Der Tipp kam direkt aus dem Berliner Abgeordnetenhaus. Im Gespräch mit einem der Volksvertreter kam ich darauf zu sprechen, dass die Berliner Polizei seit fast zwei Wochen meine Presseanfrage ignoriert – und damit meine Arbeit als Journalist erheblich erschwert. Es geht mir darum, Rechtssicherheit zu bekommen, nachdem ich vor zwei Wochen von der Polizei für „hirnverbrechig“ erklärt und um ein Haar von einer Anti-Rassismus-Demonstration geschmissen wurde (siehe hier). Angeblich, weil ich beim Drehen und Kommentieren keine Maske anhatte, obwohl die Presse bei der Arbeit von der Maskenpflicht ausgenommen ist. Und obwohl gleichzeitig viele andere ebenfalls keine Maske anhatten und von der Polizei in Ruhe gelassen wurden. Für künftige Demonstrationen will ich deshalb eine schriftliche Antwort der Polizei, die ich dann auch vorzeigen kann. Der Abgeordnete riet mir zur Prüfung, ob das Schweigen der Polizei nicht eine Diskriminierung im Sinne des neuen Berliner Antidiskriminierungsgesetzes darstellt.
Das ist insbesondere deshalb einmalig, weil dort quasi die Unschuldsvermutung umgedreht wird – und schon eine Vermutung ausreicht, dass die Behörde ihre Unschuld nachweisen muss. Der Abgeordnete hatte Recht mit seiner Ankündigung, dass ich gleich mehrere Diskriminierungen finden werde. Denn nach diesem neuen Gesetz, dass der rot-rot-grüne Senat durchdrückte, muss man sich geradezu anstrengen, sich nicht diskriminiert zu fühlen. Das möchte ich mit meinem Schreiben an die Berliner Polizei und der Einforderung von Schadenersatz (in Höhe von einem Cent) deutlich machen. Angesichts der politischen Situation im fest real existierenden Sozialismus in der Bundeshauptstadt ist Galgenhumor die einzige Reaktion, die einem den Verstand retten kann. Und vor allem den Irrsinn entlarven.
Hier mein Brief vom 13. Juli an die Berliner Polizei:
An die Präsidentin
der Berliner Polizei
Sehr geehrte Frau Dr. Slowik,
hiermit möchte ich Verstöße durch die Polizei melden gegen das Berliner Pressegesetz sowie das neue Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz und Sie um eine Stellungnahme, um unverzügliche Abhilfe und um Schadenersatz bitten.
Sie haben mir auf meine beiliegende Presseanfrage vom 29. Juni 2020 seit nun fast zwei Wochen nicht geantwortet. Ich bekam nicht einmal eine Eingangsbestätigung.
Die von mir angestrebte Rechtssicherheit für meine Berichterstattung ist damit nicht gewährleistet und ich bin damit in meiner Arbeit als Journalist beeinträchtigt.
Das Berliner Pressegesetz schreibt in § 4 – Informationsrecht der Presse – in Absatz 1 vor: „Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse, die sich als solche ausweisen, zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe Auskünfte zu erteilen.“Mit meiner Seite www.reitschuster.de erreiche ich monatlich bis zu einer halben Million Besucher und eine Million Aufrufe. Eine öffentliche Aufgabe ist insofern durchaus gegeben.
Ich sehe in Ihrem Ignorieren meiner Presseanfrage einen klaren Verstoß gegen diese gesetzliche Bestimmung.
Zudem liegt ein Verstoß gegen das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) vor.
Darin heißt in es Paragraph §2 – Diskriminierungsverbot: „Kein Mensch darf im Rahmen öffentlich-rechtlichen Handelns aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, einer rassistischen Zuschreibung, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkrankung, des Lebensalters, der Sprache, der sexuellen und geschlechtlichen Identität sowie des sozialen Status diskriminiert werden.“
Weiter heißt es in §4 – Formen der Diskriminierung, in Absatz 1: „Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person wegen eines oder mehrerer der in § 2 genannten Gründe eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde und die Ungleichbehandlung nicht nach § 5 gerechtfertigt ist.“
Ich werde hier offensichtlich aufgrund des sozialen Status als freier Journalist diskriminiert. Die Berliner Polizei beantwortet Presseanfragen gewöhnlich operativ, insbesondere, wenn sie von Journalisten gestellt werden, die bei alteingesessenen Medien arbeiten. In meinen vielen Jahren bei großen Medien wie dem Focus, der dpa und der AFP wurden alle meine Presseanfragen jeweils am gleichen Tag beantwortet, in Ausnahmefällen bekam ich am gleichen Tag Bescheid, dass die Beantwortung noch etwas Zeit in Anspruch nehme. Nun als freier Journalist bekomme ich zwei Wochen keinerlei Rückmeldung auf meine Presseanfrage.
Bereits bei dem Ereignis, das zu der Presseanfrage führte, äußerte sich der Polizist in einer für mich abfällig wirkenden Weise darüber, dass ich freier Journalist bin. Der entsprechende Moment ist von mir auf Video dokumentiert. Ich erhalte hier eindeutig eine „wenig günstigere Behandlung“ als „eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt“ – genau diesen Tatbestand definiert das Gesetz als Diskriminierung. Und es ist auch möglich, dass ich diese Diskriminierung weiter erfahren würde – das Gesetz schließt ausdrücklich auch einen solchen Konjunktiv mit ein.
Ich verweise in diesem Zusammenhang explizit auf §7 – Vermutungsregelung – des neuen Gesetzes, in dem es heißt: „Werden Tatsachen glaubhaft gemacht, die das Vorliegen eines Verstoßes gegen § 2 oder § 6 wahrscheinlich machen, obliegt es der öffentlichen Stelle, den Verstoß zu widerlegen.“Ich bitte Sie insofern um Widerlegung der Vermutung, die Ihnen laut Gesetz obliegt. Insbesondere bitte ich um eine Statistik der Schnelligkeit der Beantwortung von Pressevertretern, gestaffelt nach deren sozialen Status, insbesondere Zugehörigkeit zu einem der alteingesessenen Medien.Rein vorsorglich weise ich darauf hin, dass ich auch eine Diskriminierung nach anderen in Paragraf 2 genannten Vorzeichen durchaus vermute: etwa aufgrund der Weltanschauung, die nicht links und nicht grün ist. Zudem liegt der Verdacht einer Diskriminierung aufgrund der ethischen Herkunft nahe aufgrund meines südländischen Äußeren und meines ausländischen Vornamens und bayerischen Nachnamens, ebenso eine Diskriminierung aufgrund des Lebensalters und der geschlechtlichen Identität – als „alter weißer Mann“, sowie der Sprache – süddeutscher Spracheinschlag. Ich habe die Vermutung, dass Sie etwa einer jungen Journalistin mit grüner Weltanschauung ohne süddeutschen Spracheinschlag schneller geantwortet hätten.
Wie gesagt, letzter Satz ist eine Vermutung, aber das neue Gesetz enthält ja ausdrücklich eine Vermutungsregelung. Insofern bitte ich Sie, wie es Ihnen nach §7, also besagter Vermutungsregelung obliegt, „den Verstoß zu widerlegen“.Laut Gesetz sind Sie zum Schadenersatz verpflichtet. In §8 – Schadensersatzpflicht; Rechtsweg – heißt es dazu: „Bei einem Verstoß gegen § 2 oder § 6 ist die öffentliche Stelle, in deren Verantwortungsbereich die Diskriminierung stattgefunden hat, verpflichtet, der diskriminierten Person den hierdurch entstehenden Schaden zu ersetzen.“ Sowie in Absatz 2: „Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann die diskriminierte Person eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.“
Aufgrund der angespannten Finanzlage des Landes Berlin, und da eine Geldstrafe indirekt ohnehin meine Verwandten in Süddeutschland bezahlen müssten über den Länderfinanzausgleich, und da ich das Landesantidiskriminierungsgesetz in der vorliegenden Form für absurd halte, insbesondere die Vermutungsregelung, mache ich lediglich einen symbolischen Schadenersatz in Höhe von 0,01 Euro – in Worten einen Cent – geltend. Die Polizei hat in meinen Augen durch dieses Gesetz genug Schaden.Besten Dank im Voraus und freundliche Grüße Boris Reitschuster Anlage:Kopie meiner Presseanfrage vom 29. Juni 2020 um 00:25:37 MESZ
Sehr geehrte Damen und Herren,
bei der Kundgebung „Black Live Matters“ am 27.6.2020 am großen Stern kam es zu Kontroversen zwischen Beamten der Berliner Polizei und mir im im Hinblick auf das Tragen eines Mundschutzes. Herr Cablitz, der Pressechef der Berliner Polizei, bestätigte mir meine Sicht der Dinge, dass ich als Pressevertreter dazu nicht verpflichtet bin, insbesondere, da ich Videoaufnahmen mit parallelen Aufsagern – also Toneinsprechern – mache. Andere Beamten waren aber anderer Ansicht und untersagten mir die weitere Arbeit ohne Mundschutz. Gestatten Sie mir dazu folgende Fragen:1.) Auf welcher rechtlichen Grundlage gilt für Journalisten während der Ausübung ihres Berufes bei Veranstaltungen unter freiem Himmel die Pflicht zum Tragen von Mundschutza) generell?b) während der Aufzeichnung von separaten oder parallelen Ton- und Videoaufnahmen/Aufsprechern? 2.) Inwieweit gilt eine mögliche entsprechende Pflicht, wenn sich Berichterstatter nur in der Nähe der Veranstaltung aufhalten wie teilweise in meinem Fall?3.) Der Veranstalter und die Polizei drohten mir an, mich von der Veranstaltung zu verweisen wegen des Nicht-Tragens des Mundschutzes. Zu diesem Zeitpunkt war ich aber m. E. gar nicht auf der Veranstaltung, sondern außerhalb. a) Inwieweit ist eine Verweisung eines Pressevertreters von einer Veranstaltung auf öffentlichem Grund unter freiem Himmel allein wegen des Nicht-Tragens eines Mundschutzes möglich und ggf. auf welcher Rechtsgrundlage?b) Inwieweit ist eine Verweisung eines Pressevertreters von der Umgebung einer Veranstaltung unter freiem Himmel – also beim Befinden außerhalb, aber in der Nähe – allein wegen des Nicht-Tragens eines Mundschutzes möglich?4.) Während ich wegen des Nicht-Tragens eines Mundschutzes keinen Zugang zur Veranstaltung bzw. zur Nähe der Veranstaltung bekam, waren zahlreiche andere Teilnehmer ohne Mundschutz unterwegs, was ich mit Videomaterial belegen kann. Polizisten waren hier teilweise in unmittelbarer Nähe und schritten anders als bei mir nicht ein. Auf welcher Rechtsgrundlage wurden Pressevertreter und Teilnehmer hier unterschiedlich behandelt?5.) Bei der wenige Kilometer entfernten „gay pride“-Parade war ein erheblicher Teil der Teilnehmer ohne Mundschutz, ebenso bei diversen anderen Veranstaltungen in den vergangenen Wochen. Polizisten waren hier teilweise in unmittelbarer Nähe und schritten anders als bei mir nicht ein. Warum wurden hier andere Maßstäbe angelegt als am Großen Stern?
Da eine meiner letzten Anfragen automatisch als Beschwerde behandelt und an die Beschwerde-Abteilung weitergegeben wurde, weise ich hier ausdrücklich darauf hin, dass ich dies nicht wünsche (zumal ich mich mit den Beamten in gutem Einvernehmen getrennt habe) und das Ziel meiner Anfrage einzig und allein ist, die rechtliche Grundlage zu eruieren, um über diese zu berichten und auch anderen Kollegen für zukünftige Berichterstattung zu Rechtssicherheit zu verhelfen.
Besten Dank im Voraus und freundliche Grüße
Boris Reitschuster
Bild: Pxhere (Symbolbild)/Ekaterina Quehl