Was wir, die gemeinen Gebührenzahler, in den öffentlich-rechtlichen Medien vorgesetzt bekommen, übertrifft immer wieder die Grenzen des Vorstellbaren. Dennoch hoffte ich, es müsse wohl ein Irrtum sein, als ich dieser Tage in einer Mail von einem Leser die folgende Nachricht erhielt: „Haben Sie die Sendung ´quer´“im BR gesehen? Der Moderator machte tatsächlich die deutschen Spargelesser für den Tod eines rumänischen Erntehelfers verantwortlich! Er habe sich in Deutschland beim Spargelstechen angesteckt und sei nun tot und nur wegen den deutschen Spargelessern. Unfassbar, was man sich hier mittlerweile gefallen lassen muss.“
Als ich in der Mediathek die entsprechende Stelle nicht fand, schickte sie mir der Leser zu – mit folgendem Kommentar: „Es ist eine Zwischenmoderation von Moderator Christoph Süß, wo er sagt der Rumäne sei nach Deutschland gekommen, habe sich hier angesteckt (Beweise??) und sei nun gestorben für UNSEREN Spargel. Er macht also indirekt mit dieser geschmacklosen Andeutung jeden deutschen Spargelesser für den Tod mitverantwortlich. Den Beitrag finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=KWZ7V4X70DY„. Wobei der Moderator auch noch sprachlich ungenau ist – denn sofern ich weiß, kann man sich nicht mit Covid-19 infizieren, wie Süß sagt, sondern mit SARS-CoV-2 (im Volksmund: Corona-Virus), und dann in Folge an Covid-19 erkranken. Aber ich bin kein Arzt, vielleicht weiß Süß mehr als ich.
Brisant ist es, dass die Vorwürfe ausgerechnet bei „quer“ zu hören sind. Noch Ende Januar, als die Gefahr durch das Virus nicht mehr zu übersehen war, hieß es in einem Beitrag in dieser Sendung des früher immer als konservativ bekannten, aber mittlerweile stramm auf linksgrünen Zeitgeist getrimmten Bayerischen Fernsehens: Corona hochansteckend und gefährlich? Das sei Verschwörungstheorie und Panikmache! Das Virus sei weniger ansteckend als Grippe und Masern. Dieses „Aufklärungsvideo“ ist inzwischen bei dem Münchner Sender merkwürdigerweise nicht mehr abrufbar (dafür noch auf anderen Seiten, etwa hier). Faszinierend, dieses Ausmaß an ideologischer Wendigkeit: Gestern war das Virus noch Verschwörungstheorie, heute Erfüllungsgehilfe des deutschen Spargelessers beim Töten eines Rumänen.
Man hat fast den Eindruck, dass Beschimpfungen des Gebührenzahlers inzwischen bei vielen öffentlich-rechtlichen Sendungen Teil des Programms sind – man erinnere nur an den Song von der Oma als Gebührensau, die Beschimpfung der Großmütter als „Nazisau“ durch einen WDR-Mitarbeiter und einen Videobeitrag, in dem es hieß, Corona sei ein gerechtes Virus, weil es die Alten töte, die ja den Planet versaut hätten.
Die öffentlich-rechtlichen Zumutungen gehen noch weiter. Schon im November hatte Denis Scheck in der ARD gefordert: „Der wichtigste Beitrag, den wir zum Klimaschutz machen können, ist der Verzicht auf Kinder“. In einem Video des NDR-Ablegers N-Joy rufen nun Frauen vor der Kamera zur Kinderlosigkeit auf – und machen Werbung für Sterilisation. (anzusehen hier) Mein erster Gedanke war. dass mich das an die Zeiten dunkler, totalitärer Systeme erinnert. Auch da mischte sich der Staat via Medien ins Privatleben ein und in eine zutiefst persönliche Entscheidung jeder einzelnen Frau, die in meinen Augen außer ihr und ihrem Partner niemanden etwas angeht – für oder gegen das Kinderkriegen. In den Diktaturen wurde für mehr Kinder agitiert. Jetzt gegen das Kinderkriegen. Beides stößt mir sehr übel auf.
In einer freien Gesellschaft sollte es keine solche Agitation für intimste persönliche Belange geben, und schon gar nicht von öffentlich-rechtlichen Anstalten, die gebührenfinanziert sind und deshalb zu Neutralität verpflichtet – auch weltanschaulich.. Man stelle sich einmal auch nur für einen Moment vor, wie groß der Aufschrei wäre, würde umgekehrt in einer öffentlich-rechtlichen Sendung dazu aufgerufen, dass Frauen möglichst viele oder früh Kinder bekommen! Allein schon, dass ein solcher Aufruf – ähnlich wie der tatsächlich erschienene zur Kinderlosigkeit, nur mit umgekehrtem Vorzeichen – völlig undenkbar scheint, zeigt, wie hier mir zweierlei Maß gemessen wird und viele auf einem Auge blind sind.
Verteidiger wie Alexander Fürst Schaumburg-Lippe sagen: „Hier wird nur für Verständnis für diejenigen Frauen geworben, die sich gegen Kinder entschieden haben.“ Ich sehe das nicht so. In meinen Augen ist der Inhalt des Streifens eindeutig, dass Kinderlosigkeit und Sterilisation eine tolle Sache seien, also faktisch wird dafür geworben. Was ich für völlig in Ordnung gehalten hätte, wäre dagegen ein Beitrag, in dem Für und Wider sachlich erörtert werden, auch Fachleute zu Wort kommen, und in dem dann auch gewarnt worden wäre, jemand wegen einer Entscheidung – egal ob für oder gegen – zu verurteilen. Und noch eine persönliche Ergänzung: Ich habe zumindest in der Großstadt den Eindruck, dass eher Frauen mit viel Kindern oder denen, die ihren Nachwuchs Zuhause betreuen, tendenziell heute weniger Verständnis entgegen gebracht wird als Frauen ohne Kinder. Wenn schon für Verständnis werben, dann bitte auch für diese (aber natürlich auch hier nicht in Form von Agitation dieses Lebensstils.)
Wobei sich im vorliegenden Fall mit dem Video noch die Frage stellt, was die Verantwortlichen bewegt zu einem Aufruf, in einer alternden Gesellschaft, die sich selbst nicht mehr reproduziert, den Verzicht aufs Kinderkriegen zu agitieren? Und keine einzige Gegenstimme mit einzublenden?
Ich finde, ein öffentlich-rechtliches System, das per Gebührenpflicht finanziert wird, hat weltanschaulich neutral zu sein und darf sich nicht für eine Ideologie einspannen lassen. Und das ist nicht nur meine persönliche Meinung. In Artikel 11, Absatz 2 des Rundfunkstaatsvertrags heißt es: „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“
Ob Spargelesser als Mörder, Senioren als Umweltsäue und „gerechte“ Opfer von Corona oder Aufrufe, keine Kinder zu bekommen: Es ist phänomenal, wie viel Selbsthass beim öffentlich-rechtlichen zum Vorschein kommt. Wobei es vielleicht gar kein Selbsthass ist – sondern eher ein Hass von links sozialisierten, ideologisierten Journalisten, die sich für etwas Besseres halten als diejenigen, die sie mit ihren hart erarbeiten Euros sehr üppig finanzieren müssen – und dafür dann noch Verachtung, Häme und Spott ernten. In dieser Form, als Belehrungs- und „Haltungs“-TV, ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen eine Zumutung.
Dabei gäbe es sehr viel Sinnvolles, was die Sender jetzt tun könnten. Ein Insider aus einer der Anstalten schrieb mir, er verstehe nicht, warum in diesen Tagen, wo die Schulen geschlossen seien, die Sender nicht für die Kinder am Vormittag Unterrichtsprogramme senden? Angesichts der vielen Dutzend Sender des öffentlichen Systems wäre es leicht möglich, so der Insider, für jede Klasse etwas zu bieten. Und mit einem gemeinsamen Minimal-Konsens wären dabei wohl auch die Unterschiede in den Lehrplänen der einzelnen Länder zu überwinden – gewisse Ähnlichkeiten im Lernprogramm der jeweiligen Klassen gibt es wohl zwischen Cuxhaven und Berchtesgaden. Aber natürlich wäre das eine anspruchsvollere Aufgabe, als in einem schnell produzierten Video Reklame für Kinderlosigkeit und Sterilisation zu machen.
Bild: Screenshot Bayerisches Fernsehen/BR