Der gewaltsame Tod von George Floyd am 25. Mai 2020 in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota hält seit Wochen die Welt in Atem. Die „Black Lives Matter“-Bewegung ist seither in den Schlagzeilen, und weltweit auf dem Vormarsch. Kaum ein Tag vergeht ohne Schlagzeilen zum Thema Rassismus und dessen Bekämpfung. Die mediale Welle reicht bis in die Provinz und in die Vergangenheit. So wurde etwa im Schwäbischen Möhringen gefordert, eine Farbige aus dem Stadtwappen zu entfernen. Der Demoskopie-Beauftragte der Baden-Württembergischen Landesregierung Thaddäus Kunzmann (CDU) musste gar um seinen Posten bangen, weil er es gewagt hatte, auf Facebook auf die diversen Vorstrafen von George Floyd hinzuweisen und in Frage zu stellen, ob jemand wirklich zur Ikone taugt, der wiederholt in Haft war und etwa bei einem Raubüberfall einer Schwangeren die Pistole gegen ihren Babybauch hielt.
Umso erstaunlicher, dass ein anderer Todesfall in den USA in den deutschen Medien überhaupt nicht zu finden ist – zumindest, wenn man google glauben darf. In Indianapolis wurde am 5. Juli am helllichten Tag die 24-jährige Krankenschwester und Mutter eines dreijährigen Sohnes Jessica Doty Whitaker erschossen. Im Beisein ihres Verlobten Jose Ramirez und zweier Freunde.
Als ihnen vier Männer und Frauen entgegen kamen, brach ein Streit aus, wie „The US Sun“ und andere amerikanische Medien berichten: Streitthemen waren demnach Sprache und die „Black Lives Matter“-Bewegung. „Ich werde die Bilder von dem, was passiert ist, wohl nie wieder aus meinem Kopf bekommen“, sagte Ramirez einem örtlichen Nachrichtensender. Demnach sei es zu einem heftigen Streit über Rassismus gekommen.
Dem Vater des Opfers zufolge soll seine Tochter in dem Streit gesagt haben, „All Lives Matter“ – übersetzt in etwa: „Jedes Leben zählt“ – als Kontrapunkt zu „Schwarze Leben zählen“, wie sich „Black Lives Matter“ (BLM) ins Deutsche übersetzen lässt. Die vier anderen Personen waren demzufolge offenbar Anhänger eben dieser Bewegung. In den Augen vieler BLM-Anhänger ist die Aussage „Jedes Leben zählt“ eine Provokation und ein Beleg für Rassismus.
Die beiden Gruppen hatten sich bereits getrennt und es schien, als ob der Streit ohne Gewalt zu Ende gegangen sei. Doch der Täter habe Whitaker und ihren Begleitern später an einer Brücke aufgelauert und dort die tödlichen Schüsse auf sie abgegeben, so der Verlobte der Verstorbenen, Ramirez. Er habe ihre Hand gehalten, als die Schüsse fielen, und sie umfiel. Er habe danach auch seine Pistole gezogen, und im Affekt geschossen, ohne jemanden zu treffen.
Whitaker konnte noch ins Krankenhaus gebracht werden, doch dort erlag die Krankenschwester ihren Verletzungen. Am schwierigsten sei es gewesen, dem dreijährigen Sohn der Getöteten zu sagen, dass er seine Mutter nie wieder sehen werde, berichtete Ramirez Journalisten: „Es ist hart, ihm zu erzählen, dass seine Mutter im Himmel ist, und dass er einfach zu den Wolken schauen soll, wenn er sagen will ‘Mutti ich liebe dich‘“.
Auf Facebook forderte Whitaker’s Vater Gerechtigkeit für seine Tochter und erklärte, er gehe von einem „Hassverbrechen“ aus. In den Kommentaren zu dem Post ist zu lesen, „Black Lives matter“ sei eine Terrororganisation. Doty schrieb dazu: „Ich bin völlig einverstanden.“ Auf seiner Seite teilte er einen Post, in dem es heißt, es habe sich um eine Hinrichtung gehandelt, und die meisten Medien in den USA würden kaum darüber berichten.
Vieles an dem tragischen Vorfall in Indianapolis ist bislang noch unklar. Diverse Quellen schreiben, das Zitat der Familie sei in einem rechtsradikalen Blatt erschienen. Allerdings legen die Facebook-Einträge des Vaters der Getöteten nahe, dass seine Aussagen authentisch sind. Dass über den Vorfall in deutschen Medien nichts zu lesen ist, lässt sich eigentlich nur damit erklären, dass er nicht ins Weltbild der Redaktionen passt. Und nicht in ein Schwarz-Weiß-Bild der Ereignisse in Amerika und der „Black Lives matter“-Bewegung, das hierzulande leider vorherrschend ist. Angesichts der hohen Brisanz, die das Thema Rassismus und BLM derzeit haben, ist es Augenwischerei, auf mangelnde Relevanz des Tötungsdeliktes zu verweisen. Noch weniger kann dies für US-Medien gelten, die den Vorfall verschweigen.
Bild: privat/Facebook