Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Randnotiz. „Christian Hirte, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft, Ost- und Mittelstandsbeauftragter der Bundesregierung und Vize-Landesvorsitzender der CDU Thüringen gibt sein Amt auf“, schreibt die Neue Zürcher Zeitung. Auf twitter schrieb der Christdemokrat selbst heute: „Frau Bundeskanzlerin Merkel hat mir in einem Gespräch mitgeteilt, dass ich nicht mehr Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Länder sein kann. Ihrer Anregung folgend, habe ich daher um meine Entlassung gebeten.“ Diese zwei Sätze könnten so aus dem Roman „Der Untertan“ von Heinrich Mann stammen. Manches ändert sich nie.
Das Vergehen von Hirte: Er hatte dem FDP-Politiker Kemmerich gratuliert und auf twitter geschrieben: «Deine Wahl als Kandidat der Mitte zeigt noch einmal, dass die Thüringer RotRotGrün abgewählt haben. Viel Erfolg für diese schwierige Aufgabe zum Wohle des Freistaats #Thüringen!».
Ich war bisher der Meinung, die Zeiten, in denen ein Glückwunsch für den Falschen eine Karriere beendet, sind seit Jahrzehnten vorbei in Deutschland. Wobei es sich hier wohl gemerkt nicht etwa um Glückwünsche für jemanden Mann vom politischen Rand handelte, sondern um einen demokratisch gewählten Regierungschef aus der bürgerlichen Mitte.
Gerade rief mich ein bekannter Journalisten- Kollege an: „Ich kann es nicht fassen, das sind Säuberungen, die hier gerade beginnen.“
Es ist erschreckend, wie Merkel und ihre grüne Entourage eine Brandmauer der freiheitlichen-demokratischen Grundmauer nach der nächsten einreißen, wie sie unser Land schleichend ent-demokratisieren und gleichtakten. Wie Merkel ganz offen die „Korrektur“ einer demokratischen Wahl fordert und durchsetzt – wie in einem autoritären Regime. Und wie die Mehrheit mitläuft – zu Teilen in dem gezielt geschürten Wahn, dies alles geschehe nur, um einer unmittelbar bevorstehenden Machtergreifung von Neonazis zuvorzukommen.
Es ist erschreckend, wie alt diese Mechanismen sind – mit der vermeintlichen Gefahr von außen oder innen die Demokratie und Freiheit zu beschneiden. Und wie wenig die Menschen aus der Geschichte lernen und sich immer wieder bereitwillig auf die gleichen Mistgabeln führen lassen – nur eben in anderer Farbe lackiert.
Es ist erschreckend, wie viele sich das Geschehen schönreden und es relativieren. Natürlich haben wir keine neue DDR, und natürlich sind die Verhältnisse heute nicht mit denen in einer klassischen Diktatur zu vergleichen. Aber das waren sie auch in Deutschland im Jahre 1932 und in Russland in der erstem Jahreshälfte 1917 nicht. Und weder das eine noch das andere Regime wird sich heute wiederholen. Wir sind daran, in eine neuartige Form einer nicht-demokratischen Gesellschaft abzugleiten: Etwas Claudia Roth, etwas Orwell, etwas Huxley, etwas Marx, etwas Adam Smith.
Vor lauter Starren auf die totalitären Muster der Vergangenheit verlieren wir aus der Sicht, dass die Abwege von der Demokratie für die jeweiligen Zeitgenossen meist in neuem Gewand erschienen, getarnt, harmlos. Gleich ist nur immer das Denkmuster: Die Feinde der Demokratie glauben sich im Besitz der Wahrheit, sehen Kritiker als (Volks-)Feinde, die es stumm zu machen gilt. Sie halten sich für die Guten, für die einzige echten Demokraten, und richten ihr Unheil im Namen der Demokratie bzw. der Menschen an. Man muss über ein hohes Maß an Verdrängungskunst verfügen, um diese Grundmuster heute nicht zu erkennen.
Erst gestern traf ich mich mit teilweise prominenten Journalisten- und Publizistenkollegen. Offen würde sie das nicht sagen, aber im kleinen Kreis spotten sie: „Es ist so praktisch geworden in Deutschland, man braucht nicht mehr viele Tageszeitungen zu lesen oder viele Fernsehsender zu sehen, es reicht ein einziges Medium, dann weiß man, was fast alle anderen berichten oder senden.“ Natürlich gibt es noch genügend kritische Medien – aber das ist selbst in Putins Demokratur so. Entscheidend ist die Gleichtaktung der wichtigen, großen Medien. Und man muss nur einmal die Berichterstattung dort zu Thüringen verfolgen und etwa mit der Neuen Zürcher Zeitung vergleichen, um zu sehen, wie eindeutig da im Gleichschritt berichtet wird, wie identisch die Narrative sind. Wer kann eine Handvoll Berichte nennen in den „etablierten“ Medien, die Merkels Rolle in Thüringen auseinander nehmen oder auch nur Kemmerich deutlich den Rücken stärken?
Ein Kollege aus einer der bekanntesten Redaktionen in Deutschland erzählte in der Runde, dass ihm etwa aus einem Kommentar einfach eine kritische, sachliche Passage über Merkel herausgestrichen wurde vom Chefredakteur – wohlgemerkt nicht aus einer Nachricht, sondern einem Meinungsstück. Ich weiß aus einer großen Redaktion, dass ein Merkel-kritischer Aufmacher einfach von oben verboten wurde – fast in letzter Minute. Diese Signale kommen deutlich an in den Redaktionen. Man braucht keine Zensur, wenn die Kollegen wissen, was ihnen Schwierigkeiten bringt.
Ein anderer Kollege, der früher für die öffentlich-rechtlichen tätig war, erzählte, wie er und Kollegen direkt aus dem Kanzleramt instruiert wurden, welchen Tenor die Berichte zur so genannten Flüchtlingskrise haben sollen.
Man muss taub sein, um nicht regelmäßig solche Geschichten zu hören. Und so sehr ich für jeden einzelnen Verständnis habe, dass er sie nicht mit dem eigenen Namen öffentlich machen kann – so verheerend ist dieses Wegducken für unsere Gesellschaft.
In Thüringen wurde eine demokratisch gewählte Regierung von der Kanzlerin, ihren Büchsenspannern und einen gewaltbereiten linksextremen Mob auf der Straße, der verdächtig synchron mit den Interessen der Bundesregierung handelt, de facto aus dem Amt genötigt. Ein Leser fragte, ob dafür nicht § 105 Strafgesetz Anwendung findet. Dort heißt es: „Wer…ein Mitglied…der Regierung…eines Landes rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, seine Befugnisse nicht oder in einem bestimmten Sinne auszuüben, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft…Der Versuch ist strafbar.“ Kemmerichs Familie musste wegen massiver Bedrohungen unter Polizeischutz gestellt werden.
Es ist ein Stück aus dem politischen Tollhaus, dass ausgerechnet eine ehemalige FDJ-Sekretärin heute mit einer einstmals konservativen, von ihr auf rotgrünen Kurs getrimmten Partei dafür sorgt, dass die Mauerschützen-Partei „die Linke“, die rechtsidentisch ist mit der SED, die in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird, in der sich munter alte SED-Kader uns Stasi-IMs tummeln, in Regierungsverantwortung kommt, in die Mitte der Gesellschaft geframt und dafür ein Regierungschef aus der bürgerlichen Mitte zum Rücktritt genötigt wird.
Ich habe in Russland nach dem Jahr 2000 erlebt, wie ein demokratisch gewählter Präsident nach und nach, ganz langsam, die verfassungsmäßige Ordnung auf den Kopf stellte und die Demokratie abschaffte – und zwar formal völlig im Rahmen der bestehenden Verfassung, mit Beibehaltung aller äußeren Anzeichen der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Deshalb bin ich sehr sensibilisiert für solche Entwicklungen. Und erkenne in vielem bei der Ex-FDJ-Sekretärin und ihren Getreuen die Handschrift wieder, die mir aus Moskau bitter bekannt ist. Hoffentlich bin ich einfach übersensibilisiert, und meine Befürchtungen sind überzogen. Aber jede Gesellschaft tut gut daran, Warnungen von Menschen, die für autoritäre Abwege sensibilisiert sind, zumindest ernst zu nehmen, statt sie zu tabuisieren.P.S.: Mein Freund Michael Rubin, FDP-Mitglied, hat mir gerade geschrieben. Er, Sohn von Holocaust-Überlebenden, wird jetzt als Nazi beschimpft (Details siehe hier).
Wir erleben Terror gegen die Mitte der Gesellschaft.
Und kein Aufschrei.
Gruselig.
Ich schäme mich für das, was in Deutschland passiert.
Bild: WIX