Von der Rütli- bis zur Friedrich-Bergius-Schule: Woher kommt diese Verrohung? Alarmierende Zustände an deutschen Schulen: Zwischen Gewalt und Verwilderung

Ein Gastbeitrag von Klaus D. Paatzsch

Schon wieder einer? Hat sich nichts geändert, dachte ich, als ich den Brandbrief der Friedrich-Bergius-Schule las. Vor zwei Jahrzehnten rüttelte der Brief der Rütli-Schule die Berliner Gesellschaft auf. Ein anderer, den Kollegen der Heinrich-Mann-Schule im Jahre 2011 schrieben, erreichte nicht diese Resonanz und Wirkung.

Über Gewaltausbrüche wurde gerade in den letzten Jahren oft in den hiesigen Zeitungen geschrieben. „Mädchen schlagen ist normal“, war im Jahr 2020 beispielsweise in dieser Zeitung zu lesen. Im Mai dieses Jahres wurde ein Bericht veröffentlicht, in dem die Lehrer aus Angst vor ihren eigenen Schülern ihren Namen nicht genannt haben wollten: „Viele Schüler haben ein Messer im Schulranzen.“

Woher kommt diese Verrohung? Woher kommt diese Veränderung der Schulatmosphäre insgesamt?

Eine wesentliche Ursache für diese nicht mehr hinnehmbare Schulsituation in Berlin ist die Zusammensetzung der Schulklassen beziehungsweise die Schüler an sich. Hervorgerufen durch örtliche Milieus, wenn prekäre soziale Schichten und migrantische Zuwanderungskultur dominieren. Sie verändern den Organismus Schule und wirken sich auf deren Atmosphäre, den Unterricht und die außerschulischen Vorhaben aus.

Wie die Familien leben, was sie feiern und was nicht, wie sie sich kleiden, was sie denken und fühlen, welche Regeln für sie wichtig sind, ob und wie sie ihre Kinder erziehen und anspornen, das schlägt sich auch in der Schule nieder.

Dafür gibt es eine Reihe nachfolgend skizzierter Indizien, die – auch unter Berücksichtigung des Lehrerkollegiums und der Führung durch die Schule – das Schulleben in eine unheilvolle Richtung lenken. Unheilvoll, weil der Leistungsgedanke zurückgedrängt und das soziale Anforderungsniveau gesenkt wird, gleichzeitig die verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen zunehmen.

Die Sache mit dem Kopftuch

Oft ohne Vorankündigung sitzen in der 7./8. Klasse auf einmal Mädchen in der Klasse, deren Haare für die meisten Lehrer von nun an nicht mehr sichtbar sind. Es ist ihre freie Entscheidung oder die ihrer Eltern oder die ihrer Glaubenslehre. Die Schule lässt ihnen diese Freiheit, aber damit beginnen die Schwierigkeiten.

Im Sportunterricht werden sie augenscheinlich: Nur in der Sporthalle und unter Mädchen und mit einer Sportlehrerin ist der Unterricht ohne Kopftuch möglich. Die Sportdisziplin Schwimmen kann nicht belegt werden oder nur unter entsprechenden Vorkehrungen stattfinden. Oder es wird allem aus dem Weg gegangen, indem man sich vom Fach „fernhält“.

Die Sprach- und Bildungsrückstände

Der schulische Kanon beinhaltet viele Lesestücke, die Wörter und Wendungen aus deutschen Märchen, Kinderliedern und der Bibel enthalten; auch feste Fügungen von Muttersprachlern sind unbekannt. Die Lehrer können nicht von einem Standardwortschatz in der Klassenstufe ausgehen, sondern müssen sich stündlich den Stand vieler einzelner Schüler erarbeiten und das Tempo so drosseln, sodass möglichst alle den Text am Ende verstanden haben.

Oder sie müssen ihn vorausahnend am Computer bearbeiten, die Verdichtung aufheben, Worterklärungen anfügen, sodass von dem ursprünglich vorgesehenen Sprachwerk nur noch Fragmente übrig sind. Das gilt, wenn es durchgängig gehandhabt wird, auch für den Geschichts-, Biologie- und Musikunterricht.

‘Was willst du denn mal werden?‘

Antworten auf diese Frage sind für viele Schüler ein Buch mit sieben Siegeln, auch weil die Eltern oftmals nicht über spezifische und/oder aktuelle Berufserfahrungen verfügen und deshalb als berufliche Elternvorbilder nicht infrage kommen. Ihre Rolle muss die Schule übernehmen, obwohl auch hier die meisten Lehrer keinerlei andere Berufsfelder in ihrem Werdegang kennengelernt haben.

Das Manko wird zumindest teilweise durch das Fach Wirtschaft/Arbeitslehre und durch zeitweilig vor Ort tätige Mitarbeiter der Agentur für Arbeit ausgeglichen. Betriebserkundungen und -praktika können eine gewisse Harmonisierung schaffen, die Weitergabe der beruflichen Stafette ist jedoch unterbrochen.

Sei pünktlich!

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Ist es aber nicht. Ob nun zum Beginn des Tages oder am Anfang jeder Stunde, jeder, der zu spät kommt, stört den Unterrichtsablauf und den didaktischen Aufbau der Stunde, manchmal auch durch lautes Nachfragen die Sitznachbarn.

Ausflüge mit Bus oder Bahn, bei denen es bekanntlich feste Abfahrtszeiten gibt, bergen schon allein wegen dieser Untugend ein hohes Risiko für die Gemeinschaft. Oft muss in der Klasse etwas zusammengetragen werden: Geld oder Unterschriften von den Eltern für die Klassenkasse, für eine geplante Klassenfahrt, für die Klassenarbeit und für das Zeugnis. Wenn das nicht zum vereinbarten Termin passiert, wird das Einsammeln zu einem wochenlangen Ritual, das alle Nichtbeteiligten langweilt und nervt. Wertvolle Unterrichtzeit geht verloren.

Ramadan, der islamische Fastenmonat

Die Verwirrung beginnt schon damit, wann er endet, und somit, wann die Schüler islamischen Glaubens zum Fastenbrechenfest schulfrei haben. Manche nehmen dann gern gleich zwei Tage in Anspruch. Auch wenig Auffällige in Glaubensfragen lassen sich von den anderen anstecken und versuchen, vier Wochen lang zu fasten. Da sie nur sehr spät und am nächsten Morgen sehr früh essen und trinken dürfen, kommen diese Schüler übermüdet zum Unterricht und sind auch am Tage wenig lern- und leistungsfähig.

Zu diesem schulfreien Fest kommt noch ein gerüttelt Maß anderer hinzu, die den Unterrichtsrhythmus beeinflussen, sei es christliche, jüdische Feiertage und so fort … An diesen Tagen fehlen immer einige Schüler. Es ist folglich kein regulärer Unterricht möglich, denn für die Zurückgebliebenen kann es nur ein Notprogramm geben, um nicht die Kontinuität zu gefährden.

Aber bitte Respekt!

Das Wort Respekt wird im Deutschen meist gebraucht, wenn man einem anderen Menschen ausdrücken will, dass man Hochachtung vor ihm empfindet, weil man seine Leistung in einem Lebensbereich für hervorragend hält. In der Schule hat dieses Wort mittlerweile einen neuen Bedeutungsschwerpunkt und eine inflationäre Häufigkeit angenommen. Jeder fordert vom Gegenüber laufend Respekt ein, in dem Sinne, dass man ihn und sein Tun achten, dass man Rücksicht nehmen, dass man seine Worte und Handlungen dulden solle.

Da fordert der Schüler, dass man Rücksicht auf die Fastenzeit nehmen. Da mahnt er den Lehrer, dass er doch respektvoll reagieren solle, wenn er denn zu spät kommt. Da wird darüber verhandelt, ob nicht auch der Täter Respekt verdiene. Kurse mit diesem Inhalt feiern Hochkonjunktur, ob sie nun Antigewalttraining heißen oder sich bloß mit Toleranz beschäftigen.

Alles ist ehrenrührig

Ehre, wem Ehre gebührt, Gottes Ehre, die Ehre der eigenen Familie, von Vater, Mutter, Kind, Cousins, des großen Bruders, aber nicht der fremden Sippe. Meine Ehre, deine Ehre. Ehrenvolle Heirat, die Ehre der Jungfräulichkeit, die Unehre der Dirne. Keine Ehre, ehrlos. Ehre futsch, alles futsch. Bei seiner Ehre packen und mit dem Messer stoßen.

Nicht aller Ehren wert die Gewalt im Klassenraum, auf dem Schulhof und auf der Straße. Geehrt werden nicht die Leisen, die es schwer haben mit dem Lernen, aber sich ernsthaft bemühen. Häufig falsch geschrieben: Geehrte Damen und Herren. Falsche Ehre. Unehrlichkeit. Üb immer Ehr (Treu) und Redlichkeit. Mit wem haben wir eigentlich die Ehre, Euer Ehren?

Das Spiel: Wer grüßt zuerst?

Der Schüler den Lehrer oder der Lehrer den Schüler? Damit überhaupt dieses Zeremoniell „geübt“ wird, begrüßt in der Praxis ein Lehrer den Schüler am Schuleingang mit einem freundlichen „Guten Morgen“ und dann geschieht tatsächlich manchmal auch das zurückschallende Wunder.

Symptomatisch für viele fehlende Regeln der Höflichkeit und des Benehmens, die den jungen Leuten beim Grüßen, beim gemeinsamen Essen oder bei allgemeinen Formen der Rücksichtnahme fehlen. Die Eltern geben ihre Kinder in der Schule ab, die Lehrer sollen’s richten. Bildungsauftrag ade, Erziehungsauftrag juchhe. Benimm- und Höflichkeitskurse könnten durchaus lehrplanfähig werden.

Kulturelle Bereicherungen? Bunte Vielfalt? Zu vernachlässigende Randerscheinungen? Diese Indizien erheischen einer, besser vieler wirksamer Antworten. Man hat den Eindruck, noch ist das Ausmaß, was an den Schulen und in den Elternhäusern passiert, nicht begriffen worden.

Dies ist ein Open-Source-Beitrag des Berliner Verlags. Er erschien zuerst auf www.berliner-zeitung.de

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Klaus D. Paatzsch hat als Lehrer für Deutsch und Geschichte über 20 Jahre an Brennpunktschulen gearbeitet, war Mitglied der erweiterten Schulleitung und Fachkonferenzleiter Deutsch. Davor sammelte er pädagogische Erfahrungen im Kinderheim und in der Jugendfreizeit, erwarb zudem wissenschaftliche Kompetenz durch eine Promotion in Erziehungswissenschaften. Er ist auch Autor von zwei Kinderbüchern.

Bild: Lienhard Schulz, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

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