„Bei ARD & Co. sind jetzt auch Bischöfe Nazis“ – unter dieser Überschrift habe ich hier vergangene Woche einen Artikel über die Skandalisierung eines Appells von Bischöfen und Theologen geschrieben, in dem diese sich kritisch mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie auseinandersetzten. Sie wurden ohne inhaltliche Auseinandersetzung und mit teilweise manipulierender Wiedergabe des Textes von vielen Medien, etwa auch der ARD, als Verschwörungstheoretiker und „Rechtspopulisten“ hingestellt. Einer der Unterzeichner, Professor Felix Dirsch, schrieb mir einen Leserbrief, in dem er sich für die sachliche Berichterstattung auf reitschuster.de bedankte. Ich schlug ihm vor, zu beschreiben, wie er den Umgang der Presse mit dem von ihm mit unterzeichneten Brief erlebte. Hier das Resultat:
Gastbeitrag von Professor Felix Dirsch, katholischer Theologe und Politikwissenschaftler.
Alle gegen einige
Statt sachlicher Auseinandersetzung zeigt die Debatte über den Viganò-Appell die üblichen medial-inquisitorischen Reflexe.
In unserer so medienpluralen Zeit, die von Klicks und Gigabytes, mit denen man ungeheuer viel Geld verdienen kann, besessen ist, ist es nicht leicht Themen zu setzen, über die breit diskutiert wird. Oft schaffen es nur Aufreger in die Leitmedien – und von dort in zahllose Nebenkanäle.
Dem Appell „Veritas liberabit vos“ ist das Kunststück einer kontroversen, wenn auch weithin einseitigen Rezeption gelungen. Das Dokument wurde im Vatikan (in Zusammenarbeit mit diversen Fachleuten) erstellt. Kurienkardinäle und Kurienerzbischöfe wie Gerhard L. Müller, Joseph Zen Zen-kiun und Carlo M. Viganó fungierten als Erstunterzeichner. Zahlreiche Unterstützter, Mediziner, Juristen und andere, zumeist Gläubige, setzten seit der Veröffentlichung ihren Namen unter das Schreiben.
Dass ein solcher Aufruf nicht der Weisheit letzter Schluss ist – darüber ist kein Wort zu verlieren. Auch dieser Text, der sich an alle Menschen guten Willens richtet und keine spezifisch dogmatischen Themen beinhaltet, kann manches nur vage andeuten. Genauere Begründungen mancher Thesen fehlen. So weit, so richtig die Einwände. Freilich ist ein solches Papier verfasst, um zum Nachdenken anzuregen. Es will keine umfangreiche Abhandlung ersetzen.
Der am Zeitgeschehen Interessierte wird etliches finden, das weltweit breit debattiert wird: Dazu zählt der Hinweis auf die Gefahren neuer Tracking-Apps, die weltweit verbesserte Kontrollen ermöglichen dürften, die Kritik an Freiheitsbeschränkungen und Corona-Panikmacherei, auf die eine ganze Phalanx von Virologen und anderen Fachleuten hingewiesen hat (von Sucharit Bhakdi über Karin Mölling bis Hendrik Streeck). Mit Recht werden die Gottesdienstverbote aufs Korn genommen. Besonders Ablehnung hat der Hinweis auf die Gefahren einer Weltregierung hervorgerufen.
Wie bei anderen Debatten der letzten Jahre fällt ein besonders besorgniserregender Umstand auf: Zwar können abweichende Meinungen durchaus geäußert werden; allerdings dominiert ein Grundzug, der auf eine eher „subtile Diktatur“ infolge der tendenziösen Ausrichtung der Leit- und Qualitätsmedien hindeutet: die Ausgrenzung und Diskreditierung von Dissidenten, deren Anliegen auch dann ohne Prüfung des Sachverhalts zurückgewiesen wird, wenn die Stellungnahme viele Ansatzpunkte im aktuellen Diskurs findet. Einer der Mitunterzeichner, Athanasius Schneider, Weihbischof in Astana (Kasachstan), zeigte sich bestürzt über die allgegenwärtige „demagogische und publikumswirksame Rhetorik“. In einer persönlichen Erklärung verweist er unter anderem auf die freiheitsgefährdenden Folgen des Impfzwangs. Nicht nur im Fall des so genannten Viganò-Papiers kann man über die Defizite der vorherrschenden Debattenkultur nur den Kopf schütteln.
Dass Staatsmedien wie ARD und ZDF abweichende Ansichten als „verschwörungstheoretisch“ zurückweisen, ohne diesen facettenreichen Begriff zu definieren, ist alles andere als erstaunlich. Dass sich aber die Deutsche Bischofskonferenz von dem Aufruf distanziert, darf als starkes Stück gelten. Noch kritikwürdiger ist die Art und Weise des Umgangs mit den Mitbrüdern. Die üblichen Sprechblasen („Rechtspopulismus“, „Verschwörungstheorie“ und so fort) belegen die Übernahme des notorischen linken und linksliberalen Propagandaarsenals. Nicht nur der Essener Generalvikar Pfeffer outete sich als Zeitgeistlicher. Die Konformismus-Kirche, so lässt sich pointieren, hat wieder zugeschlagen. Nicht wenige dürften sich an bekannte kirchliche Stellungnahmen zur illegalen Masseneinwanderung erinnern, die 2015/16 ihren Höhepunkt erreichte. Dass prominente katholische Laien wie der ZdK-Vorsitzende Thomas Sternberg sich mit einem jämmerlichen Kommentar zu Wort meldeten, schlägt dem sprichwörtlichen Fass den Boden aus. Selbstredend ohne inhaltliche Auseinandersetzung sieht Herr Professor den Ruf des Kardinals Müller ruiniert, auf den sich der Shitstorm fokussierte. Aha, will man da nur sagen: Impulse zu Zeitdebatten, die nicht politisch korrekt sind, ruinieren also den Ruf des Beiträgers! Dabei hat Müller selbst keine Zeile verfasst. Sogar als „Hans-Georg Maaßen der katholischen Kirche“ etikettierte ein Journalist den standfesten Kirchenmann, der den Vergleich mit dem ausgezeichneten Juristen durchaus als Lob verstehen darf.
Besonders peinlich mutet das Agieren der Regime-Kleriker vor dem Hintergrund des Schreibens der Bischöfe zum 75. Jahrestages des Kriegsendes an. Darin werden Verbindungen zahlreicher Katholiken zum NS-Unrechtsstaat zugegeben, die ohnehin relativ unstrittig sind. Ohne Schuld blieben in der Tat nur wenige. Allein deshalb steht der längst üblich gewordene erhobene Zeigefinger den Nachgeborenen nicht an! Die vielen Gegner unter den Christen, die ihre Stimme erhoben haben, werden aufgrund des Unterwürfigkeitsgestus unter den Zeitgeist nicht näher thematisiert. Dass dieser Kreis eher überschaubar war, kann auch nach heutigen Erfahrungen kaum verwundern. Gern führt sich der bundesdeutsche Beamtenkatholizismus – wie weite Teile der Nachkriegsgesellschaft – als „Scharfrichter“ (Walter Kardinal Brandmüller) auf. Man gewinnt nicht den Eindruck, dass die heutigen Kirchenoberen den staatlichen Instanzen gegenüber kritischer gesonnen sind als damalige. Während in den dunklen 12 Jahren die Furcht vor Repressalien der Machthaber verständlicherweise bei vielen vorherrschte, ist es heute die Angst vor dem Virus, die freilich häufig nur vorgeschoben wird, um Freiheitsrechte abzubauen.
Bedauerlich empfindet es der Verfasser dieser Zeilen, der ebenfalls seinen Namen unter das Dokument gesetzt hat, dass auch das katholisch-konservative Lager bezüglich des Appells gespalten ist. Immerhin ließ die Wochenzeitung „Die Tagespost“ zwei bekannte Unterzeichner, Müller und Schneider, selbst zu Wort kommen. Selbst der als glaubenstreu bekannte Historiker Roberto de Mattei hinterfragte die Kompetenz der Bischöfe. Dabei hätte er in Rechnung stellen müssen, dass kirchliche Würdenträger zu Fragen des Gemeinwohles sehr wohl ihre Meinung äußern können. Dem Lehramt kommt bei solchen Themen selbstverständlich nicht in gleichem Maß Verbindlichkeit zu wie in Glaubensangelegenheiten.
Ein Wort zum heißen Eisen „Weltregierung“ ist angebracht. Niemand wird behaupten, dass sie vor der Tür stehe. Global-zentralistische Tendenzen sind dennoch beängstigend und jenseits aller verschwörungstheoretischen Spekulationen zu debattieren. Jüngst berichteten die Medien ausführlich über Suche und Finanzierung eines neuen Impfstoffes. Einer der Protagonisten auf diesem Feld, der US-Unternehmer Bill Gates, der großen Einfluss auf die Weltgesundheitsorganisation WHO ausübt, bezieht dazu in einem Gastbeitrag im renommierten „Economist“ Stellung. Er sieht infolge der Corona-Krise drei große medizinische Durchbrüche. Dass die Neuerungen grundlegende weltweite Machtverschiebungen mit sich bringen werden, leuchtet ein. Gates bringt solche Forschungsfortschritte nicht zufällig mit der UN in Verbindung. In der Übersetzung seines Beitrages auf Focus-Online heißt es: „Unser Fortschritt wird nicht nur in der Wissenschaft zu sehen sein. Er wird sich auch in unserer Fähigkeit zeigen, dafür zu sorgen, dass alle von dieser Wissenschaft profitieren. Ich denke, wir werden in den Jahren nach 2021 aus den Jahren nach 1945 lernen. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs schufen führende Politiker internationale Institutionen wie die UNO, um weitere Konflikte zu verhindern. Nach Covid-19 werden die Staats- und Regierungschefs Institutionen erarbeiten, um die nächste Pandemie zu verhindern“.
Der Aufruf der Würdenträger und der zahlreichen Laien, die ihn unterstützen, kann helfen, wachsam zu bleiben vor noch weitreichenderem Machtzuwachs führender Globalisten, die nach großen Krisen Ausschau halten, um sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. 1994 hat es David Rockefeller, unter anderem Initiator der nach wie vor einflussreichen Bilderberger-Konferenz, ohne Umschweife vor dem Wirtschaftsausschuss der USA zum Ausdruck gebracht: „Wir stehen am Beginn eines weltweiten Umbruchs. Alles, was wir brauchen, ist die eine richtig große Krise und die Nationen werden die ‚Neue Weltordnung‘ akzeptieren“. Den kryptischen Satz kann man auch als bleibende Warnung verstehen.
Ein solches Zitat sagt für sich genommen wenig. Natürlich wird es gelegentlich auch von abgedrehten Verschwörungstheoretikern missbraucht. Wenn man aber weltweite Zentralisierungstendenzen der letzten Jahrzehnte registriert, so kann man nur zur Wachsamkeit raten. Der längst institutionalisierte Globalismus ist vielfältig: Weltparlament, Weltgerichtshof, Weltbank, Weltarmee und Weltpolizei. Es besteht die Gefahr einer sukzessiven Machtakkumulation, die bereits Kant in seiner Studie „Zum ewigen Frieden“ erörtert hat. Solchen Entwicklungen mit ihren freiheits- und demokratiegefährdenden Potenzialen bedürfen keiner näheren Erörterungen. Die Gefahr ist nicht wegzudiskutieren, dass nicht die Völker ihre ureigenen Geschicke, bestimmen, sondern eine überschaubare Elite. Auch jene, die alle nicht genehmen Meinungen als verschwörungstheoretisch stigmatisieren, können einen derartigen Trend schwerlich wollen.
Professor Felix Dirsch ist katholischer Theologe und Politikwissenschaftler. Er ist Autor diverser Publikationen, u.a. von „Nation, Europa, Christenheit“ und „Rechtes Christentum„. Dirsch kritisiert den Einfluss der 68er-Generation und der „politischen Korrektheit“.