Die Maßnahmen der Bundes- und Landesregierung im Zuge der Corona-Krise könnten schon bald von den Verfassungsgerichten geprüft werden. Beate Bahner, Fachanwältin für Medizinrecht aus Heidelberg, hat eine Normenkontrollklage gegen die Corona-Verordnung Baden-Württembergs angekündigt. „Die Maßnahmen der Bundes- und Landesregierung sind eklatant verfassungswidrig und verletzen in bisher nie gekanntem Ausmaß eine Vielzahl von Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland“, schreibt die Anwältin in einer Pressemitteilung. Dies gelte für alle Corona-Verordnungen der 16 Bundesländer. Insbesondere seien die Maßnahmen nicht durch das Infektionsschutzgesetz gerechtfertigt, das vor wenigen Tagen überarbeitet wurde.
„Wochenlange Ausgehbeschränkungen und Kontaktverbote auf Basis der düstersten Modellszenarien (ohne Berücksichtigung sachlich-kritischer Expertenmeinungen) sowie die vollständige Schließung von Unternehmen und Geschäften ohne jedweden Nachweis einer Infektionsgefahr durch diese Geschäfte und Unternehmen sind grob verfassungswidrig“, so der Vorwurf der Anwältin.
Erste Anlaufstelle für ihre Klage wäre der Baden-Württembergische Verfassungsgerichtshof. Sie würde aber auch bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, kündigte die Juristin an. Auch Hans-Christian Ströbele, Grünen-Urgestein und Ex-Bundestagsabgeordneter, drohte wegen der Corona-Krise mit einer Verfassungsklage.
Das Karlsruher Gericht hat bereits eine Beschwerde gegen den neuen Mieterschutz abgewiesen, den der Bundestag beschlossen hat und der Kündigungen wegen Mietrückständen in Folge der Krise verbietet. Das Gericht verwies zur Begründung auf inhaltliche Mängel – der Kläger habe nicht dargelegt, dass er von den Regelungen aktuell betroffen sei.
Es gab in den vergangenen Wochen bereits mehrere Klagen vor Gerichten in unteren Instanzen gegen die Anti-Corona-Maßnahmen. In Brandenburg etwa hat das Verwaltungsgericht Potsdam auf Klage von zwei Berlinern hin den Versuch des Landkreises Ostprignitz-Ruppin untersagt, neben Touristen auch den Nutzern von Zweitwohnung die Einreise in den Landkreis zu untersagen. Die beiden Kläger können in den Landkreis fahren.
In Bayern haben zwei Frauen zumindest formal erfolgreich gegen die Ausgangsbeschränkungen im Freistaat geklagt. Bayernweite Folgen hatte die Gerichtsentscheidung zwar nicht, die Regierung musste aber eilends nachbessern. „Ein Sprecher des Verwaltungsgerichts München sagte, das Gericht habe in zwei Einzelfällen zu Gunsten zweier Einzelpersonen entschieden, die gegen die Ausgangsbeschränkungen geklagt hatten. Für alle anderen Menschen in Bayern ändere sich dadurch nichts“, wie die Frankenpost schreibt – ohne die konkrete Begründung der Klage nachvollziehbar auszuführen.
Kurz vor Ostern muss der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) über das Gottesdienstverbot in Corona-Zeiten entscheiden, wie die Süddeutsche Zeitung meldet: „Ein Münchner Anwalt verlangt per Eilantrag, dass religiöse Zusammenkünfte trotz Corona-Pandemie erlaubt sein sollen.“
„Auch eine katholische Gemeinde in Berlin hält das Gottesdienstverbot für unverhältnismäßig und zieht vor Gericht. Sie stellt sich damit gegen die Linie der Katholischen Kirche in Deutschland“, wie tagesschau.de schreibt.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof (VerfGH) hatte am 26. März in einem Eilverfahren entschieden, dass die Bayerische Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie in Kraft bleibt. Laut dem Präsidenten des Gerichtshofs, Peter Küspert, kann zwar nicht von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Hauptantrags angegangen werden, im Eilverfahren hätten die Richter ihre Entscheidung deshalb aber aufgrund einer Folgenabwägung getroffen. Demnach „überwögen die Gründe gegen das Außerkraftsetzen der angegriffenen Verordnung wegen ,der überragenden Bedeutung von Leben und Gesundheit der möglicherweise Gefährdeten´“, wie das Portal LTO schreibt.
In der Bundeshauptstadt sah sich ein Anwalt durch die Eindämmungsmaßnahmen in seiner Berufsfreiheit beeinträchtigt und klagte deshalb vor dem Berliner Verwaltungsgericht. Dieses hielt die zeitlich begrenzten Einschränkungen jedoch für verhältnismäßig und wies die Klage zurück.
Das Verwaltungsgericht Gera hat eine Klage gegen die ab dem heutigen Montag geltende Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und Supermärkten in der Stadt abgelehnt. Als Begründung hieß es, Bürger könnten sich Behelfsmasken auch selber nähen, und auch ein Schal reiche bereits.
Auch das Saarländische Verwaltungsgericht hatte einen Eilantrag gegen die staatlichen Einschränkungen zurückgewiesen. Der Antragsteller hatte unter anderem argumentiert, die Maßnahmen seien unverhältnismäßig.
Am Verwaltungsgerichtshof in Mannheim sind zwei Eilanträge gegen die Coronavirus-Schutzmaßnahmen der Landesregierung eingegangen: Vom Mitglied einer evangelischen Kirchengemeinde, gegen das Verbot von Veranstaltungen in Kirchen, und von einem Fitnessstudio, das seine erzwungene Schließung nicht hinnehmen will. Eine Entscheidung steht noch aus.
Insgesamt zeigt diese Übersicht, dass die Gerichte tendenziell eher dazu neigen, die Beschränkungen der Grundrechte im Zuge der Corona-Krise für verhältnismäßig zu erachten. Eine Entscheidung des Baden-Württembergischen Verfassungsgerichtshofes oder gar des Bundesverfassungsgerichtshofes vorherzusagen ist zwar unmöglich, aber zu erwarten ist eher, dass sie sich auf Seiten des Staates und seiner strikten Maßnahmen stellen.
Die Klagen der Heidelberger Anwältin dürften deshalb eher eine geringe Chance auf Erfolg haben. Nichtsdestoweniger sei hier ihre Begründung und die Vorwürfe gegen die Behörden im Wortlauf aufgeführt:
„Die vorliegenden Zahlen und Statistiken zeigen, dass die Corona-Infektion bei mehr als 95 % der Bevölkerung harmlos verläuft (oder vermutlich sogar bereits verlaufen ist) und somit keine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Dringend in den Blick zu nehmen sind demgegenüber die Risikogruppen der alten Menschen und der Menschen mit Vorerkrankungen (ca. 4,5 % der Bevölkerung): Diese Menschen sind durch geeignete Maßnahmen sowohl der Regierung als auch der Risikogruppen selbst zu schützen: Etwa durch Schleusen vor den Altenheimen, durch Aufklärung der Übertragungswege (nur durch Tröpfcheninfektion), durch Hygienemaßnahmen und Abstandsregelungen sowie insbesondere durch eigenverantwortliche Schutzmaßnahmen dieser gefährdeten Menschen selbst in den Wochen der Epidemie. Das medizinische Personal in Kliniken, Arztpraxen, Altenheimen und Pflegediensten ist mit sämtlichem notwendigen Material zu versorgen, was der Bundesregierung bis heute nicht gelungen ist!
Die von der Regierung getroffenen radikalen Maßnahmen der Ausgangs- und Kontaktverbote für 83 Millionen Menschen und die Lahmlegung nahezu der gesamten Wirtschaft über viele Wochen sind weder durch die Entwicklung der Zahlen, noch durch Studien, noch durch bisherige Erfahrungswerte gerechtfertigt. Die wirklich notwendigen Maßnahmen hingegen sind noch immer nicht umgesetzt, wie die vielfältigen Klagen aus Kliniken, Altenheimen und Arztpraxen zeigen. Es braucht ferner mehr Tests bei denjenigen Menschen, die viel Kontakt mit der Risikogruppe haben: Dies sind die Pflegekräfte sowie die Familienmitglieder einschließlich der Kinder, die ihre alten Angehörigen besuchen wollen. Dringend zu testen sind die Mitarbeiter der Supermärkte, die täglich mit hunderten Menschen Kontakt haben.
Es braucht ferner Stichproben bei der Bevölkerung, um die tatsächliche (vermutlich um ein vielfaches höhere) Zahl der Infektionen und damit den tatsächlichen (vermutlich um ein vielfaches geringeren) Prozentsatz der schweren und schwersten Erkrankungen des Corona-Virus zu ermitteln. Der Anteil des tödlichen Verlaufs von Covid19 wurde von Experten mit lediglich 0,1 % ermittelt (dies ist eine Person von 1000 Infizierten und damit vergleichbar mit einer schweren Grippe-Epidemie). Es braucht vorallem dringend die Obduktion der an/mit Corona verstorbenen Menschen, um festzustellen, woran diese meist alten Menschen mit meist vielen Erkrankungen tatsächlich verstorben sind. Es braucht ferner eine redliche Darstellung der Todeszahlen, weil nämlich täglich etwa 2500 Menschen sterben, davon täglich etwa 900 Menschen in Pflegeheimen. In Deutschland sterben jährlich 900.000 Menschen! Es braucht somit endlich ein korrektes wissenschaftliches Vorgehen und eine korrekte Information der Menschen!
Insbesondere muss der Bundesgesundheitsminister Spahn endlich diejenigen – bislang versäumten – Maßnahmen ergreifen, zu denen sein Ministerium ganz aktuell in der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes verpflichtet wurde: Die sofortige Sicherstellung der Versorgung mit notwendigen Medizinprodukten, Labordiagnostik, Hilfsmitteln sowie die Versorgung mit Gegenständen der persönlichen Schutzausrichtung und Produkten zur Desinfektion!
Der seit 70 Jahren einmalige Shutdown, zu dem das Infektionsschutzgesetz ausdrücklich nicht berechtigt, verletzt in gravierender Weise das verfassungsrechtliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit und die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates zum Schutze der Freiheitsrechte und der Gesundheit der Bürger. Dieses Regierungshandeln zerstört sämtliche Prinzipien unserer Verfassung und unseres Rechtsstaats, den wir noch vor wenigen Monaten mit dem 70-jährigen Bestehen des Grundgesetzes so stolz gefeiert haben.
Bahner schreibt in ihrer Presseerklärung weiter: „Ich bin wirklich entsetzt und will mir nicht vorwerfen müssen, als Rechtsanwältin nicht gehandelt und den Rechtsstaat nicht mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigt zu haben! Denn die Folgen des Shutdown für die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Demokratie und insbesondere für die Gesundheit der Menschen werden verheerend sein! Dieser Shutdown muss sofort beendet werden!“
Beate Bahner war nach eigenen Angaben dreimal erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht mit Verfassungsbeschwerden wegen Verletzung der Berufsfreiheit und ist Autorin von fünf medizinrechtlichen Fachbüchern und zahlreichen Aufsätzen und Beiträgen. Ihr letztes Buch behandelt das Thema „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“.
Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F080597-0004 / Reineke, Engelbert / CC-BY-SA 3.0 via WikiCommons