Von Daniel Weinmann
Kann es Zufall sein, dass sich genau jener Polit-Prominente, der sich als Mann der Wissenschaft glorifiziert und vorgibt, jede Nacht Analysen zur Pandemie-Lage zu lesen, wegen einer Pseudo-Studie so blamiert? Oder ist es schlicht ein weiterer Beleg für die Inkompetenz des Bundesgesundheitsministers?
„Für alle, die noch immer im Unklaren sind, ob Masken gegen COVID schützen: Hier eine neue amerikanische Mega-Studie, die über 1.700 Studien auswertet“, twitterte Karl Lauterbach. Der Nutzen der Masken sei sehr groß, unumstritten und gelte für viele Bereiche. Er bezog sich dabei auf den am 31. Juli als Preprint erschienenen Aufsatz „The Efficacy of Facemasks in the Prevention of COVID-19: A Systematic Review.“
Möglicherweise war es wieder einmal spät geworden, als der SPD-Politiker dieses Papier gelesen hatte. Sonst wäre ihm vermutlich aufgefallen, dass von den 1732 Studien, die anfänglich geprüft wurden, nur 13 Studien Daten lieferten, die in die endgültige Analyse einflossen. Dies erschließt sich bereits im dritten Satz der Zusammenfassung. Ebenfalls ein Zeichen für die nicht vorhandene wissenschaftliche Aussagekraft: Die Studien beruhen auf 243 Personen und wurden zwischen März und August 2020 publiziert.
»Ein haarsträubender Missbrauch von Autorität im Namen der öffentlichen Gesundheit«
Lauterbach schien von der Zahl 1732 offensichtlich so begeistert, dass er umgehend die weitere Lektüre abbrach. Zudem ist zu vermuten, dass Deutschlands oberster Pandemie-Manager in seinem Tweet nicht eine „Mega-Studie“, sondern eine Meta-Studie, also eine quantitativ-statistische Zusammenfassung anderer Arbeiten, meinte.
Von einer wissenschaftlichen Arbeit, wie sie der Gesundheitsminister vorzugsweise nächtens konsumiert, kann keine Rede sein. Eine der untersuchten Studien stammt aus dem Jahr 2004, als Covid-19 noch nicht einmal bei den hartnäckigsten Verschwörungsideologen ein Thema war. In einer anderen Studie ist von elf Passagieren und 20 Teilnehmern (ob es elf oder 20 waren, wissen die Autoren offensichtlich selbst nicht) in einem Charterflugzeug die Rede. Thema des Papers sind militärische Gasmasken und Luftröhrenschnitte.
Lauterbachs Lob für die Pseudo-Studie stieß selbst in den USA auf viel Häme. „Das ist ein haarsträubender Missbrauch von Autorität im Namen der öffentlichen Gesundheit und der Wissenschaft“, twitterte der Stanford-Medizinprofessor Jayanta Bhattacharya, der das Stanford Center for Demography and Economics of Health and Ageing leitet.
»Unterlassen Sie diesen unwissenschaftlichen Unsinn!«
Ebenfalls bezeichnend ist der Kommentar von Francois Balloux, Direktor des UCL Genetics Institute und Professor für Computerbiologie am University College London: „Ich finde es schwierig herauszufinden, ob diese „Studie“ ein Stück episches Trolling, eine Art absurde Performance-Kunst oder einfach nur intergalaktische Inkompetenz ist …“
Der Epidemiologe Friedrich Pürner bringt die peinliche Posse Lauterbachs per Twitter so auf den Punkt: „Jetzt mal ernsthaft @Karl_Lauterbach, lesen Sie Studien auch, bevor Sie diese kommentieren? Ihr Tweet ist niveaulos. Dass Sie womöglich kein Epidemiologe sind, ist hierfür keine Entschuldigung. Lesen werden Sie ja noch können.“ – „Unterlassen Sie diesen unwissenschaftlichen Unsinn“, forderte der Mediziner, der strafversetzt wurde, weil er zu Beginn der Corona-Maßnahmen als Leiter des Gesundheitsamts im bayerischen Aichach-Friedberg öffentlich Kritik übte.
Für Facharzt Pürner steht außer Frage: „Lauterbach kann nicht Wissenschaft; er ist ein Möchtegern.“ Ein weiteres Armutszeugnis für einen der wichtigsten Politiker in diesem Land ist, dass er augenscheinlich keine Berater duldet, die ihn vor seinen Peinlichkeiten bewahren. „Macht er wirklich persönlich alles falsch?“, fragt auch Pürner. Seine Antwort: „Scheint fast so.“
Impfnebenwirkung? Warum nickt Lauterbach sogar auf Pressekonferenzen und in Fernsehinterview ein?Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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