Reagan, Trump, Hysterie. Abstoßendes Absurdistan.

Gastbeitrag von Gunter WeißgerberRedner der Leipziger Montagsdemonstrationen 1989/90, Mitbegründer der Ost-SPD,Mitglied der freigewählten Volkskammer 1990, Mitglied des Deutschen Bundestages 1990-2009

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Nachwort zu dem politischen Roman „T – Die Stufen des Kapitols“von Ulrich Schödlbauer

Es ist ein zuverlässiges Déjà-vu. Vor vier Jahrzehnten galt in deutschen Landen Ronald Reagan als ›Gottseibeiuns‹. Heute ist Donald Trump der Teufel und rangiert im öffentlich eingespielten Diskurs weit vor zeitgenössischen Diktatoren und mörderischen Regierungschefs. 



Seit Jahrzehnten ist der Boden für solche Verzerrungen fruchtbar. Leider düngten ihn auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel und große Teile der vierten Gewalt. Deutsches Staatsoberhaupt, Bundesregierung und Medien auf gemeinsamen Kampagnenwegen gegen den Präsidenten des wichtigsten befreundeten Staates? Man muss nicht ›T‹, also Donald Trump, sein, um Hass und Hetze aus Freundesland merkwürdig zu finden.
 


Überhaupt: Trump und die deutsche Öffentlichkeit. Was ist in der Bundesrepublik siebzig Jahre nach Marshallplan und Berlin-Blockade, sechzig Jahre nach Kennedys Berlin-Bekenntnis, dreißig Jahre nach Bushs Beförderung der Deutschen Einheit los? Sind viele Deutsche verrückt geworden? Glauben sie tatsächlich, ihre Freiheit und Demokratie seien ohne die Vereinigten Staaten eines Donald Trump oder seiner spätestens 2025 kommenden Nachfolger sicher? Donald Trump ist der gewählte Präsident einer Demokratie mit Gewaltenteilung. Eine Gewaltenteilung, die ihre Existenz dem Präsidenten regelmäßig ›beweist‹. 



Zur Erinnerung: Der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland mischte sich in den US-Wahlkampf ein und zieh den Präsidentschaftskandidaten Trump im Sommer 2016 einen ›Hassprediger‹. Nach Trumps Wahlsieg verweigerte ihm dieser Bundespräsident zunächst die Gratulation und äußerte stattdessen seine Sorgen über den kommenden Mann im Weißen Haus. Mit den Potentaten dieser Welt pflegt der amtierende Bundespräsident freundlicher umzugehen. Bundeskanzlerin Merkel distanzierte sich vom neuen US-Präsidenten listiger. Sie gratulierte dem Wahlsieger und erinnerte ihn im Stil einer deutschen Schulmeisterin von oben herab an die gemeinsamen Werte. Beiden, dem Bundespräsidenten und der Bundeskanzlerin, waren die transatlantischen Irritationen anscheinend egal, ihre Botschaften fußten auf der Echo-Gewissheit in der Heimat: Was sie vermeintlich Donald Trump ins Stammbuch schrieben, schrieben sie faktisch den Deutschen daheim in die Benimm-Regeln. 



Für die vierte Gewalt, die deutsche veröffentlichte Meinung scheint nur ein toter US-Republikaner ein guter US-Republikaner sein zu können. Barack Obama konnte Raketen und Drohen schicken, wohin er wollte, seinem Ansehen schadete das nicht. Donald Trump kann Raketen und Drohnen in den Arealen lassen, wie er will, nützen tut ihm das hierzulande überhaupt nichts.

›Der Spiegel‹ sei an dieser Stelle stellvertretend genannt für viele deutsche Medien. Sofort nach Trumps Wahlsieg war der Aufmacher ein trumpähnlicher Komet in mörderischem Angriffsflug auf die kontinentgrün-ozeanblaue Erde. Das genügte dem ›Spiegel‹ keineswegs. Im Februar 2017 war Trump ein Henker mit dem Kopf der Freiheitsstatue in der ausgestreckten rechten und einem blutigen Messer in der ausgestreckten linken Hand. Im April 2017 ritten im Spiegelaufmacher Donald Trump und Kim Jong-un gemeinsam eine Atomrakete. ›Der Spiegel‹ vergaß es wohl: Kim Jong-un reizte Trumps göttergleichen Vorgänger Obama über Jahre mit der Androhung eines Atomangriffs. Der angeblich planlose Trump aber war es, der den Knoten durchschnitt und den direkten Kontakt zum atomaren Bedroher suchte. ›Der Spiegel‹, nicht nur er, sollte froh sein, inzwischen weniger über die Bedrohung aus Pjöngjang berichten zu müssen.

Zu Wladimir Putin suchte Donald Trump ebenfalls das direkte Gespräch. Unsicherer wurde unser Leben dadurch dem Vernehmen nach ebenfalls nicht. Sogar zu den Machthabern in Teheran ist er bereit, persönliche Kontakte aufzubauen. Sein Vorgänger war dazu weder willens noch in der Lage.

Last but not least, auch die palästinensischen Führer können das Gespräch zu Trump suchen. Nicht mit Raketen, mit gutem Willen. Der wiedererstarkte Gendarm wartet, jedoch nicht ewig. Mehr als sieben vergeudete Jahrzehnte sollten zu Ende gehen. So wie die Menschen in Israel leben und eine Zukunft haben, so könnten die Israel umgebenden Regionen und Menschen ebenfalls schon lange in Frieden leben. Israel hätte daran sicher das größte Interesse. Trump schob am 28. Januar 2020 den Ball ins Tor von Hamas und Palästinensischer Autonomiebehörde. Eine Chance.



Im August 2017 erkannte ›Der Spiegel‹ endlich Trumps wahres Gesicht unter einer Ku-Klux-Klan-Mütze. Was die Geschichte von US-Republikanern und US-Demokraten auf den Kopf stellte. Lincolns Republikaner beseitigten die Sklaverei auf US-Boden, Lincolns demokratische Gegner kämpften dagegen. 2016 gaben auch viele Abkömmlinge der früheren Sklaven Donald Trump ihre Stimme. Die Ku-Klux-Klan-Mütze gebührt weniger Donald Trump als beispielsweise dem ›Spiegel‹. Wenn überhaupt. 



Diese Aufzählung mag genügen. Viele andere ›Leitmedien‹, Blätter, die öffentlich-rechtlichen Sender, private Sendeanstalten ziehen diese Art von Propaganda beinahe rund um die Uhr durch. Es ist eine Dauerimpfung, die zunehmend auf Ablehnung stößt. Von und über Trump erfahren die Deutschen fast nur, was seine Gegner über und gegen ihn in die Welt setzen. Deshalb sollten Trump-Reden besser im Original und/oder in seriöser Übersetzung gelesen werden. Was sogar den einer Demokratie würdigen Vorteil mit sich brächte, Worte und Taten eines Politikers auf Deckungsgleichheit abklopfen zu können.

Das alles führt zu Nachfragen. Kommt die eingefahrene Medienlandschaft diesen Begehren nicht entgegen, wird woanders gesucht und gefunden. Ein natürlicher Vorgang. Ältere Ostdeutsche sind hier vielleicht noch im Vorteil, sie waren auf die Inhalte zwischen den Zeilen trainiert, mussten das Gras wachsen hören. Schade, dass diese Kompetenzen 2020 ff. wieder gefragt sind. 1989 dachten wir, das würde unter freiheitlichen Bedingungen in Deutschland nie wiederkommen. So kann man sich irren.



Zurück zu Reagan, Trump und der Hysterie. Reagan setzte auf Stärke und nahm den neuen Herrn im Kreml mit dessen ›Glasnost und Perestroika‹ beim Wort. Michail Gorbatschow seinerseits erkannte die Verlässlichkeit Ronald Reagans. 1987 unterzeichneten die Staatsoberhäupter der Vereinigten Staaten der Sowjetunion den ›INF-Vertrag‹ über die Mittelstrecken-Nuklearstreitkräfte. George Bush senior oblag es kurze Zeit später den Zusammenbruch von Sowjetunion und Ostblock ohne Siegesgeheul zugunsten der deutschen Einheit begleiten zu können.

 


Reagan und Bush waren, das sei an dieser Stelle genannt, Republikaner. Der Republikaner Donald Trump lässt grüßen. Auch er setzt auf Stärke. ›America first‹ als selbstverständliche Voraussetzung für die globalen Verhandlungstische. Trump weiß, was viele seiner Gegner nie wussten oder vergessen haben: Wer bereits mit einem Kompromiss in der Tasche in Verhandlungen geht, kommt mit einem gefledderten Kompromiss wieder heraus. Augenhöhe wird anders hergestellt.



Populismus, Donald Trump, Twitter

Donald Trump sei ein Populist. Das sagen seine Gegner und so verbreiten es die Journalisten, auf die er in seiner direkten Kommunikation mit der Bevölkerung verzichtet. Ist er Populist, weil er den direkten Kontakt zu den Citoyens sucht? Ist das nicht eher zusätzliche Teilhabe an der Demokratie? Jeder menschliche Twitterkontakt erfährt des Präsidenten Meinung und Vorhaben und kann all das jederzeit an der Praxis überprüfen. Parlament, Justiz, ›checks and balances‹ werden dabei nicht ausgehebelt. Es ist einfach lebendiger. Scheinbarer Verlierer ist die vierte Gewalt. Sie verliert das Informations- und Deutungsmonopol zwischen Präsident/Regierung und Bevölkerung. ›Daumen hoch‹ oder ›Daumen runter‹ gibt es weiterhin – nun aber im Wettbewerb aller Player in der US-amerikanischen Demokratie. Die vierte Gewalt, die sich zunehmend konstitutiv in der Rolle der merowingischen Hausmeier sieht und auch in Deutschland dabei ist, sich ihre Regierung zu halten, muss sich in den Vereinigten Staaten, eigentlich in allen westlichen Demokratien neu besinnen. Ihr Versagen ist der Nährboden des angeblichen Populismus. Meinungsjournalismus ist überall Propaganda und macht Populismus notwendig. Zumal, wenn es der Populismus ist, der Worte und Taten erfolgreich nachprüfbar macht. 



“T“ „Die Stufen des Kapitols“- der erste deutsche „Fairsuch“ über Donald Trump

Auf der Suche nach fairen Büchern aus deutscher Hand über Donald Trump wird im Deutschland des Jahres 2020, im dritten Amtsjahr des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, niemand so schnell fündig. Das ist so bemerkenswert wie desillusionierend. Internationale Verrisse gibt viele. Denen stehen Bücher aus Trumps eigener Schreibe entgegen. Noch hat er eine ganze Welt gegen sich, eine Scheinwelt? Warten wir es ab. Es ist höchste Zeit für viele Blicke hinter die Kulissen von Überziehung, Entstellung, Falschdarstellung, Weglassung, Monsterkreation und Monsteraufblasen, Hass und Hetze. Tatsächlich Überziehung, Entstellung, Falschdarstellung, Weglassung, Monsterkreation und Monsteraufblasen, Hass und Hetze? Der Verdacht ist angesichts der Paarung von Hysterie und Beharrlichkeit aufseiten von Trumps Gegnern schwer von einer nach Objektivität suchenden Hand zu weisen. Frühere Diktaturbewohner Ostdeutschlands kennen das, es steckte in ihrer Wolle. Einseitigkeit ist Propaganda. Propaganda kann gerochen werden.



Ulrich Schödlbauer nimmt sich in seinem neuen Roman „T – Die Stufen des Kapitols“ dieses Anliegens auf intellektuell hohem Niveau beherzt an. Er tut dies nicht, weil er etwa Parteigänger Donald Trumps ist. Entfernung schärft den Blick. Der Autor versteht sich als Anwalt des Citoyens an sich und sieht dessen staatsbürgerliche Einmischung als Pflicht. 



Ulrich Schödlbauer wurde des seit 2016 auf diese Republik ununterbrochen einprasselnden und in seiner Einseitig- und Eintönigkeit kaum zu überbietenden Anti-Trump-Klamauks überdrüssig. Wo Einseitigkeit zur Norm zu werden scheint, wehrt sich Intellekt. Einfach erklärt. 



Ich gratuliere zu „T – Die Stufen des Kapitols“! Es wurde Zeit. „T – Die Stufen des Kapitols“ ist ein lesenswertes Panorama für Feinschmecker unter zur Sachlichkeit neigenden feinsinnigen politischen Beobachtern. Aufklärung und Gemeinwesen liegen dem Autor offenkundig am Herzen.

Über Donald Trumps Vorgänger Barack Obama erschienen schon vor seiner Wahl Bücher in Deutschland aus deutscher Hand. Ging es da um ›Vorsehung‹? Auch das Nobelpreiskomitee war astronomisch schnell. Diese Männer und Frauen wussten bereits zum Amtsbeginn des Erleuchteten von Obamas Fähigkeiten, Frieden zu stiften.

Demokratielose Arabellion, Syrien, der gesamte Nahe Osten, Nordkorea, um nur einige Beispiele zu nennen, lädierten später das schöne Obama-Bild. Er war nicht einmal in der Lage, den persönlichen Kontakt zu den zwar unangenehmen und doch nicht zu umgehenden Gegenspielern zu suchen. Das Nobelkomitee irrte sich in Trumps Vorgänger grandios. Was nicht dazu führen dürfte, Donald Trump für seine realen Schritte auf der Friedenssuche ebenfalls – dieses Mal nicht als Vorschusslorbeeren – zu ehren. Trump ist Republikaner und damit ›nobelpreisunmöglich‹. Seine in der Tat deeskalierenden direkten Gespräche mit Kim Jong-un, Wladimir Putin und Xi Jinping erreichen Oslo nicht. Vielleicht wird das mit einer ständig eisfreien Nordwestpassage künftig besser. Holozän und weitere Erwärmung geben leichte Hoffnung in Bezug auf den festgefrorenen Kommunikationsweg Oslo-Washington.



T oder Donald Trump ist das nunmehr vierte Jahr im Amt. Die Welt ging bisher nicht unter, die US-Wirtschaft erholt sich rasant, einen von Donald Trump ausgelösten globalen Krieg gibt es nicht, der auf demokratischen Prinzipien legitimierte Weltgendarm ist wieder da. Nicht überall und nicht zu jeder Zeit, aber punktuell und unübersehbar.

Die Klimapolitik dreht der US-Präsident vom Kopf auf die Füße. ›Wir müssen die ewigen Propheten des Untergangs und ihre Vorhersagen der Apokalypse zurückweisen‹, sagte Donald Trump auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Wirtschafts- und Wissenschaftsförderung sind die Mittel, den Herausforderungen zu begegnen. Eine grüne Agenda ohne Wachstum ist nicht möglich. Wachstum und CO²-Senkung schließen sich nicht aus.

Donald Trump weiß das, Sebastian Kurz hat es ebenfalls erkannt. Die Europäische Union wird T folgen müssen. Es ist eine Frage der Zeit. Ohnehin liegen die Umweltschwerpunkte in Asien und Afrika. Auch das sieht der angeblich planlose Populist im Weißen Haus.

Was ist, wenn Donald Trumps Neuordnung des Nahost-Konfliktes und sein Eindämmen des iranischen Einflusses zu mehr Sicherheit für Israel und Israels Nachbarn führen? Unversöhnlicher Krieg gegen Israel herrscht dort seit Jahrzehnten. Ist es nicht doch an der Zeit, eine Bilanz zu ziehen? Könnten Israels Nachbarn nicht schon längst ebenso blühen wie der von ihnen zum Tode verurteilte demokratische Staat Israel? Donald Trumps Friedensplan ist nicht wieder aus der Welt zu schaffen. Wie ein Magnet in einem Feld von Eisenspänen die Linien ändert, so änderte der US-Präsident die Bezugslinien im Nahen Osten. Gegen die US-Amerikaner läuft dort nichts, mit ihnen sehr viel. Eine Reihe arabischer Staaten hat das erkannt und sie sind dabei.

Donald Trump ist seit Jahrzehnten der erste US-Präsident, der keinem Gespräch aus dem Wege geht. Er kann das, er ist sich seiner Stärke bewusst. Diese Welt ist nichts für Feiglinge.


Zum Autor: Gunter Weißgerber, Publizist, Herausgeber GlobKult, www.weissgerber-freiheit.de. Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Nachwort zu dem politischen Roman „T – Die Stufen des Kapitols“ von Ulrich Schödlbauer.


Bilder: William Blake/Wikicommons

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