Er ist einer der wenigen standhaften Felsen in der fast alles überschwemmenden Brandung des rotgrünen Haltungsjournalismus. Und er ist dann mal weg. Ralf Schuler schmeißt hin und verlässt seinen Posten als Leiter der Parlamentsredaktion der „Bild“. Seine Begründung in einem Brief an Springer-Chef Mathias Döpfner und „Bild“-Chefredakteur Johannes Boie: „Ich bin nicht bereit, für eine politische Bewegung und unter ihrer Flagge zu arbeiten.“ Und weiter: „Vielleicht bin ich auch aus biografischen Gründen besonders sensibel, wenn sich wieder jemand aufmacht, unter den Schlagworten Diversity und Vielfalt ideologische Gesellschaftsentwürfe anzustreben.“ Konkret kritisiert Schuler einen zu unkritischen Umgang des Springer Verlags, dem die „Bild“ gehört, mit der LGBTQ-Bewegung. Und dass sich die Führungsetage auf die Seite der Queer-Aktivisten geschlagen hat.
Ich persönlich schätze Schuler nicht nur als mutigen und kritischen Journalisten. Sondern auch menschlich: Er ist einer von sehr wenigen Journalisten, die in der Bundespressekonferenz den Mut hatten, mich offen zu grüßen. Und auch noch freundlich. Ja, ich weiß, es ist traurig, dass für so etwas Mut notwendig ist.
„Ralf Schuler verlässt die ‘Bild‘, weil er nicht bereit war, sich Queer-Propaganda diktieren zu lassen. Schuler ist ein mutiger Mann, der sich schon als Schüler dem DDR-Regime verweigert hat. Leute wie er spüren, wenn Meinungsfreiheit bedroht ist. Wir alle sollten alarmiert sein!“, kommentiert Gerhard Papke, früher Fraktionschef der FDP im Landtag von Nordrhein-Westfalen, diesen Schritt.
Kein Anschluss an Kampfgruppe
In seinem Kündigungsschreiben, über das der „Cicero“ exklusiv berichtete, schreibt er: „Ich verteidige jederzeit die Freiheit des Einzelnen, schließe mich aber keinen Kampfgruppen welcher Couleur auch immer an und möchte unter der Regenbogen-Fahne genauso wenig arbeiten, wie unter den Flaggen anderer Bewegungen.“
Explizit kritisiert er etwa, dass „ein stellvertretender BILD-Chefredakteur im täglichen Briefing dieser Tage schrieb“, das Blatt stehe „fest an der Seite der LGBTQ-Community im eisenharten Kampf für Menschenrechte und gegen Diskriminierung.“ Dazu Schuler, der noch in der DDR Standhaftigkeit lernte: „Vom stalinistischen Schwulst der Formulierung einmal abgesehen, stehe ich keiner politischen Bewegung ‘fest zur Seite‘ und halte dies auch ganz grundsätzlich NICHT für die Aufgabe von Journalisten.“
Weiter schreibt Schuler der „Bild“ ins Stammbuch: „Anstatt Stimme der Massen und der Vernunft zu sein, haben wir jüngst in einem Kommentar die freie Wahl der Geschlechter als eine Frage des Respekts bezeichnet und mussten zwei Tage später (vom gleichen Autor übrigens) gegen die wissenschaftsfeindlichen Auswüchse der gleichen Regenbogen-Community kommentieren, die einen schlichten Bio-Vortrag an der Humboldt-Universität verhinderte.“
‘Oh deer – I’m queer‘
Was der aufrechte Journalist zu sagen hat, macht sprachlos – der stramm bürgerliche Verlagsgründer muss wohl im Grab rotieren: „Axel Springer produziert plump-alberne Aufkleber, als sei die sexuelle Orientierung eine Art hipper Lifestyle („oh deer – I’m queer“) und macht sich zum Banner-Träger einer Bewegung, die einen festen Gesellschaftsentwurf mit Sprach- und Schreibvorschriften anstrebt und glaubt berechtigt zu sein, der Mehrheitsgesellschaft einen politischen Kanon bis hin zum Wechsel des Geschlechtseintrags oder Quotierungen diktieren zu können.“
Das sind erschütternde Einblicke in den Redaktionsalltag. Die zeigen, welcher Geist inzwischen bei der „Bild“ herrscht, nachdem Julian Reichelt aus dem Amt des Chefredakteurs gemobbt und von dem politisch zuverlässigen Boie ersetzt wurde. Der sich als Welt-Chef nicht für übelste Hetze gegen Corona-Maßnahmen-Kritiker zu schade war – auch gegen mich.
Heftige Abrechnung
Erst unlängst hatte Schulers Kollegin Judith Sevinç Basad bei der „Bild“ gekündigt. In einem öffentlichen Brief an Verlagschef Matthias Döpfner, der von einer Galionsfigur der Bürgerlichen umkippte zu einem willfährigen Lobbyisten des rotgrünen Zeitgeistes, rechnete die Journalistin ab:
„Der Grund für meine Kündigung ist am Ende der Umgang von Axel Springer, also auch Ihr Umgang, mit der woken Bewegung. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht mehr über die Gefahren berichten kann, die von dieser gesellschaftlichen Bewegung ausgehen. Und ich habe das Gefühl, dass der gesamte Verlag in dieser Sache nicht mehr hinter mir steht. Keine Thematik hat mich als Journalistin so sehr um den Verstand gebracht wie der Aktivismus einer kleinen Minderheit, die offiziell behauptet, für Diversität zu stehen, aber eine im Kern radikale Ideologie verfolgt.“
Ich ziehe den Hut vor dem Kollegen Schuler. Und biete ihm jederzeit und gerne journalistisches Asyl auf meiner Seite, für die er eine große Bereicherung wäre.
Und ich bin entsetzt über den Springer Verlag. Dass ausgerechnet ein Haus, für das bürgerliche Werte immer der Markenkern waren, sich selbst kastriert und Männchen macht vor einem militanten „woken“ Zeitgeist, ist nicht nur tragisch. Es ist eine Schande.
Der Fall Schuler straft all diejenigen Lügen, die immer noch die Misstände in Sachen Demokratie und Meinungs- sowie Pressefreiheit in Deutschland schönreden oder verdrängen. Bevor wir andere kritisieren, wie die Bundesregierung das so gerne, laut und oft tut, sollten wir uns an die eigene Nase fassen und im eigenen Haus kehren.
Text: br
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