Ein Gastbeitrag von Josef Kraus, Bildungs- und Bundeswehrexperte
Der Wahn der Gendersprache nimmt fast täglich immer verrücktere Dimensionen an: Es gibt mittlerweile Professuren für „gendergerechte Linguistik“, Großkommunen wie Hannover und Gleichstellungsreferenten öffentlicher Einrichtungen schreiben ihren Bediensteten den Gebrauch „geschlechtersensibler“ Sprache vor, Hochschulen verlangen „geschlechtergerechte“ Sprache in Abschlussarbeiten usw. Und vor allem die vermeintliche Avantgarde der Medien und der (vor allem „grünen“) Talkshowdauergäste bietet im raschen Wechsel neue Sprachbarbareien: GästInnen (Anne Will), MitgliederInnen (quer durch alle Parteien), SteuerInnenzahler (Annalena Baerboeck), SpatzInnen, Planetin Erde (jeweils Katrin Göring-Eckardt). Das Majuskel-I soll sogar mittels Glottisschlags (vulgo: Zungenschnalzer) aussprechbar sein, wie ZDF-Mann (!) Claus Kleber mit seinen, allerdings schier der Logopädie bedürftigen Bemühungen belegen will.
Jetzt hat sich wieder einmal und ganz aktuell die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) gendergerecht ins Zeug gelegt. Seit wenigen Wochen gibt es einen EKD-Leitfaden mit dem kuriosen Titel „Sie ist unser bester Mann! – Tipps für eine geschlechtergerechte Sprache“. Dazu weiter unten!
Eigentlich hätte die EKD in Corona-Zeiten ja anderes zu tun, zum Beispiel die vielen wegen Corona seelisch oder wirtschaftlich abgestürzten Menschen aufzufangen – oder noch wichtiger: sich endlich selbstkritisch damit zu beschäftigen, warum im Jahrfünft von 2014 bis inkl. 2018 insgesamt 1,088 Millionen Menschen der evangelischen Kirche Deutschlands den Rücken kehrten. (Zum Vergleich: Bei der kathol. Kirche waren es annähernd so viele: 0,945 Mio.)
Dass die EKD genderberauscht ist, entnimmt man regelmäßig den Programmen ihrer Kirchentage. Beispiel: ein Liederbuch vom 2017er Kirchentag. Das Nachtgedicht von Matthias Claudius „Der Mond ist aufgegangen“ wurde gendermäßig vergewaltigt: aus dem Vers „so legt euch denn, ihr Brüder“ wurde „so legt euch Schwestern, Brüder“, aus dem „kranken Nachbarn“ wurden „alle kranken Menschen“. Staat „Lobet den Herren“ wurde „Lobet die Ew’ge“ gesungen.
Einen ersten Hype in Sachen „Gendergerechte Sprache“ hatte die evangelische Kirche mit einer „Bibel in gerechter Sprache“ fabriziert. Zwischen 2001 und 2006 hatten 52 Bibelwissenschaftler (40mal w, 12mal m) dieses „Werk“ erarbeitet. Die EKD war offiziell nicht mit von der Partie, sie verbot das „Werk“ aber auch nicht für die Seelsorge und für die Gottesdienste. „Prominente“ Fürsprache erfuhr diese Bibel von der damaligen Landesbischöfin Margot Käßmann. So kam eine Bibel zustande mit Hirtinnen und Hirten, Zöllnerinnen und Zöllnern, Apostelinnen und Aposteln (bzw. kaum noch lesbar: ApostelInnen). „Gott“ war auf einmal tot, denn jetzt hieß er mal der Ewige, mal die Ewige, mal die Lebendige, mal der Lebendige, mal die Eine, mal der Eine. Sogar das wunderbare Wort „Herr“ war dahin. Und „Herrin“ ging ja auch nicht, das wäre ja nur ein suffixgeneriertes Anhängsel des Herrn. Mit dem „Vater unser“ war ebenfalls Schluss, jetzt betete man: „Du bist uns Vater und Mutter im Himmel …“ Und damit ja alle Lebensgemeinschaftsabschnittsformen erfasst wurden und die nicht-ehelichen Gemeinschaften keine Diskriminierung erfuhren, hieß das sechste Gebot nicht mehr „Du sollst nicht ehebrechen“, sondern „Verletze keine Lebenspartnerschaft.“
Mittlerweile, nämlich seit April 2014, betreibt die der EKD ein „Studienzentrum der EKD für Genderfragen in Kirche und Theologie“. Es widmet sich – so die Selbstbeschreibung – der Auswertung wissenschaftlicher Forschungsansätze und deren Auswertung für die kirchliche Praxis. Ein besonderes Augenmerk liege dabei auf der wissenschaftlichen Theologie, den Sozialwissenschaften und den Gender Studies. Vorrangige Zielgruppe des Studienzentrums seien die Funktions- und Leitungsebenen der evangelischen Kirche.
Nun toppt sich die EKD selbst. Im April 2020 veröffentlichte sie ein zwölfseitiges Faltblatt mit dem Titel „Sie ist unser bester Mann! – Tipps für eine geschlechtergerechte Sprache“. Verantwortlich dafür zeichnet Oberkirchenrätin Dr. Kristin Bergmann vom Referat für Chancengerechtigkeit. Und man hat umwerfende Begründungen parat: Gendersensible Sprache sei ein Zeichen der Höflichkeit und des Respekts. Außerdem würden die Anregungen und Beispiele zeigen: Geschlechtergerechte Sprache komme ohne unverständliche Wortungetüme und Sprachvorschriften aus. Und zum Trost: „Das erfordert Kreativität und Übung. Aber es lohnt sich!“
Propagiert werden sodann „Für Mitdenkende: Substantivierte Partizipien“ – also statt Mitarbeiter Mitarbeitende, statt Spender Spendende usw. Zudem werden „geschlechtsumfassende Begriffe“ empfohlen: statt Ansprechpartner Ansprechpersonen, statt Rednerpult Redepult, statt keiner niemand. (Wobei den schlauen EKD-LinguistInnen entgangen ist, dass auch in „niemand“ der Mann steckt).
Auf Seite 8 folgt dann das eigentliche Motiv all dieser EKD-Genderei: Man will Avantgarde sein. So wird denn auch „Avantgardist*innen“ der Gender-Stern, der Gender-Unterstrich und der Gender-Doppelpunkt empfohlen. Wörtlich: der*die Antragsteller*in, der_die Unterzeichner_in, der:die Mitarbeiter:in. Begründung: „Auch in Formularen kann die Vielfalt der Geschlechter so platzsparend dargestellt werden. Diese Formen sind allerdings für die Verwendung in Rechtstexten nicht vorgesehen.“
Den Gipfel der sprachlichen Verwirrung erklimmen die EKD-Sprachbarbar:_*/Innen mit der Empfehlung, die Geschlechter abwechselnd zu verwenden. Hier der umwerfende EKD-Beispielsatz: „Die Organisation bietet verschiedene Ausbildungen an, unter anderem zur Schreinerin, zum Schneider, zur Geigenbauerin sowie zum Friseur.“ Und auch die persönliche Anrede muss d’ran glauben: Statt „Sehr geehrte Damen und Herren“ soll es zudem heißen „Sehr geehrte Anwesende“. Die rund 60 diversen Geschlechter, die es angeblich gibt, lassen grüßen.
Bei so viel avantgardistischer Realsatire ist man versucht, das Ganze fragend zu toppen. Wann kommt der/die/das Teufel*_:/In? Wann kommt Jesa Christa?
Und eine Wette zum Schluss: Es wird nicht lange dauern und die katholische Kirche wird sich in ökumenischer Eintracht solch „avantgardistischem“ Gehabe ebenfalls unterwerfen.
Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl)
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