Ein Gastbeitrag von Josef Kraus
Eine Zwischenfrage zur „Stammbaumforschung“ in Stuttgart:
Sind deutsche Gesetze rassistisch?
Will die Bundesregierung wieder einmal ein Gesetz ignorieren?
Einfach mal das Jugendgerichtsgesetz, Paragraph 38, lesen!
Die Stuttgarter Polizei hat bestätigt, dass bei den Nachforschungen zu den Ausschreitungen vom 20. Juni in elf Fällen auch die Nationalität der Eltern von Tatverdächtigen beim Standesamt erfragt wurde. Begründung: Man wolle klären, ob ein Migrationshintergrund gegeben sei. „Grüne“, SPD und Linke kritisierten dieses Vorgehen umgehend als rassistisch anmutende „Stammbaumforschung“. Die dauerempörte SPD-Co-Vorsitzende Esken kommentierte: „Das verstört mich nachhaltig.“ Der baden-württembergische SPD-Generalsekretär Binder schrieb: „Völlig daneben! Wir wollen wissen welche Motive die Täter hatten, um richtig reagieren zu können. Ob Oma aus Biberach oder aus Kroatien kommt, ist mir dabei Wurst und dem Gericht auch.“ Und Links-Sprecher Bartsch meinte: „Das ist Rassismus pur.“
Auch die Bundesregierung lehnt es ab, im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Tatverdächtigen der Krawallnacht in Stuttgart von „Stammbaumforschung“ zu sprechen. Auf die Frage eines Journalisten, ob „Stammbaumforschung“ zu den Aufgaben der Bundespolizei gehöre, antwortete Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin: „Wer immer den jetzt auch in die Arena geworfen hat, dieser Begriff verbietet sich in diesem Zusammenhang, das ist ein historisch belastetes und nicht angebrachtes Wort.“
Faktum ist: Der Begriff „Stammbaumforschung“ kommt nicht von der Polizei, Medien haben ihn erfunden – und der Polizei in den Mund gelegt. Konkret war es die Stuttgarter Zeitung. Apportierpresse eben!
Aber was ist an solchen familiären Nachforschungen – wie auch immer sie heißen mögen – verwerflich und unrechtmäßig?
Vielleicht sollte man einmal einen Blick werfen in das Jugendgerichtsgesetz (JGG), Paragraph 38 (Jugendgerichtshilfe), Absatz 2. Dort heißt es: „Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und sonstigen im Hinblick auf die Ziele und Aufgaben der Jugendhilfe bedeutsamen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung. Sie unterstützen zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und des familiären, sozialen und wirtschaftlichen Hintergrundes des Jugendlichen und äußern sich zu einer möglichen besonderen Schutzbedürftigkeit sowie zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind.“
Also, wo bitte ist das Problem, Frau Esken, Herr Bartsch, Herr Seibert?
Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist; Buchtitel u.a. „Helikoptereltern“ (2013, auf der Spiegel-Bestsellerliste), „Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt“ (2017), „Sternstunden deutscher Sprache“ (2018; herausgegeben zusammen mit Walter Krämer), „50 Jahre Umerziehung – Die 68 und ihre Hinterlassenschaften“ (2018), „Nicht einmal bedingt abwehrbereit – Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine“ (2019, zusammen mit Richard Drexl)