Jahrzehntelang sind in Berlin Pflegekinder gezielt in die Obhut von Sexualstraftätern gegeben worden. Das mächtige Netzwerk der Pädophilen reichte dabei weit in die Behörden, wie jetzt ein Gutachten bestätigte: Demnach gab es viele Unterstützer und Mitwisser. Etwa in den Jugendämtern, in der Verwaltung, an der Freien Universität und am Max-Planck-Institut.
Ebenso schockierend wie der Fakt selbst ist das eher geringe Medienecho. Sucht man etwa bei google-News nach aktuellen Nachrichten zu dem Thema bei der ARD oder im ZDF, wird man nicht fündig. Ist der gezielte Missbrauch von Kindern durch ein Pädophilen-Netzwert in der Hauptstadt mit Hilfe aus dem Staatsapparat bzw. die Aufdeckung von hochbrisanten Details durch eine neue Untersuchung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirklich kein überregional relevantes Thema?
Sollten eigentlich die gebührenfinanzierten Sender für ein breites Informationsspektrum sorgen, und die Lücken schließen, die private Medien lassen, so ist es heutzutage in der Bundesrepublik genau umgekehrt. Auch im Berliner Missbrauch-Skandal sind es die privaten Medien von den Zeitungen bis hin zu RTL, die dafür sorgen, dass die neuen, haarsträubenden Erkenntnisse publik werden. Während die großen öffentlich-rechtlichen Sender sie offenbar lieber unter den Teppich kehren.
Experten der Universität Hildesheim haben ein Jahr lang alle Akten untersucht und jetzt ihre Schlussfolgerungen öffentlich gemacht. Ihr Fazit: Das totale Versagen der Jugendhilfe war mehr als nur Versagen. Die Experten kommen zu dem Schluss, dass ein „Netzwerk von Akteuren in der Senatsverwaltung und Bildungsinstitutionen während der Heimreform der 70er-Jahre die Einrichtung von Wohngemeinschaften und Pflegestellen bei pädophilen Männern nicht nur geduldet, sondern in der Fallverantwortung begleitet und verantwortet haben muss“.
Weiter resümierte das Projektteam, es habe „ein Netzwerk quer durch die wissenschaftlichen pädagogischen Einrichtungen und die Senatsverwaltung bis hinein in einzelne Berliner Bezirksjugendämter“ gegeben, „in dem pädophile Positionen akzeptiert, gestützt und verteidigt wurden“.
Schlimmer noch: Berliner Jugendämter richteten Pflegestellen bei Pädophilen auch in anderen Bundesländern ein. Der Drahtzieher, der „Päderasten-Guru“ Helmut Kentler war mit Senatoren bekannt, verfasste Gutachten, beeinflusste die Politik, wie die Berliner Zeitung berichtet. Weitere Details finden Sie hier.
In einer funktionieren Medienlandschaft wären die Erkenntnisse zu dem Pädophilen-Netz ein riesiges Thema. In Deutschland schaffen sie es 2020 gerade noch zur Randnotiz.
Bilder: Pixabay