„Mitgegangen, mitgehangen“, besagt eine alte Redensart, die in Wirklichkeit viel brutaler ist, als wir sie dank der Gewöhnung daran wahrnehmen. In ihrer ganzen Brutalität gilt sie auch für die Politik. Das sollte sich die FDP klarmachen. Die Liberalen stehen jetzt vor einer schicksalhaften Entscheidung: Robert Habeck, Kinder-Schriftsteller und Philologe aus Schleswig-Holstein und aktuell Vize-Kanzler und Bundeswirtschaftsminister, will im Schulterschluss mit Olaf Scholz, Bundeskanzler mit Erinnerungs-Blackouts, die Versorgungssicherheit unseres Landes und die Bezahlbarkeit von Strom für Normalverdiener aufs Spiel setzen. Aus ideologischen Gründen.
Habecks Aufritt vor handverlesenen Hof-Journalisten auf der Bundespressekonferenz gestern hatte etwas Gespenstisches. Er konnte nicht einmal klar sagen, wie lange das Wiederhochfahren von Atommeilern dauerte – aber er besteht auf deren Abschalten zum Jahresende. Und erweckte fast den Eindruck, nach dem 1. Januar seien die Kraftwerke gefährlicher als zuvor. Und als die in den Nachbarländern, die munter weiter Storm produzieren. Nur zwei Meiler in Süddeutschland sollen als „Notfallreserve“ für ein paar Wochen quasi im „Standby“ gehalten werden – so dass man sie wieder anschalten könnte. Der dritte Meiler im Emsland soll unwiderruflich stillgelegt werden. Eine andere Erklärung als den Landtags-Wahlkampf in Niedersachen lässt sich für diese unterschiedliche Behandlung der drei Rest-AKWs nicht finden. Offenbar will Habeck seine grüne Anhängerschaft kurz vor dem Gang zur Wahlurne nicht vor den Kopf schlagen.
Nicht nur Ideologie geht für diese Regierung also vor Versorgungssicherheit, sondern auch Wahlkampf. Wenn die Liberalen hier nicht die Gretchenfrage stellen, haben sie das Papier nicht verdient, auf dem ihre Wähler im September 2021 ihre Kreuzchen gemacht haben. Schon in Sachen Corona und damit Bürgerrechten und Freiheit haben sie ihre Wähler verraten, indem sie die Absurditäten eines durchgedrehten Gesundheitsministers im Panikmodus in wesentlichen Teilen bis heute mittragen. Und sich dann brüsten, den größten Irrsinn verhindert zu haben. Das ist etwa so, als wenn jemand mit Brandstiftern unterwegs ist, ihnen sein Auto zur Verfügung stellt, und dann sagt: Ich konnte sie aber überreden, zwei große Häuser nicht anzuzünden. Wenn Sie jetzt einwenden, der Vergleich sei überzogen, entgegne ich: Das Brechen des Grundgesetzes und das willkürliche Einschränken von Grundrechten und Freiheiten der Bürger rechtfertigen auch einen krassen Vergleich.
Bei Habecks Mogelpackung zum Atomkraftausstieg mögen sich die Liberalen vielleicht erneut damit rausreden, dass es ohne sie noch schlimmer gekommen wäre. Das wäre erneut eine Verhöhnung ihrer Wähler. „Wenn der FDP eine sichere Stromversorgung Deutschlands durch den kommenden Winter hindurch wirklich so wichtig ist, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, ‘entweder oder‘ zu sagen. Wenn sie die Abschaltung aller Atomkraftwerke mitmacht, trägt sie auch die Verantwortung dafür“, schreibt Kollege Julian Röpcke auf Twitter. Weil ich es nicht besser ausdrücken kann, soll er hier das letzte Wort haben.
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Text: br