Aus der Ferne sieht man besser. Ganz fern lebt Alfred Koch zwar nicht, doch er hat eine andere Perspektive: Der frühere russische Vize-Regierungschef unter Boris Jelzin und Chef der Privatisierungsbehörde lebt heute in Oberbayern und besitzt neben der russischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Er ist Russlanddeutscher – daher der ganz und gar nicht russisch klingende Name. Koch ist Autor zahlreicher Bücher und ständiger Gast in meiner Talkshow im russischsprachigen Sender Ost-West (mehr über den Sender hier). Kochs Ansichten weichen stark vom politischen Zeitgeist bei uns ab und sind politisch oft höchst und erfrischend inkorrekt. So schrieb er etwa im April einen Gastbeitrag auf meiner Seite, in dem er kritisierte, wir würden bei Corona unsere Freiheit verkaufen (siehe hier). Hier nun Kochs Reaktion auf den Terroranschlag heute in Frankreich – eine harte Abrechnung mit der im Westen vorherrschenden Denkweise, die er für eine Lebenslüge hält.
Von Alfred Koch
Es gibt kein Multikulti. Entweder werden sie anfangen, nach unseren Gesetzen zu leben, oder wir werden nach ihren Gesetzen leben. Dieses Problem kann nicht dadurch gelöst werden, das man versucht, irgendwelche Kompromisse zu finden.
Und man sollte nicht so tun, als gäbe es keine Trennung zwischen „wir“ und „sie“. Die gibt das. Und jeder ist sich darüber im Klaren und versteht das. Wenn er ehrlich gegenüber sich selbst ist.
Alle diese schönen Märchen über „den Löwen, der friedlich neben dem Ochsen liegt“ sind nicht mehr als eine schöne Predigt in der Kirche. Eine schöne Vorstellung über das Paradies, die auf der Erde noch nie Wirklichkeit geworden ist .
Die Welt, an die wir gewöhnt sind, die uns vertraut ist, sie ist zusammengebrochen. Die Stunde der großen Herausforderungen ist gekommen. Wie Kaiser Augustus sagte: „Es gibt keine germanischen Gesetze. Es gibt nur römische Gesetze. “
Ich schlage keine Pax Romana vor. Aber können wir hier in Europa noch nach unseren eigenen Gesetzen leben? Oder ist die Zeit, in der das möglich war, bereits vorbei?
Haben wir unsere Identität bereits so weitgehend verloren, dass wir nicht nur vergessen haben, welches Geschlecht wir sind, sondern auch, welche Art von Zivilisation wir sind? An welchen Gott wir glauben? Glauben wir wenigstens noch an irgendetwas?
Haben wir überhaupt noch Werte, die zu verteidigen wir bereit sind, selbst um den Preis unseres eigenen Lebens? Oder ist der höchste Wert für uns heute unsere eigene Haut? Sind wir bereit, für die alles zu verkaufen?
Wenn ja, dann habe ich keine weiteren Fragen mehr. Dann können wir weiter machen, mit den nächsten Kompromissen und Zugeständnissen. Und es wird sich dafür immer eine schön klingende Erklärung finden lassen, von der man sagen kann, alles sei im Geiste des Humanismus und der Toleranz.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Bild: VP Brothers/Shutterstock
Text: gast