„Es gibt keinen Rechtsanspruch auf geschlechtergerechte Formulierungen“, mit dieser Begründung hat der Landrat des Saalekreises in Sachsen-Anhalt, Hartmut Handschak, das Gendern in seiner Behörde untersagt. Der parteilose Regionalpolitiker, der bei seiner Wahl von CDU, SPD und FDP unterstützt wurde, verschickte eine entsprechende Dienstanweisung „zur Verwendung geschlechtergerechter Kommunikation“ an seine Verwaltung.
Gendersternchen, Binnen-I, Doppelpunkte oder Unterstriche sind damit für die rund tausend Beschäftigten des Kreises untersagt, berichtet die „Mitteldeutsche Zeitung“. Bemerkenswert ist, dass der „Spiegel“ in einem Bericht über die Entscheidung im Saalekreis diesen sprachlichen Unsinn als „Kennzeichnung der Geschlechtervielfalt“ bezeichnet, die nun wegfällt.
Unter anderem führt der Landrat in der Dienstanweisung aus: „Orthografische und grammatikalische Richtigkeit, Einheitlichkeit und Verständlichkeit von Texten haben gegenüber einer diskriminierungsfreien Sprache eine höhere Priorität.“ Handschak verweist auf eine linguistische Binsenweisheit, die leider heute viele vergessen haben: das generische Maskulinum. Auf dieses setzt er nun in Verfügungen, Satzungen, Verträgen und Verlautbarungen des Kreises.
Die regionale CDU-Fraktion hatte zuvor im Kreistag einen Beschlussantrag für ein Genderverbot der Kreisverwaltung gestellt. Jetzt zog sie diesen Antrag wieder zurück, da ihm ja nun ohne formellen Beschluss entsprochen wurde und das Ziel damit erfüllt sei, so der „Spiegel“. Das Nachrichtenmagazin schießt dann den Vogel ab und bezeichnet das „Genderverbot“ als staatliche Bevormundung. Zitat: „Auch die FDP – sonst gern kritisch bei vermeintlicher staatlicher Bevormundung – begrüßte den Beschluss“. Interessant, dass das Aufzwingen des Genderns für die Kollegen in Hamburg (die dieses Aufzwingen auch selbst betreiben) keine Bevormundung ist, ein Beharren auf den Regeln der deutschen Rechtschreibung dagegen schon.
Die FDP jedenfalls sieht die Anweisung als „beispielgebende Entscheidung“ und schreibt: „Damit wurde ein Maß an Vernunft bei diesem kontroversen Thema hergestellt.“
Kompliziertes Verwaltungs-Handeln
Der „Spiegel“ wollte das nicht gelten lassen und fragte beim Landkreis zu den genauen Hintergründen der Entscheidung nach – die den Journalisten ganz offensichtlich nicht behagt. Christina Kleinert, Dezernentin für Innere Verwaltung, verwies in ihrer Antwort darauf, dass die „Leitkriterien für die Richtlinie zur Verwendung geschlechtergerechter Kommunikation des Landkreises die rechtssichere Kommunikation der Verwaltung nach außen“ sei und zum anderen „die Pflicht der öffentlichen Verwaltung zur Barrierefreiheit“, was auch „die Barrierefreiheit der Kommunikation“ umfasse.
Jetzt weiß ich endlich, womit Verwaltungen in Deutschland befasst sind. Und warum allzu oft einfachste Dinge unendlich lange zu dauern scheinen. Dass ein Landkreis überhaupt eine „Richtlinie zur Verwendung geschlechtergerechter Kommunikation“ haben muss, ist erstaunlich. Gibt es keine anderen Probleme?
Dem Nachrichtenmagazin gegenüber verwies die Landkreis-Dezernentin darauf, dass „Sonderzeichen wie Sternchen, Bindestriche et cetera von technischen Geräten nicht immer einwandfrei lesbar [seien], was wiederum etwa zu Problemen für blinde und sehbehinderte Personen führen“ könne. Ist das jetzt ein Umweg zur politisch halbwegs korrekten Umgehung der Gendersprache?
Verstöße folgenlos
Laut MDR ist die Dienstanweisung möglicherweise ohnehin nur eine Scheinlösung. Der öffentlich-rechtliche Sender meldet, ihre Durchsetzungskraft sei begrenzt. Wenn Verwaltungsmitarbeitende auf das Genderverbot pfeifen, haben sie demnach keine disziplinarischen Konsequenzen zu fürchten – da es sich nur um eine Richtlinie handle, berichtet der Sender. Warum in alles in der Welt gibt es dann „Richtlinien“, für die viel Zeit und Energie aufgewendet wird?
Der Spiegel schreibt, korrekt gegendert, wenn auch unter Auslassung des bei Journalisten sehr beliebten Wortes „Mitarbeitende“ über Konsequenzen bei möglichen Regelverstößen: „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden in einem solchen Fall lediglich ‚weiter sensibilisiert‘ werden, diese Richtlinie in ihrer Kommunikation umzusetzen.“
Mich hat die ganze Sache auch „sensibilisiert“ – nämlich dafür, dass Verwaltungen und Medien offenbar allzu oft mit den falschen Dingen beschäftigt sind statt mit den Problemen, bei denen die Menschen in diesem Land wirklich der Schuh drückt.
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