Phantom-Befragte bei Merkel-Jubel-Umfrage

Auf den ersten Blick sieht alles beeindruckend aus. „Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel?“ Auf diese Frage, exklusiv für den „Spiegel“ gestellt von dem Meinungsforschungsinstitut Civey, ergibt sich aus den Antworten eine eindeutige Tendenz: Die Deutschen mögen ihre Kanzlerin. Zumindest, wenn man den Ergebnissen vertraut, die beim „Spiegel“ zu sehen sind. Zwei dicke Balken prangen in der Graphik zur Umfrage oben, bei den positiven Antworten: 32,1 Prozent sind „sehr zufrieden“ mit der Kanzlerin, 26,3 Prozent „eher zufrieden“. Eine satte Mehrheit der Merkel-Sympathisanten, zusammen fast sechzig Prozent. Und nur 32,6 Prozent, die „unzufrieden“ oder „eher unzufrieden“ sind. Rosige Aussichten für die fast ewige Kanzlerin.

Soll(te) man glauben. Solange man nicht ins Kleingedruckte der Spiegel-Umfrage sieht. Denn da erfährt man, dass das Ergebnis, wie üblich, „repräsentativ“ ist, erstellt vom 30.4. bis 14.5.2020. Mit 5086 Befragten. Dringt man dann tiefer ins Kleingedruckte vor, kann man per Mausklick auch die Rohdaten der Umfrage finden. Und auf einmal verrutschen die Balken völlig, und es ergibt sich ein völlig entgegengesetztes Bild: Nicht mehr knapp 60 Prozent sind „zufrieden“ oder „eher zufrieden“ mit der Kanzlerin – sondern nur noch 24,6, also nicht mal jeder Vierte. Sehr unzufrieden sind dagegen sage und schreibe 55,6 Prozent. Dazu kommen noch 13,4 Prozent, die „eher unzufrieden“ sind. Zusammen also 69 Prozent, die nicht allzu gut auf Merkel zu sprechen sind: Eine Zweit-Drittelmehrheit gegen die Kanzlerin, statt 60 Prozent für sie wie in der bearbeiteten Version.

Wie kommt es zu diesem völlig entgegengesetzten Ergebnis? Bei den Rohdaten ist die Zahl der Teilnehmer um ein Vielfaches höher: 517.114 statt 5086. Und auch der Zeitraum erstreckt sich auf mehr als zwei Jahre: seit dem 14.3.2018. Das erklärt gewisse, ja auch sehr deutliche Abweichungen. Auch die völlige Umkehr des Meinungsbildes könnte man zur Not noch mit der Corona-Krise erklären. Doch analysiert man die Umfrage weiter, kommt Unglaubliches zu Tage. Ausgerechnet beim Meinungsforschungsinstitut Civey, das wegen seiner personellen Nähe zur SPD und seiner Startfinanzierung durch die stadteigene Investitionsbank im linken Berlin bei Kritikern sehr umstritten ist. Und auch wegen seiner Methoden (siehe meinen Beitrag „Hocus Pocus Fidibus, und fertig ist die Umfrage„).

Am 10.5.2020 zeigte das „repräsentative“ Ergebnis der Civey-Umfrage bei 5060 Befragten 30,6 Prozent „Zufriedene“ mit Merkel (bei 25,7 Prozent „eher zufriedenen“). 30,6 Prozent von 5060 sind 1548 Befragte. Vier Tage später, am 14.5.2020, lag die Zahl der Befragten bei 5088. Plötzlich sind nun schon 32,2 Prozent „zufrieden“ mit der Kanzlerin. 32,2 Prozent von 5088 sind 1638. Das klingt auf den ersten Blick so, als wären nur 28 Befragte dazu gekommen in den vier Tagen, aber die Stimmen hätten sich viel stärker zu Gunsten Merkels verändert. Der angegebene Zeitraum (26.4. bis 10.5.) legt zwar nahe, dass immer eine jeweilige 14-Tage- Zeitspanne berechnet und damit also nur ein Mittelwert angegeben wird. Dem spricht aber entgegen, dass ebenfalls im Kleingedruckten steht: „Nächste Abstimmung in 12 Tagen“. Also was denn nun bitte?

Vergleicht man die Rohdaten, stieg die Zahl der Befragten von 505.888 am 10.5. auf 517.305 am 14.5. – also um 11.417 Befragte in nur vier Tagen. Wie geht das, wenn erst in 12 Tagen die „nächste Abstimmung“ stattfinden soll? Aber zurück zu den Ergebnissen: Am 10.5. sollen 23,7 Prozent mit Merkel voll oder eher zufrieden gewesen sein, also 119.895 Befragte, am 14.5. dann 24,6 Prozent, also 127.257 Umfrage-Teilnehmer. Von den 11.417 Menschen, die Civey laut seinen Daten in den vier Tagen zwischen dem 10. und 14. Mai befragte, waren demnach 7362 „zufrieden“ mit Merkel. Also 64,40 Prozent Merkelianer. Das sind stolze Zahlen, aber zumindest kann man sie nicht von Haus aus absurd bezeichnen. Ganz absurd ist aber etwas anderes: Dass laut den Civey-Daten allein vom 10. bis 14. Mai 11.417 Menschen befragt wurden – gleichzeitig aber in den repräsentativen Daten steht, dass es zwischen dem 30. April und dem 14. Mai 5086 Befragte waren – also weniger als die Hälfte. Und vier Tage zuvor nur 28 Befragte weniger – und nicht 11.417. Selbst wenn es sich um 14-Tages-Mittelwerte handelt, sind diese Zahlen nicht schlüssig. Mindestens 6331 Befragte bzw. ihre Stimmen sind verschwunden. Wohin?

Jeder kann für sich selbst entscheiden, für wie glaubwürdig er solche Daten hält. Und wie zuverlässig in seine Augen „repräsentative“ Ergebnisse wirken, bei denen selbst die elementaren Grunddaten widersprüchlich, ja absurd sind.

Fazit: Man braucht nur einen Taschenrechner und ein wenig klaren Verstand, um bei den Umfragen mit den vermeintlichen Spitzenwerten für Merkel fatale Ungereimtheiten zu finden. Und dann liest man auch Überschriften wie diese ganz anders, die gerade im Spiegel erschien: Knappe Mehrheit hat Vertrauen in Lockerungspolitik der Bundesregierung“

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Guten Tag aus Berlin,

wo man in diesen stürmischen Wochen kaum noch hinterher kommt mit dem Sichten und Schreiben von Nachrichten. Mein Wochenbriefing ist deshalb auch für mich eine willkommene Möglichkeit, einmal kurz aus dem Alltagstrott auszusteigen, und zurück zu blicken, und nach vorne.

Die vergangene Woche war innenpolitisch in meinen Augen geprägt durch die Auseinandersetzung zwischen Kanzlerin und Ministerpräsidenten. Letztere setzten sich durch und verabschiedeten weit reichende Lockerungen. Zumindest hier in Berlin habe ich dabei den Anschein, dass sie damit ohnehin nur der Realität hinterher rennen. Ob in den Einkaufszentren oder in den Parks – man hat den Eindruck von Normalbetrieb. Selbst die Schließung der Gastronomie ist nur noch relativ: Vor beliebten Restaurants bilden sich große Menschentrauben. Alles was noch zum Normalbetrieb fehlt, sind zuweilen die Tische und Stühle.

Mehr als einmal ertappte ich mich bei den ganzen Menschenansammlungen bei dem Gedanken: Entweder, wenn die Warner Recht haben, muss das in wenigen Wochen in der Katastrophe enden; oder alles bleibt ruhig, und die Warner waren im Unrecht. Wie ein neues internes Dokument aus dem Innenministerium zeigt, wird selbst dort am Sinn der massiven Corona-Maßnahmen heftig gezweifelt (nachzulesen hier).

Woran allerdings kaum ein Zweifel herrschen kann, ist die Instrumentalisierung der Corona-Krise. Rainald Becker, der Chefredakteur der ARD, erklärte gleich all jene, die sich nach Zuständen wie vor Corona zurück sehnen, für verrückt. „Es wird keine Normalität mehr geben wie vorher“, mahnte er vom Bildschirm ein Millionenpublikum: „Madonna, Robert de Niro und rund 200 andere Künstler und Wissenschaftler fordern zurecht, nach der Corona-Krise Lebensstil, Konsumverhalten und Wirtschaft grundlegend zu ändern. Diese weltweite Pandemie muss zu etwas Neuem führen.“

Ausgerechnet millionenschwere US-Stars als Kronzeugen für eine Abkehr von unserem Wirtschaftssystem – das wäre fast zum lachen, wenn es nicht zu heulen wäre, wie wir heute mit unseren Gebühren linke Glaubenskämpfer finanzieren müssen wie den ARD-Chefredakteur (mehr zu Beckers unsäglichem Auftritt siehe hier).

Aber nicht nur Becker erklärt Menschen, die an den Corona-Maßnahmen zweifeln, für psychisch krank. In vielen Medien bis hin zur einst konservativen Welt bekommt man heute den Eindruck, bei den Protesten seien ausschließlich Spinner und Nazis anzutreffen. Ich will gar nicht bezweifeln, dass es die da auch gibt. Nach sehr glaubwürdigen Berichten von Teilnehmern sind dort aber vor allem auch ganz normale Menschen, die sich Sorgen machen – und die im linken Medien-Neudeutsch als „besorgte Bürger verächtlich gemacht werden.

Besonders erschütternd ist, wie in den Medien eine Demonstration in Thüringen entstellt wurde, an der Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich von den Liberalen teilgenommen hat. Der Tenor: Kemmerich habe – wieder einmal –gemeinsame Sache mit der AfD gemacht. Bei genauerem Hinsehen enthüllte sich das als Fake News (siehe hier). Nebeneffekt des Virus ist offenbar, dass es Exzesse von totalitärem Denken auslöst – und bei der FDP vorauseilende Selbsterniedrigung.

Wie schnell inzwischen aus „Falschnachrichten“ regierungsamtliche Wahrheiten werden, ist faszinierend. Diese Woche habe ich dazu eine große Zusammenstellung auf meiner Seite (zu finden hier). Erschütternd auch, wie nüchterne Kritik zur „Verschwörungstheorie“ umgedeutet wird. Das mussten katholische Bischöfe jetzt bei der ARD erleben, wo sie faktisch als „Rechtspopulisten“ diffamiert und ihnen der Abfall vom Glauben unterstellt wurde. In einem Beitrag, der äußert manipulativ war. Ich habe die unlauteren Tricks der Kollegen auseinandergenommen – und war etwas stolz, als mich heute einer der Unterzeichner anschrieb, und sich bedankte für meinen Beitrag und die Klarstellung darin (zu lesen ist er hier).

Zum Abschluss noch drei Punkte.

Vergangene Woche fragte mich die Chefredakteurin des russischsprachigen Senders OstWest, in dem ich meine Sendung habe (Details zum Sender hier): „Wer wird nun Kanzler? Söder? Laschet scheint verloren zu haben!“ Meine Antwort: „Da ist noch viel zu früh, um das abzuschätzen. Es wird von der Entwicklung der Pandemie abhängen. Ob die Menschen zu dem Schluss kommen, dass die harten Maßnahmen, für die Söder stand, nötig waren. Oder zu dem Schluss, dass früher hätte gelockert werden müssen – wofür Laschet steht. Je nach Entwicklung der Krankheit können da die Karten völlig neu gemischt werden. Und auch Merkel kann uns erhalten bleiben, mit einer fünften Amtszeit.“

Und wenn wir schon bei Merkel sind, hier zwei umwerfende Umfrage-Ergebnisse zu ihr von Spiegel Online. Links sehen Sie das „repräsentative Ergebnis“ bei der Zufriedenheit mit der Kanzlerin – rechts die Rohdaten. Im offiziellen Ergebnis, das alle Leser sehen, schauen die Zahlen für Merkel gut aus. Im inoffiziellen, dass man nur beim Klicken ins Kleingedruckte zu Gesicht bekommt, sieht es haargenau umgekehrt aus: Nur 23,7 Prozent sind „sehr“ oder „eher „zufrieden“, 13,5 Prozent „eher unzufrieden“ und 56,3 Prozent „sehr unzufrieden“.

Ganz zum Schluss noch eine Diskussion mir einem Leser. In meinem oben erwähnten Artikel zu den Bischöfen beschrieb ich, wie ein Bekannter aus der Branche sich begeisterte, dass Merkel die wichtigsten Chefredakteure angerufen und sie dazu gebracht habe, in Sachen Corona an einem Strang zu ziehen.“ Und ich schilderte weiter, wie der Bekannte völlig baff war, als ich ihn damit konfrontierte, dass dies doch problematisch sei.

Der Leser schrieb mir dazu: „So sehr wie auch dies als Verschwörungstheorie taugt, fehlt mir der bei Ihnen sonst vorhandene Weitblick und die mit Fakten unterlegten Äußerungen. Ich kann nicht einfach hinüber gehen und sagen, weil ich Ihre bisherigen Veröffentlichungen so toll finde, lasse ich diese Information ungeprüft an mir vorbei gehen“

In meiner Antwort verweise ich auf belegte Fälle von versuchter Politiker-Einflussnahme auf Chefredakteure und schreibe unter anderem (in ganzer Länge finden Sie meinen Text in der Kommentarspalte hier): „Als jemand, der die Branche seit vielen Jahren kennt, muss ich offen sagen: Für mich wäre es eher verwunderlich, wenn es keine Anrufe aus dem Kanzleramt gäbe, als umgekehrt.“ Aufgrund der Vielzahl von Hinweisen in dieser Richtung fände ich es falsch, Erlebnisse wie das geschilderte zu verschweigen.“

Aber jetzt ganz zum Schluss doch noch (und ganz kurz – versprochen ) etwas Anderes. Etwas Erfreuliches:

Kaum hatte ich letzte Woche an dieser Stelle die erfreulichen Besucher-Zahlen von reitschuster.de erwähnt, schickte mir ein Leser den Link auf die gerade erschienen April-Zahlen – die nochmal gestiegen sind. Mehr als 520.000 Besucher (und deutlich mehr Klicks) – das ist fast ein Drittel vom Cicero mit seiner großen Redaktion und dem Vielfachen an Artikeln pro Tag.

Das wäre nicht möglich gewesen ohne Sie. Ohne Ihr Unterstützung – ob in Form von Weiterempfehlungen, Finanzspritzen oder einfach nur Mitlesen. Es ist Ihr Verdienst, dass hier ein neues Medium entstanden ist, mit einer Reichweite, die Relevanz schafft. Und das als David dem Goliath der öffentlich-rechtlichen auf die Füße treten kann. Lassen Sie uns zusammen weiter machen!

Ich freue mich, diese Woche zwei neue Gastautoren auf der Seite zu begrüßen, von denen sicher viele von Ihnen schon gehört bzw. gelesen haben – lassen Sie sich überraschen!

Ganz herzlichen Dank
Ihr
Boris Reitschuster
Dieses Wochenbriefing ist ebenso wie alle Artikel auf reitschuster.de k


Bild: Pixabay, Pxhere

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