Gastbeitrag von Alfred Koch, Ex-Vize-Ministerpräsident von Russland
1. Erinnern Sie sich an die alte Geschichte mit der Gauß-Kurve, oder Gauß´schen Normalverteilung, wie man sie auch nennt, und den Wahlen in Russland? Wenn es bei der tatsächlichen Verteilung der Stimmen Abweichungen von der Normalverteilungskurve gibt, die der große deutsche Mathematiker Johann Carl Friedrich Gauß (1777-1855) entdeckt hat, ist dies immer ein klarer mathematischer Beweis dafür, dass Daten manipuliert werden. Im Fall der russischen Wahlen konnte man dank dem längst verstorbenen Wissenschafts-Genie aus dem fernen Deutschland so den Betrug nachweisen – etwa durch Einschmeißen von zusätzlichen Wahlzetteln, „Karussells“, bei denen ein und dieselben Wähler von einem Wahllokal ins nächste gefahren wurden und illegal mehrfach abstimmten, und vieles andere mehr.
2. Erinnern Sie sich daran, dass die Behörden uns, als sie die weitgehenden Einschränkungen vorbereiteten, eine dicke und eine dünne Gauß-Kurve gezeigt haben? Damals, als uns von „Peak Smoothing“ usw. erzählt wurde, also man uns sagte, dass man die Kurve flach gestalten müsse, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Das heißt, damals herrschte Konsens, dass sich die Epidemie entsprechend der Gauß-Kurve entwickelt. Wie sollte es auch anders sein – sonst hätte man uns damals keine Gauß-Kurven gezeigt.
3. Wenn plötzlich die Entwicklung von der Gauß-Kurve abweicht, uns zuerst aber eine Gauß-Kurve gezeigt wurde als Prognose, dann ist das ein Beleg dafür, dass hier irgend etwas nicht stimmt. Im besten Falle sind einfach die Daten falsch, etwa, weil die Erhebung schwierig ist. Oder Gauß-Kurven sind gar nicht anzuwenden auf die Epidemie – und die Regierung hat sich mit ihren Prognosen bzw. den Graphiken geirrt. Im schlimmsten Falle kann es sich um Betrug handeln wie bei den Wahlen in Russland, richtig? Somit wäre ein solches Abweichen von der Gauß-Kurve als Minimum der Beweis, dass entweder die Statistiken oder die ursprüngliche Prognose nicht als vertrauenswürdig eingestuft werden können, oder?
4. Sehen Sie sich nun die folgenden beiden Diagramme an. Und prüfen Sie: Sehen sie aus wie Gauß-Kurven?
Auf der ersten Grafik links (Anzahl der Todesfälle pro Tag) sehen wir einen starken Anstieg ausgerechnet immer dann, wenn auf einer Regierungssitzung die Frage diskutiert wurde, ob man die Maßnahmen abschwächen soll. Sobald dann diese Maßnahmen verlängert sind – oh Wunder der Statistik, sinkt die Zahl der Todesfälle wieder. Was es doch für Zufälle gibt!
Auf der zweiten Grafik (Anzahl der Infizierten pro Tag), sind scharfe Sprünge zu sehen. Sie sind schlicht und einfach darauf zurück zu führen, dass es einen starken Anstieg der Anzahl der Tests gab. Dies hat nichts mit der tatsächlichen Zunahme der Zahl der Infizierten zu tun. Das Resultat ist sehr beständig: Es waren und bleiben immer sechs bis acht Prozent der Getesteten, bei denen eine Infektion festgestellt wurde und wird. Wenn Sie am ersten Tag einhundert Tests und am zweiten tausend Tests durchgeführt haben, haben Sie einfach eine Verzehnfachung der positiven Tests – und damit auch der Infektionen.
Als die Regierung die Menschen ein wenig beruhigen musste (vor Ostern), zeigten die Daten plötzlich eine Abschwächung der Epidemie. Als es dieser Tage notwendig war, Unterstützung für die Verlängerung der Maßnahmen zu gewinnen, sahen wir auf einmal eine starke Zunahme der Todesfälle.
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Das alles wäre sehr lustig, wenn es nicht so traurig wäre …
Armer Gauß …
Zum Autor: Alfred Reingoldowitsch Koch ist Wirtschaftswissenschaftler und Russlanddeutscher. Er hat sich in seiner Doktorarbeit intensiv mit Gauß-Kurven befasst. Unter Boris Jelzin war er Vize-Regierungschef und Leiter der Russischen Privatisierungsbehörde. Wladimir Putin kennt er noch aus gemeinsamen Petersburger Tagen. Später fiel er bei seinem alten Bekannten in Ungnade und musste ins Exil. Seit fast zehn Jahren lebt er in Oberbayern und ist inzwischen deutscher Staatsbürger. Er gilt heute als einer der bekanntesten Putin-Kritiker und hat allein auf facebook ein Publikum von mehr als 120.000 Abonnenten.
Ich bemühe mich, mit Gastbeiträgen im Sinne des Pluralismus ein weites Meinungsspektrum abzudecken. Sie geben nicht unbedingt meine Meinung wieder.
Bild: Inductiveload via WIKICOMMONS, Screenshot MDR Thüringen, pixabay