Früher waren es die großen Dinge, die in die Geschichte eingingen. Auch wenn sie nur bei der „schönsten Nebensache der Welt“ passierten: Etwa der Sieg der deutschen Nationalmannschaft – die man damals noch so nennen durfte – bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in Bern. Oder der WM-Sieg 20 Jahre später im eigenen Land. An solche Erfolge ist angesichts des desolaten sportlichen Zustands der Nationalmannschaft aktuell nicht einmal zu denken. Ausgerechnet die Politisierung und der „Haltungs“-Wahn sind nach Ansicht von Kritikern für das sportliche Desaster bei der WM in Katar entscheidend mitverantwortlich.
Dennoch wünschen sich unsere Kulturkrieger in Politik und Behörden, dass auch die Weltmeisterschaft 2022 in die deutsche Geschichte eingeht. Und versuchen das künstlich zu erzwingen. Ganz offen gestanden: Als ich, mit etwas Verspätung, die entsprechende Nachricht las, dachte ich zuerst, das muss Satire sein. Ist es aber nicht. Leider.
Der „Spiegel“, einst Sturmgeschütz der Demokratie, jetzt Propaganda-Organ von Rotgrün, schrieb: „Ein Stück Stoff als Teil der Zeitgeschichte: Die ‘One Love‘-Armbinde, die Innenministerin Nancy Faeser beim WM-Spiel gegen Japan auf der Tribüne des Khalifa International Stadium trug, soll künftig im Haus der Geschichte zu sehen sein. Nach SPIEGEL-Informationen wird die SPD-Politikerin die Binde der Stiftung Haus der Geschichte überlassen.“
Amtliche Bauchpinselei
Die Überlassung solle angeblich auf Bitten der Stiftung geschehen, so das Innenministerium. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass die Stiftung vom Bund getragen und finanziert wird. Also genau von der Regierung, der sie auf diese Weise ein Denkmal setzen will. Ob da Beamten-Karrieren durch vorauseilende Ikonenmalerei befördern werden sollen?
Offiziell heißt es, das Haus „bemühe sich um Objekte, die »die vielfältigen Diskussionen um die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar und das Engagement für Vielfalt und Toleranz auf nationaler und internationaler Ebene visualisieren“. Also tatsächlich Ikonenmalerei. Und eine Quadratierung des Kreises.
Die Innenministerin trug die Binde im Stadion direkt neben Fifa-Präsident Gianni Infantino.
Auf einem Bild ist sie mit diesem in inniger, freundlicher Unterhaltung zu sehen. Was der Spiegel seinen Lesern logischerweise verschweigt. Ob dieses Bild im „Haus der Geschichte“ auch zu sehen sein wird? Ob auch dabei stehen wird, dass die gleiche Regierung mit einem Mega-Gas-Deal dem so sehr gescholtenen Katar Unsummen Geld in die Kassen liefert?
Tatsächlich Zeitgeschichte
Faesers Binde als Museums-Exponat – was könnte die Doppelmoral, die Heuchelei, den peinlichen Gratismut, den Moral-Größenwahn und die geradezu absurde Selbstüberschätzung der eigenen Bedeutung und Gesinnung unseres polit-medialen Komplexes besser versinnbildlichen? Insofern ist die Binde im Museum vielleicht wirklich ganz gut aufgehoben – nur unter umgekehrten Vorzeichen. Mit einer Erläuterung für Besucher, die der anvisierten zu 180 Grad entgegenläuft.
Denn wenn dieses Turnier irgendwann in die deutsche Geschichte eingehen sollte, dann wohl als Beispiel dafür, wie Gesinnungsterror, neo-kolonialistischer Größenwahn und moralische Selbstüberschätzung ins Verderben führen.
PS: Kommentar meines Korrektors zu diesem Text: „Für unser Land wäre es besser, Frau Faeser würde ins Museum wechseln…“
Bild: IMAGO / Uwe Kraft