen müssten. Das dies nicht so sei, zeige aber ein massiver Anstieg der Rhinoviren, die Erkältungen auslösen, typischerweise im Sommer. Diesen Anstieg gibt es tatsächlich. Auch er ist in der virologischen Sentinelsurveillance der Arbeitsgemeinschaft Influenza des Robert Koch-Instituts (RKI) zu finden (und im Bericht hier nachzulesen). Hier die Grafik des Anstiegs der Rhinoviren (hellblaue Linie) 2019 (links) und 2020 (rechts):

Meine Frage an das RKI und die Medien:

Warum wird über diese ungewöhnliche und weit über das übliche Maß hinausgehende Zunahme von Erkältungsviren-Erkrankungen trotz (oder wegen?) der Masken so gut wie nicht berichtet?

Warum werden dazu keine Fragen gestellt?

Wäre es nicht sehr wichtig, der Frage nachzugehen, wie sich dieser massive Anstieg mit der These der Wirksamkeit der Masken vereinbaren lässt?

3.) Professor Bhakdi sagt, dass in Schweden zwar die Zahl der Covid-19-Toten höher ist als in Deutschland, aber die Anzahl der Toten durch Lungenerkrankungen insgesamt nicht angestiegen ist.
Frage an das RKI: Liegen Ihnen dazu Erkenntnisse vor?

4.) Wie von Peter Tanker moniert, werfen die Berichte des RKI massive Fragen auf. [Im „ COVID-19-Dashboard“ des Instituts ]ist etwa von 222.828 Covid-19–Fällen die Rede.

Meine Frage an das RKI und die Medien: Sie schreiben in Ihrem aktuellen Tagesbericht: „Bezogen auf alle seit dem 01.03.2020 übermittelten Fälle ist bei 72.572 Fällen (33%) der Erkrankungsbeginn nicht bekannt bzw. sind diese Fälle nicht symptomatisch erkrankt.“ Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Zahl der positiv auf SARS-CoV-2 Getesteten nicht identisch ist mit der Zahl der COVID-19 Erkrankten.

Warum vermischen sie diese Zahlen?

Wie hoch ist die Zahl der positiv Getesteten, die tatsächlich Krankheitssymptome entwickelten oder entwickeln? 
Warum wird die Zahl nicht genannt bzw. nicht in den Kurzübersichten? 
Warum werden immer an erster Stelle die größten Zahlen genannt, die der insgesamt über einen langen Zeitraum positiv Getesteten? 
Welchen Sinn macht dies, wenn damit heute auch im März oder April positiv Getestete noch mit in die als erste kommunizierte Zahl einfließen, die maßgeblich die Gefahrenwahrnehmung der Bevölkerung bestimmt? Wäre es nicht seriöser, die Zahl der aktuell positiv auf SARS-CoV-2 Getesteten zu nennen, also unter Herausrechnen der Genesenen?

Warum wird der Begriff „Genesene“ verwendet, wenn ein Teil der so Bezeichneten nicht krank war, sondern nur positiv auf SARS-CoV-2 getestet?
Wäre hier nicht der Begriff „SARS-CoV-2-negativ“ der Richtige?

5.) Auch wenn Faktenchecker im Moment massiv das Gegenteil belegen wollen: Aus allen Zahlenreihen, die ich verfolgt habe, ergibt sich zwar kein hundertprozentiger, aber zumindest ein recht starker Zusammenhang zwischen der Zahl der Tests und den positiven Ergebnissen. Einfach ausgedrückt: Je mehr Menschen getestet werden, umso mehr positive SARS-CoV-2-Testergebnisse gibt es.

Meine Frage an das RKI: Warum wird die Zahl der positiv Getesteten nur im Kleingedruckten bzw. Ihren mittwöchlichen Berichten in eine Korrelation mit der Testzahl gesetzt? 
Wäre nicht die viel aussagekräftigere Angabe, wie viel Prozent der Getesteten positiv sind?

6.) In seiner Graphik setzt das RKI ebenfalls Erkrankung und positive Testergebnisse gleich.

Meine Frage an das RKI: Warum?

7.) In der abgebildeten RKI-Graphik ist ein deutlicher Rückgang in den jüngsten Wochen zu sehen. Dies steht in krassem Gegensatz zu der verbreiteten Tendenz auch in den Aussagen aus dem RKI, die Zahlen stiegen und es gebe eine Gefahr einer zweiten Welle.

Meine Frage an das RKI:

Ist das Abfallen der Graphik ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die Ergebnisse verspätet gemeldet werden?

Wenn ja, wie kommt es zu diesen erheblichen Verspätungen?

Wenn die Daten noch nicht vorliegen, wie kommen Sie zu der Tendenz, dass die Zahlen steigen?

8.) Im COVID-19-Lagebericht des RKI vom 15.08.2020 stehen folgende Daten in einer Tabelle:

Meine Frage an das RKI:

Verstehe ich als Laie die Tabelle richtig dahingehend, dass seit Beginn der Pandemie 2.684 an Covid-19 Erkannte in Krankenhäusern bzw. in ärztlichen Praxen betreut bzw. untergebracht wurden?

Und, dass, wenn man von der Gesamtzahl inkl. nicht hospitalisierter Kranker die Verstorbenen und die Genesenen abzieht, derzeit nur 184 Covid-19-Kranke in Klinken oder Arztpraxen betreut oder untergebracht sind?

Oder ist mit den „Einrichtungen mit besonderer Relevanz für die Transmission von Infektionskrankheiten“ nur ein enger Ausschnitt von Einrichtungen gemeint und die Gesamtzahlen der mit Covid-19 in Krankhäusern Untergebrachten ist höher als in dieser Tabelle?

Falls ja – wie viele Menschen sind derzeit in Krankenhäusern mit Covid-19-Erkrankungen und bei wie vielen von diesen ist Covid-19 Hauptgrund für die Hospitalisieren?

9.) Laut Professor Bhakdi liegt die Fehlerquote bei den aktuellen Test bei ein bis zwei Prozent; andere Quellen sprechen von einem bzw. von 1,4 Prozent. Professor Bhakdi sagt, dass der Prozentsatz der positiv Getesteten innerhalb dieser Fehlerquote liege. Nimmt man diese Fehlerquote als gegeben hin, so belegen Ihre Angaben auf Ihrer Seite diese These.

Meine Frage an das RKI: Warum wird die Fehlerquote nicht gut erkennbar angegeben?

Trifft es zu, dass in einem virologischen Ringversuch der Charitè Berlin unter Univ.-Prof. i.R. Dr. Heinz Zeichhardt empirisch eine Falsch-Positiv-Quote von mind. 1,4% festgestellt wurde (Quelle hier)? Wenn nein, wie hoch ist die Fehlerquote?

Wenn ja, warum wird diese Quote von 1,4 Prozent nicht als Grundrauschen aus den Testergebnissen herausgerechnet?

Trifft es zu, dass es bei der angenommenen Fehlerquote allein durch eine große Zahl von Tests jederzeit möglich ist, die Schwelle für die aktuelle Risikogebiet-Einstufung von mehr als 50 Fällen pro 100.000 Einwohner auf sieben Tage zu erreichen?Warum ist eine tägliche Übermittlung der Anzahl der positiv getesteten Menschen in Deutschland möglich, während gleichzeitig die Anzahl der täglich durchgeführten Tests als wichtiger Relevanzgröße nur wöchentlich vom RKI veröffentlicht wird?

Frage an die Kolleginnen und Kollegen in den Medien: Warum wird die Fehlerquote kaum thematisiert?

10.) Im täglichen RKI-Bericht heißt es am 15.8.2020:

a) „Es treten darüber hinaus bundesweit in verschiedenen Settings COVID-19-bedingte Ausbrüche auf, wie u.a. in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern, Einrichtungen für Asylbewerber und Geflüchtete, Gemeinschaftseinrichtungen, fleischverarbeitenden und anderen Betrieben sowie insbesondere im Zusammenhang mit Familienfeiern, religiösen Veranstaltungen und Reisen.“

und

b) „Hinzu kommt, dass COVID-19-Fälle zunehmend unter Einreisenden identifiziert werden. Diese Vielzahl an Geschehen summiert sich zu einer substantiellen Zunahme der Fallzahlen.“

Meine Frage an das RKI: „COVID-19“ ist die durch das Virus ‚SARS-CoV-2‘ ausgelöste Erkrankung. Sie unterstellen somit über die reine PCR-Positiv-Testung hinaus bereits (nach erfolgter Infizierung) eine Erkrankung. Warum?

11.) Laut dem „Intensivregister“ des RKI, Stand Sonntag, 16.08.2020: 15:00 Uhr,liegen lediglich 228 Patienten mit Corona-Infizierung auf Intensivstationen!Gleichzeitig sind über 9.000 Betten dort leer.

Meine Frage an das RKI: Eine der Begründungen für die Corona-Maßnahmen war, dass die Krankenhäuser und insbesondere die Intensivstationen nicht überlastet werden sollten. Warum wird diese positive Entwicklung nur im Kleingedruckten bei Ihnen beschrieben? Geben diese Zahlen nicht Anlass für eine Debatte über weitere Lockerungen?

Meine Frage an die Medien: Warum werden diese sehr erfreulichen, positiven Zahlen kaum thematisiert?

Ich werde all diese Fragen bzw. den Link auf diesen Beitrag als Presseanfrage an das Robert-Koch-Institut senden und bin gespannt auf die Antworten.

Bemerkenswert finde ich die Reaktionen auf mein Interview mit Professor Bhakdi in den sozialen Netzwerken. Eine alte Bekannte schrieb mir einen Kommentar aus drei Worten: „So ein Schwachsinn“. Das Niveau der Debatte in Deutschland ist erschreckend. Corona ist zur Glaubensfrage mutiert. 

All die oben gestellten Fragen müssten in einer funktionierenden Demokratie mit einer funktionierenden Medienlandschaft breit diskutiert werden.

Zum Abschluss noch eine persönliche Bemerkung: Ich selbst habe aufgrund der Medienberichte vom Februar und März den Experten geglaubt, die die Gefahr durch das neuartige Corona-Virus als sehr hoch einstuften (zu einer Zeit, als Verfechter dieser Sichtweise noch als Verschwörungstheoretiker diffamiert wurden, während es heute umgekehrt ist). Einschneidende Maßnahmen habe ich aus damaliger Sicht für nötig gehalten und ich verstehe sehr gut, dass Politiker so reagiert haben. Inzwischen habe ich sehr große Zweifel an der Darstellung der Größe der Gefahr in Deutschland seitens Politik und Medien und an der Angemessenheit der Einschränkungen. Die Argumentationslinie ihrer Verfechter ist nicht stringent.

Die Kriterien für das Aufrechterhalten der Corona-Maßnahmen sind immer wieder geändert worden. Es war von „Rücksicht auf Risikogruppen“ die Rede, von der „Gesamtzahl der Infizierten“, von der „Krankenhauskapazität“ (aktuell offenbar völlig irrelevant), vom ‚„R-Wert“ (der vor dem Lockdown schon unter 1 war und blieb; s. Markus-Lanz vom 23.04.20 mit Prof. Krause), von Fällen pro 100.000 Einwohner („Cluster“), von ‚„Infiziertenzahlen“ (jedoch ohne Bezug zur Anzahl von Testungen, von Falsch-Positiv-Rate, von tatsächlich Erkrankten und Validität des PCR-Tests).

All das macht zumindest skeptisch. Ebenso wie etwa die Tatsache, dass der Mann von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Daniel Funke, Leiter von Hubert Burda Media in Berlin ist. In dem Verlag wird unter anderem der Focus herausgegeben. Der ist beim Verbreiten von Alarmstimmung in Sachen Corona mit federführend. Funke wird auch eine Verbindung mit der gleichnamigen Mediengruppe nachgesagt, zu der 13 große Zeitungen gehören.

Ich stelle mir oft die Frage, warum Skeptiker ausgegrenzt und diffamiert, eine offene Debatte vermieden und die Gefahr in meinen Augen massiv dramatisiert wird (zumindest was die Lage in Deutschland angeht, die in anderen Ländern kann ich nicht abschätzen). Ich finde nur zwei logische Erklärungen: Die Verantwortlichen wissen mehr als dem normalen Leser bekannt ist. Die Verantwortlichen wollen um jeden Preis verhindern, dass bekannt wird, dass ihre massiven Einschnitte sich rückwirkend als übertrieben herausstellten, dass sie Grundrechte beschränkt und die Wirtschaft kolossal beschädigt haben ohne Not. So sehr ich persönlich diese Fehler für erklärbar halte – in unserer politischen Kultur wären sie für die Karriere der Verantwortlichen tödlich. Ihre politische Existenz hängt davon ab, dass Corona auch weiter eine massive gesundheitliche Gefahr darstellt.

Ob es das tut oder nicht, weiß ich nicht. Was ich sicher weiß: Corona ist eine massive Gefahr für den Verstand, für die Demokratie und die Freiheit.


Bild: Pixabay/bearbeitet/ReitschusterText: br

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