Dunja Hayali war an diesem Wochenende in den Medien allgegenwärtig. Egal, welche Nachrichtenseite man aufmachte – kaum irgendwo fehlte der Hinweis darauf, dass sie bei der „Querdenken 711“-Demonstration attackiert wurde. Sogar der Deutsche Presserat schaltete sich ein und erklärte faktisch die Pressefreiheit für bedroht. Bevor ich Zeit hatte, mich genauer einzulesen, dachte ich, Hayali sei angegriffen worden und war besorgt um die Kollegin.
Als mir dann Leser eine Aufnahme schickten, war ich etwas überrascht: Auf dem Video, das offenbar Hayali selbst aufgenommen hat und das die ganze Zeit mitläuft, ist zwar zu hören, wie sie beschimpft wird – was ohne jeden Zweifel unschön ist. Es gibt Sprechchöre „Lügenpresse“. Es ist aber auch zu verfolgen, wie sie die Demonstranten geradezu herausfordert. Auch die martialisch wirkenden Sicherheitsleute tragen sicher nicht zur Entspannung der Gesprächatmosphäre bei. „Ich habe Frau Hayali auf der Demo live erlebt. Mein Fazit: Rüpelhaft, Arrogant, Rücksichtslos und Unhöflich. Sie und ihr gesamtes Team“, berichtet eine Augenzeugin auf Twitter. Auch andere Demo-Teilnehmer sahen das so. Hier können Sie sich selbst ein Bild machen und Hayalis Video ansehen. Merkwürdig ist die Art der Aufnahmen. Zumindest zum Teil erwecken sie den Eindruck, als seien sie mit verdeckter Kamera gedreht, also ohne Wissen der Aufgenommenen. Auch wenn bei Demonstrationen generell gedreht werden darf, wäre es sehr fragwürdig, wenn dies verdeckt, also heimlich geschieht.
Ich weiß nicht, ob es noch andere Szenen gab. Ich gehe aber davon aus, dass Hayali wohl eher die dramatischeren Momente veröffentlicht hat als die Nicht-Dramatischen. Das, was auf ihrem Video zu sehen ist, hat für mich aber wenig mit dem dramatischen Duktus zu tun, in dem der Vorfall vor allem in den Schlagzeilen verbreitet wurde. Und eine Mehrheit der Menschen liest heute nur noch die Schlagzeilen.
Hayali verhielt sich wie ein Fan von Borussia Dortmund, der sich in voller BVB-Montur – Hayali ist bekannt und sofort zu erkennen – in den Fanblock von Bayern München mischt. Und dann ständig sagt, wie blöd die Münchner doch seien. Dass sich bei so einem Verhalten über kurz oder lang Menschen finden, die ausfallend werden, ist völlig unvermeidlich. Hayali hat ja nicht nur gefragt – sie reagiert teilweise abwertend und arrogant (Zitat: „Selbst Kinder! Wahnsinn!“). Ist so ein Verhalten journalistisch? Es ist zumindest zulässig. Aber dass man dafür angepöbelt wird, ist absolut vorhersehbar.
Als ich vor zwei Wochen bei einer linken Demo „Gegen Polizeigewalt“ massivst gemobbt wurde, man mich mit Körpereinsatz am Filmen hinderte, per Lautsprecher die Menge faktisch gegen mich aufhetzte, mich bedrohte und ich schließlich durchs Gebüsch fliehen musste, hatte ich schon vorher absichtlich auf jedes Befragen der Teilnehmer verzichtet und nur gefilmt. Trotzdem wurde versucht, mir die Kamera aus der Hand zu schlagen, mir wurden Mittelfinger gezeigt, ich wurde beleidigt. Wäre ich geblieben, hätte es Gewalt gegeben, davor hatten mich auch die Polizisten gewarnt. Ich wollte keine Eskalation und bin gegangen (meine Reportage finden Sie hier). Kein einziges Medium hat über die Attacken gegen mich berichtet. Der Deutsche Presserat schwieg. Drastischer ist die Doppelmoral und Scheinheiligkeit unserer Branche wohl kaum zu belegen.
Hayali war zu keinem Zeitpunkt gefährdet. So weit bekannt, versuchte anders als in meinem Fall niemand, sie zu schlagen, keine Veranstalter hetzten die Menschen via Lautsprecher gegen sie auf, sie hatte Sicherheitsleute dabei, die Menge war, wie ich sie erlebte, ausgesprochen friedlich. Hayalis Mut war gratis und wirkte inszeniert. Genauso wie das sofortige Veröffentlichen von Hass-Zuschriften. Ich bekomme die auch regelmäßig. Mitsamt Drohungen.
Das ZDF wurde wiederholt beim Manipulieren ertappt – zuletzt etwa dabei, wie es in „heute“ ältere Aufnahmen nach den Randalen von Frankfurt als aktuell ausgab (siehe hier). Im ZDF wird regelmäßig der Eindruck erweckt, Menschen auf den Corona-Demos seien Rechtsextreme oder würden sich zumindest nicht von diesen abgrenzen. Dass die Menschen, die so diffamiert werden, schlecht auf das ZDF zu sprechen sind, ist leider logisch. Anders als etwa mich bei der „(Migr)Antifa“-Demo griff keiner der Demonstranten die ZDF-Journalistin an. Niemand versuchte sie am drehen zu hindern, kein Ordner verwies sie der Demo, niemand hetzte die Menge per Lautsprecher gegen sie auf.
In dem Video, das Hayali drehte, ist zu erkennen, wo das Problem liegt: In ihrer geradezu demonstrativen Arroganz und Selbstgewissheit, mit der sie sich im Besitz der Wahrheit glaubt. Darin, dass sie so tut, als sei sie zum Dialog offen, es aber immer bei einem Scheindialog belässt, bei dem sie allzu deutlich macht, für was sie ihre Gegenüber hält: für Idioten. Ihr Fazit in dem Video nach dem Demo-Besuch: „Es ist eine gefährliche Melange, die sich hier zusammen findet“. Wer so in den Wald ruft, sollte sich nicht wundern, wenn es nicht allzu freundlich zurück schallt.
Gegen Ende ihres Drehs sagt Hayali noch: „Ich bin gespannt, was wir aus dem Material machen. Wie Sie wissen, schneiden wir das alles zusammen, wie es uns in den Kram passt.“ Sie meint das ironisch. Und merkt gar nicht, wie völlig deplatziert das ist. Dann sagt sie noch: „Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen als Presse. Wir müssen zeigen, was ist.“ Sie scheint das wirklich zu glauben und gar nicht zu ahnen, dass dies für viele Menschen wie Hohn klingt. Sie fühlt sich offenbar im Besitz der Wahrheit. Und damit im Recht, alles auszublenden, was nicht zu dieser passt.
An dieser Hybris, diesem moralischen Größenwahn leidet fast die ganze Branche. Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt – Branchen-Spitzname „Porsche-hat“ wegen seiner Liebe zu Luxusschlitten – twitterte zu einer Meldung, dass „15.000 demonstrieren“ (so die Zahl bei ihm): „Doofe Frage: Wie kann das sein?“
Ja, die Frage ist wirklich doof! Und spricht Bände, wie abgehoben die Chefetage (und nicht nur die) in den Medien wirklich ist. „Das“ liegt unter anderem daran, dass so viele Menschen das Vertrauen in die Medien völlig verloren haben, gerade in die Corona-Berichterstattung. Weil diese oft eher Angstmache und Dogmen-Verkündung gleicht als kritischer Berichterstattung. Weil nicht hinterfragt wird, weil kritische Stimmen nicht zu Wort kommen. Genau deswegen haben so viele jetzt auch in Sachen Corona ein massives Misstrauen – das eine entsprechende Gegenreaktion auslöst. Die Demonstration war eine der Folgen.
Aber zu Selbstkritik scheinen in der Branche die meisten nicht mehr fähig. Statt dessen beschimpfen sie lieber die Leser bzw. Zuschauer. Sie halten sich für etwas Besseres. Für eine Art neue Aristokratie. Die Avantgarde des neuen, grünen, modernen Sozialismus – der im Porsche vorgefahren kommt statt im Trabant. In dem die Moralibans Fernreisen machen dürfen und der Pöbel unter Öko-Strom-Preisen stöhnt. In dem sie über den anderen stehen.
Wie weit die Hybris reicht, zeigt eine Anekdote, die mir eine ZDF-Kollegin (m/w/d) schon vor Monaten schrieb. Sie beliefert mich seit langem mit Insider-Informationen, die sich allesamt als zuverlässig herausgestellt haben. Deshalb vertraue ich ihr. Ich habe mich bisher gescheut, die Geschichte zu veröffentlichen. Aber da Hayali sich derart als Moral-Inhaberin inszeniert, finde ich es wichtig, auch Vorkommnisse zu benennen, die am Heiligenschein kratzen könnten – statt sie zu verschweigen.
„Die Hayali ist doch das Vorzeigemodell des ZDF, da dürfen Sie nicht an der Lichtgestalt herum mosern. Mit ihrem Bild war lange die „Schnitzelpiste“ plakatiert (Übergang vom Hochhaus zur Meistermannhalle) mit der Überschrift ‘Haltung zeigen‘, sie darf sich im ZDF alles erlauben, sie ist quasi die personifizierte Abbildung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, schrieb mir die Kollegin damals mit Galgenhumor: „Eine Geschichte, die sehr viel aussagt über sie: Früher gab es auf dem ZDF-Gelände Wachhunde mit ausgebildeten Hundeführern, die nachts das Gelände bewachten. Sie wurden abgeschafft. Warum? Weil der damalige Verwaltungsdirektor es den Mitarbeitern verboten hat, Hunde in die Arbeit mitzubringen. Daraufhin echauffierte sich unsere Kollegin, dass die Wachhunde trotz des Verbots der ‚Privathunde‘ immer noch da seien. Das führte letztendlich dazu, dass die Wachhunde abgeschafft wurden. Haltung zuerst!“
Anders als die Wachhunde sei Hayalis Hund nach dem Verbot allerdings noch auf dem ZDF-Gelände gesichtet worden, berichtet die Insiderin. Gibt es da Gleiche und Gleichere? In dem oben verlinkten Video von Hayali auf der Demo sagt diese gegen Ende, wie sehr sie sich jetzt auf „ihren Köter“ freue. Und dann erzählt sie im Video noch zum Abschied mit ganz verträumten Augen, was sie für ein „Fell“ zu Hause habe, das sei „kuschelig, stinkig, dreckig“, aber es sei ihres: „Ich freue mich jetzt sehr auf Wilma“. Bei diesen Worten musste ich an die Wachhund-Geschichte denken. Und sagte mir: „Jetzt musst du sie doch schreiben!“
Spannend auch, wie die Story nach den Worten der Kollegin bekannt wurde: „Hochgekocht ist die Geschichte mit den Wachhunden, als vor vier bis fünf Jahren an Heiligabend ein Dutzend Kurden auf das ZDF-Gelände eingedrungen und zum Hochhaus marschiert ist. Sie wollten aus dem Nachrichtenstudio senden! Die Mitarbeiter an der Pforte – übrigens Mitarbeiter einer Fremdfirma und bezahlt zum Mindestlohn – haben sich unter den Tischen versteckt, als sie die Bedrohung sahen. Ich kann denen das nicht verübeln. Um die aufgebrachten Kurden hat sich eine türkischstämmige Redakteurin bemüht, bis dann schließlich die Polizei kam und die Kurden gebeten hat das Gelände zu verlassen. Darüber finden Sie kaum etwas in der Presse, denn aus Angst vor einem Nachahmungseffekt hat man die lokale Presse gebeten, darüber nicht zu berichten!“
Bild: Frank Schwichtenberg/Wikicommons/CC BY-SA 3.0/bearbeitet/Ekaterina QuehlText: red