Trumps „Staatsstreich“ – Fake News im Spiegel

Wenn Doppelmoral und doppelte Standards leuchten würden, dann wäre es in der Nachbarschaft des Spiegel-Hauses an der Ericusspitze in Hamburg wohl auch nachts blendend hell. Das Nachrichtenmagazin, das gerne gegen Fake News und Verschwörungstheorien anschreibt und diese vorzugsweise auch da verortet, wo lediglich Kritik an der Regierung zu finden ist, verbreitet in diesen Tagen eine Verschwörungstheorie, die wirklich eine ist. Und die an Zeiten des unglückseligen Claas Relotius erinnert, der seine preisgekrönten Geschichten für das Magazin mit dem Logo „Mut zur Wahrheit“ teilweise frei erfunden hat – auch, wenn es gegen Donald Trump ging. Gelernt hat die Redaktion daraus offenbar nichts.

Sascha Lobo, Kolumnist von Spiegel Online und vor allem durch seinen Irokesen-Schnitt und seine stramm linke „Haltung“ bekannt, unterstellt in ein einem Beitrag dem US-Präsident die Vorbereitung einer der wohl schwersten Straftaten, die ein Staatschef begehen kann: eines Staatsstreiches.

Der Vorspann des Artikels hätte mich elektrisiert, wäre er in einem Medium erschienen, dem ich auch nur halbwegs über den Weg traue. Da stand: „Sollte er die Wahl im November verlieren, wird Donald Trump das Ergebnis wohl nicht anerkennen. Niemand wird ihn an einem Staatsstreich hindern können, dafür sorgen er und seine Verbündeten seit Langem vor.“ Für so schwere Vorwürfe, hätte ich mir bei einem weniger diskreditierten Medium gesagt, wird der Autor wohl schlagkräftige Beweise liefern können. Die dann sicher dazu führen, dass die Staatsanwaltschaft in Washington ihre Ermittlungen aufnimmt.

Beim Spiegel indes reagierte ich mit Skepsis auf die „Enthüllung“. Zu Recht. Was ich in dem Beitrag fand, war teilweise wirres Geschwurbel, bis hin zur Abschaffung der Sklaverei in den USA 1865. Ein Sammelsurium aus Vorurteilen und antiamerikanischen Reflexen. Teilweise so schwer lesbar wie Pamphlete von linksextremen Splittergruppen. Mit einer Argumentation, die teilweise so absurd ist, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihr keinen Sinn macht. Etwa der Vorwurf, die Republikaner wollten eine „ewige Präsidentschaft“. Welche Partei auf der Welt würde das denn bitte nicht wollen, einen Wahlsieg nach dem anderen?

Die Beweisführung von Lobo, der offenbar die Kunst der psychologischen Ferndiagnose beherrscht („der extreme Narzisst Trump kann nicht verlieren“), ist Realsatire: Weil der Präsident 2017 den Demokraten vorgeworfen habe, die planten einen Coup, plane er selber einen. Spiegelung, so die Diagnose von Dr. Lobo. Sherlock Holmes ist nichts dagegen! Müsste man diese Logik dann aber nicht auch auf Lobo und seine linken Kollegen anwenden? Steht dann nicht automatisch der Verdacht im Raum, dass auch sie „spiegeln“ und das, was sie Trump vorwerfen, vielleicht selbst planen?

Als Kronzeugen führt Lobo seinen Spiegel-Kollegen René Pfister an, der in einem Artikel ebenfalls einen Coup-Versuch herbei zu schreiben versucht, auf ähnlich absurde Weise. Das Motto ist offenbar einem alten russisch-jüdischen Witz entnommen: Nach dem Besuch der Familie Rosenthal sind bei Familie Vorstatt die silbernen Teelöffel verschwunden. Die Vorstatts erzählen in der Nachbarschaft, dass sie die Rosenthals verdächtigen. Nach ein paar Wochen ändert sich ihre Erzählung: „Die Löffel haben wir gefunden, wir hatten sie verlegt, aber ein unangenehmer Nachgeschmack, was die Familie Rostenthal angeht, ist geblieben!“

In seinem Spiegelkabinett von vermeintlichen Beweisen für Trumps Staatsstreich-Pläne führt Lobo auch ein Buch von einem „Anonymus“ an, der angeblich aus Trump Umfeld stammen soll. Interessant, ob man beim Spiegel auch einem „Anonymus“ aus dem Umfeld Merkels Pläne für einen Staatsstreich im Kanzleramt abnehmen würde.

In seinem ellenlangen und ermüdenden Elaborat (Motto offenbar: liest hoffentlich eh keiner bis zum Ende durch) führt Lobo sodann diverse einzelne Fakten auf, die per se durchaus Anlass für Kritik sein mögen. Tricksereien, Machtkämpfe, Spielchen. All das in einem seriösen, sachlichen Beitrag aufzuführen, wäre eine sinnvolle Sache gewesen. Und hätte möglicherweise tatsächlich zu Ungunsten Trumps ausfallen können. So aber, mit Schaum vor dem Mund, mit dem Tenor, dass all das nur Trump betreibe, ist es entweder höchst infantil und naiv oder zynisch manipulativ.

Vor dem letzten Absatz, zu dem sich wohl nur masochistisch veranlagte Leser durchkämpfen, steht dann in einer Zwischenüberschrift, dass die Prognose mit dem Staatsstreich nur ein „wahrscheinliches Szenario“ ist. In den folgenden Zeilen wird dieses „Szenario“ dann wie per Geisterhand zum unumstößlichen Fakt: „Sollte er die Wahl im November verlieren, wird Trump einen Staatsstreich unternehmen und niemand wird ihn daran hindern können.“

Das hat nichts mehr mit Journalismus zu tun, das ist Hütchenspielerei und bewußte Irreführung des Lesers. Im Versuch, aus Trump die Inkarnation des Böses zu machen, ist dem Spiegel offenbar keine Verschwörungstheorie absurd genug. Wären Spiegel und Co. auch nur zu fünf Prozent so kritisch gegenüber Merkel, wie sie es in ihrer Obsession Trump gegenüber sind – um unsere Demokratie wäre es nicht ganz so schlecht bestellt.

Zum Abschluss noch eine Übersicht von Titelbildern aus Medien, die für sich in Anspruch nehmen, unentwegt gegen Hass und Hetze zu kämpfen.


Bilder: Titelbilder/Screenhots „Der Spiegel“/“Stern“

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