Es fällt mir schwer, diesen Artikel zu schreiben. Nicht, weil ich mir unsicher wäre – sondern weil ich weiß, dass er mich wieder zwischen alle Stühle bringt. Dass er für die einen zu viel Kritik am „Westen“ enthält, für die anderen zu viel an Moskau. Dass ich Leser verlieren werde. Vielleicht nicht wenige. Und doch wäre Schweigen schlimmer. Dann müsste ich meinen Beruf an den Nagel hängen. Denn wer sich selbst darüber aufregt, dass so viele Kollegen sich wegducken und sich selbst durch den politischen Windkanal zwängen, um nicht anzuecken – gerade bei diesem Thema, gerade auch in den sogenannten „alternativen“ Medien – der muss es selbst anders machen. Wer heute schweigt oder sich gar anbiedert, obwohl seine wirkliche Position gar nicht deckungsgleich ist mit dem, was er öffentlich vertritt, spielt am Ende genau das Spiel, das er der Mainstreampresse vorwirft – nur mit anderen Vorzeichen und unter neuer Beflaggung.
Eines vorweg: Ich war nie jemand, der blauäugig auf die Ukraine blickte. Ich ärgere mich seit 25 Jahren über Heuchelei, Doppelmoral, Propaganda, Korruption und Machtmissbrauch auch in Kiew – und habe viel darüber geschrieben. Ich bin weit davon entfernt, „den Westen“ zu idealisieren. Seine Russland-Politik kritisiere ich seit meinem 19. Lebensjahr – Jahrzehnte bevor Moskau wieder zum Schurkenbild der Leitmedien wurde. An vielem von dem, was heute geschieht, trägt „der Westen“ eine große, fatale Mitverantwortung – allerdings in einer anderen Form als jener, die uns Putins Fanclub in Politik und Medien einreden will.
Tatsächlich – „der Westen“ ist an all dem, was wir in Sachen Ukraine erleben, nicht unschuldig. Im Gegenteil. Was besonders wütend macht: dass man dreieinhalb Jahre lang einen Krieg am Schwelen hält, ohne sich zu entscheiden, ihn wirklich zu beenden. Ehrlich wäre gewesen: Entweder zu sagen, wir unterstützen die Ukraine nicht – oder es ernst zu meinen und Russland mit wirklich schmerzhaften Konsequenzen zu konfrontieren. Stattdessen gab es eine Politik der halben Maßnahmen: moralisch dröhnend, politisch zögerlich, mit Pseudosanktionen, die vor allem die einfachen Russen treffen und nicht die Oberschicht, Umwege und Schlupflöcher an allen Enden – und am Ende wurde so die Ukraine faktisch verraten und zwischen Symbolik und Realität zermahlen. Seit fast vier Jahren leidet dieses Land und verliert Menschenleben ohne Ende. Und man hat den Eindruck – bis Trump kam, wollte niemand etwas daran ändern.
Ich bin persönlich von diesem Krieg betroffen, sehr betroffen. Ich habe Freunde und Verwandte auf beiden Seiten der Grenze. Moskau ist in 16 Jahren dort meine zweite Heimat geworden – die wurde mir durch den Krieg genommen, weil ich nicht mehr einreisen kann. Das schmerzt. Und doch ist es lächerlich im Vergleich zu dem, was die Menschen in der Ukraine Tag für Tag erleben und erleiden. Niemand kann sich dort seines Lebens sicher sein.
Ich wünsche mir nichts sehnlicher als Frieden. Ich bete dafür. Und ich bin sicher – Ihnen geht es genauso. Und viele haben Angst – nicht vor Putin, sondern davor, dass es bei uns noch schlimmer wird. Noch mehr Krieg, noch mehr Eskalation, noch mehr Abstieg. Und deshalb klammern sie sich an alles, was wie ein Gegenpol aussieht. Auch an Moskau.
Und viele werden jetzt denken – der 28-Punkte-Plan ist eine große Chance.
Ich würde mir wünschen, das wäre so. Sehr wünschen würde ich mir das sogar. Doch ich sehe das genaue Gegenteil. Und hoffe sehr, dass ich mich irre. Aber ich zweifle daran, dass meine Kritik ein Irrtum ist. Und ich fühle mich verpflichtet, Ihnen ehrlich zu schreiben, warum ich den Plan für so gefährlich halte. Meine tiefste Überzeugung ist: Wenn auf diese Weite kurzfristig Frieden kommt, werden die Folgen mittel- und langfristig verheerend sein.
Ich weiß auch, wie schwer es ist, das zu vermitteln in einem Land, in dem nach den Schrecken eines selbst verschuldeten Krieges Pazifismus zu einer Art Glaubensbekenntnis geworden ist. Auch ich war Pazifist – bis zu meinen 16 Jahren in Moskau. Wo ich auf bittere Weise erfahren musste: Pazifismus würde nur funktionieren, wenn alle Pazifisten sind. Sind sie aber nicht. Wladimir Putin stimmt seine Gesellschaft seit 25 Jahren massiv auf Krieg ein. Was uns seine Propagandisten im „Westen“ natürlich gezielt verschweigen. Und, schlimmer noch – gezielt vertuschen.
Denn ich sehe den 28-Punkte-Plan – so weh es mir tut – nicht als Chance. Sondern als einen Fehler von historischem Ausmaß. Und an eine Legitimierung von Gewalt, die ganz im Geiste des Münchner Abkommens von 1938 steht. Damals glaubte Großbritannien, Hitler durch Zugeständnisse und Anerkennung seiner kriegerischen Eroberungen besänftigen zu können. Die Folgen dieses „Appeasements“ sind bekannt. Kaum einer von uns hat nicht die gruseligen Folgen in der eigenen Familiengeschichte zu spüren bekommen.
Nein, Putin ist kein Hitler. Aber auch Hitler war am Anfang nicht der, als der er später in die Geschichte einging. Und genau deshalb muss man in den Spiegel der Geschichte sehen, solange er noch nicht gesprungen ist. Und sich klar machen – auch wenn sich die Geschichte nicht wiederholt, so reimt sie sich doch. Oder, genauer gesagt: gewisse Muster bleiben immer die gleichen. Und eines davon ist, dass man Aggressoren nicht zähmt, indem man ihnen das gibt, was sie mit Gewalt fordern.
Die Ähnlichkeiten beziehen sich hier vor allem darauf, dass mit dem 28-Punkte-Plan Putins Eroberungskrieg und seine Landgewinne legalisiert würden. Die Botschaft wäre glasklar, an alle potentiellen Kriegsherren und vor allem auch an Putin: Eroberungskriege und Überfälle auf Nachbarn lohnen sich wieder.
Was bislang wie ein schleichender Kurswechsel wirkte, hat in den letzten Tagen eine neue Dynamik bekommen – durch ein Ereignis, das selbst erfahrene Washington-Korrespondenten staunen ließ: Ein vertrauliches Telefonat von Trumps Sondergesandtem Steve Witkoff mit einem russischen Regierungsvertreter, in dem es um die Vorbereitung des 28-Punkte-Planes ging, gelangte an die Öffentlichkeit. Ein Gespräch, das politisch wie eine Atombombe einschlug.
Die einen werden darin einen gezielten Sabotageakt sehen: ein Leak mitten in den Friedensverhandlungen, lanciert von jenen, die den Krieg auf ewig verlängern wollen. In meinen Augen ist das Gespräch eher ein Notruf. Ein inneramerikanischer Warnschuss, ausgelöst von jemandem, der nicht länger schweigen wollte – während Trumps Vertrauter dem Kreml bis ins Detail verriet, wie man den eigenen Präsidenten mit Finten weichklopft und auf Linie bringt.
Witkoff verriet nicht nur taktische Überlegungen, sondern machte sich regelrecht zum Ratgeber – ausgerechnet in einem Moment, in dem Trump öffentlich Kiew den Rücken stärkte.
Denn machen wir uns nichts vor: Was Witkoff in diesem Telefonat tat, ist nicht bloß ungeschickt. Es ist politisch verheerend – und ein diplomatischer Offenbarungseid. Er klingt nicht wie das, was er offiziell ist – ein Sondergesandter der Vereinigten Staaten –, sondern wie ein Interessenvertreter Moskaus. Und das ist fatal. Auch für den Friedensprozess, der damit massiv beschädigt worden ist.
Jemand in Washington sah offenbar die nationalen Interessen gefährdet durch die Kumpanei von Trumps Sondergesandten mit dem Kreml. Dass die Notbremse durch ein Leak erfolgte, ist unschön. Und wohl auch illegal. Aus Sicht der Kräfte, die hinter dem Leak stehen, war es aber wohl die einzige Möglichkeit, den Elefanten im Porzellanladen zu stoppen, bevor er noch mehr Schaden anrichtet. Egal, wie man zu dem Gespräch und zu dem Leak steht – eindeutig ist eines: Witkoff, ein alter Immobilienfreund Trumps aus New Yorker Tagen, ohne jegliche außenpolitische Erfahrung, ist mit seiner Rolle heillos überfordert. In Russland lacht man bereits: Er sei ein „nützlicher Idiot“ – wie Lenin einst jene nannte, die Moskau im Ausland ungewollt zuarbeiteten.
Womit wir beim nächsten Punkt wären, der diesen Plan besonders perfide macht: Er wurde nicht gemeinsam mit der Ukraine entwickelt, sondern über ihre Köpfe hinweg. Und er wirkt in weiten Teilen wie eine russische Wunschliste.
Das könnte Gründe haben – denn was der Russland-Kenner Christo Grozev dazu ausführt, ist atemberaubend. Der erste Entwurf des „Friedensplans“, den Witkoff so eifrig verteidigt, stammt nach seinen Worten nicht etwa aus Washington – sondern aus Moskau. Grozev berichtet, er sei bereits vor einem halben Jahr in das entsprechende Konzept eingeweiht worden – ausgearbeitet von einem der konkurrierenden Machtzentren im Kreml, unter maßgeblicher Beteiligung von Putins Vertrautem Kirill Dmitrijew. Der Plan sei gezielt auf die vermuteten Vorlieben Trumps zugeschnitten worden – mit Angeboten zur Investition in Russlands Nachkriegswirtschaft, zur Ablösung Chinas durch die USA und zur gemeinsamen „christlichen Front gegen die Heiden“.
Der Kern dieses Plans wurde laut Grozev gezielt über diplomatische Kanäle in westliche Kreise eingespeist – mit dem Ziel, den Westen weichzukochen. In seinen Notizen erkannte er zahlreiche Formulierungen fast wörtlich im geleakten 28-Punkte-Plan wieder – darunter etwa die Anerkennung der Krim, das Einfrieren der Frontlinie, ein Nato-Ausschluss für die Ukraine, keine westlichen Truppen, ein „Wiederaufbaufonds“ mit eingefrorenen russischen Geldern – und als Gegenleistung westliche Investitionen in Russland. All das findet sich laut Grozev fast identisch in dem Konzept, das Moskau vor sechs Monaten ausgearbeitet hatte.
Besonders brisant sind zwei durch Bloomberg authentifizierte Telefonate, auf die sich Grozev stützt:
– Eines zwischen Dmitrijew und Putins Berater Uschakow, in dem die Übergabe des russischen Plans an die Amerikaner geplant wurde – mit dem ausdrücklichen Ziel, dass diese ihn „als ihren eigenen präsentieren“.
– Und eines zwischen Uschakow und Witkoff, in dem Trump-Berater Witkoff vorschlägt, den russischen Entwurf in einen US-Plan zu verwandeln – „ähnlich dem 20-Punkte-Plan“ aus den Nahostgesprächen.
Diese Dokumente bestätigen Grozevs zentrale These: Der angebliche US-Plan sei keine neutrale Vermittlungsbasis – sondern ein russisches Konstrukt, das strategisch als US-Initiative getarnt wurde, so Grozev. Sollte das zutreffen, wäre das dann ein Fall klassischer „reflexiver Kontrolle“, wie sie aus der sowjetisch-russischen Geheimdienstschule gut bekannt ist: Der Gegner wird so beeinflusst, dass er scheinbar freiwillig im Interesse Moskaus handelt – und überzeugt ist, aus eigener Überzeugung zu agieren.
Fakt ist: Tonfall, Logik und Begriffswelt des Textes erinnern auffallend an bekannte Muster russischer Regierungsrhetorik – bis hin zu Formulierungen, die mehr wie direkte Übersetzungen aus dem russischen Amtsjargon denn wie originäres amerikanisches Regierungsenglisch erscheinen.
Wie auch immer das Papier zustande kam – auf Grundlage genau dieses Dokuments folgte dann massiver politischer Druck aus Washington: Sollte Kiew nicht unterschreiben, werde die Militärhilfe reduziert.
Das ist keine Vermittlung.
Das ist Erpressung.
Und damit nicht genug: Auch die NATO – für viele ein Symbol überdehnter Machtpolitik – lässt sich in diesem Papier plötzlich Vorschriften machen. Keine Erweiterung mehr. Kein Beitritt der Ukraine. Keine westlichen Truppen auf ihrem Boden.
Wer die NATO kritisch sieht, mag versucht sein, darin einen Fortschritt zu sehen. Aber das wäre ein Trugschluss. Denn es geht hier nicht um gesunde Begrenzung – sondern darum, dass ein Angriffskrieg diktiert, wer sich wem anschließen darf.
Und das bedeutet: Nicht die Bürger eines Landes entscheiden über ihre Bündnisse – sondern der Stärkere an der Front, derjenige, der am brutalsten Krieg führt. Heute trifft es die Ukraine. Morgen ein anderes Land. Und übermorgen vielleicht uns.
Wenn dieser Plan Realität wird, dann sendet „der Westen“ eine klare Botschaft in die Welt: Nicht das Recht entscheidet. Sondern die militärische Gewalt. Wer stark genug ist, kann mit Krieg Grenzen verschieben, internationale Organisationen diktieren, fremde Staaten zu Neutralität zwingen – und wird dafür auch noch diplomatisch geadelt.
Genau das ist es, was diesen „Friedensplan“ nicht zu einem Kompromiss macht – sondern zu einem Dammbruch.
Was wie ein Friedensangebot aussieht, ist in Wahrheit ein Diktat – nur nicht an den Aggressor, sondern an das Opfer. Genau das macht diesen Plan so gefährlich. Und genau deshalb erinnert er mich an jenes Stück Papier, das 1938 in London mit großem Pathos in die Kamera gehalten wurde – und Europa in den Abgrund führte.
Russland dürfte seine Kriegsbeute behalten, bekäme sogar noch Gebiete, die es militärisch gar nicht erobern konnte, und die Ukraine würde gefesselt durch Auflagen wie etwa die Beschränkung ihrer Streitkräfte. Im Gegenzug bekäme sie windige „Sicherheitsgarantien“, die durch nichts abgesichert wären. Und wohl genauso ein Luftschloss wie das Budapester Memorandum von 1994. In dem stand, dass die Ukraine im Gegenzug für die freiwillige Abgabe ihrer Atomwaffen an Russland auf Druck der Amerikaner – ohne die sie Moskau nie hätte überfallen können – Sicherheitsgarantien von eben diesem Russland, den USA und Großbritannien bekomme und diese an ihre „territoriale Integrität“ erinnern. Dass dieser Vertrag nicht das Papier wert war, auf dem er geschrieben ist, sehen wir. Und es wird mit der neuen Sicherheitsgarantie nicht anders sein. Für einen KGB-Mann wie Putin sind Verträge dazu da, sich Zeit und Vorteile zu kaufen und sie dann bei Bedarf zu brechen. Die Liste der Beispiele dafür ist lang.
Ich weiß, diese Erkenntnisse sind schmerzhaft. Glauben Sie mir – für mich auch. Ich glaube, die meisten von Ihnen sind keine Putin-Fans. Sie sehnen sich einfach nach einem Ausweg aus der Katastrophe. Nach Diplomatie. Nach Frieden. Nach einer Politik, die die eigenen Bürger schützt, statt sie zu belehren. Aber genau deshalb ist es so gefährlich, wenn berechtigte Zweifel in einseitige Narrative kippen. Wenn Angst zur Ausrede wird, alles andere nicht mehr sehen zu wollen. Dann wird aus Verteidigung plötzlich Verklärung. Und aus berechtigter Kritik an der Nato ein Freifahrtschein für den Kreml.
Gerade weil ich die Ängste so vieler Menschen verstehe, möchte ich dagegenhalten – und Grautöne bewahren. Und zwar auf beiden Seiten. Aber was ich gerade erlebe, erschüttert mich mehr, als ich es erwartet hätte. Dieser Friedensplan – gemacht im Schatten, geschrieben auf den Knien, auf Kosten eines überfallenen Landes – ist für mich ein Bruch. Ein moralischer. Ein politischer. Und, ja, auch ein persönlicher.
Und es ist eine Bruchstelle. An der ich sagen muss: Ich kann nicht mehr schweigen.
Obwohl – und gerade – weil meine kritische Sicht unerwünscht scheint. Wer heute in der Gegenöffentlichkeit nicht wenigstens leise Verständnis für Putin äußert, wird von vielen schräg angesehen. Oder gleich verstoßen. Oder gar als westlicher Agent diffamiert.
Was mich besonders irritiert: Ich kenne einige, von denen ich weiß, dass sie sehr ähnlich denken wie ich. Nur: Sie sagen es nicht mehr laut. Weil sie wissen: Es kostet Leser. Es kostet Reichweite. Es kostet Spenden. Und dieser Preis ist ihnen zu hoch.
Da ist eines der Schwergewichte der Szene: Früher bis in die Fingerspitzen Putin-kritisch, heute mit weichgezeichnetem Moskau-Blick. Da ist eines der bekanntesten Gesichter: Ein Star der Szene, der sich einst über seine laute Putin-Kritik definierte – und heute die russische Erzählung durch die Hintertür bedient, indem sein Portal „dem Westen“ „Kriegslust“ unterstellt und Moskau „Verhandlungsbereitschaft“ bescheinigt.
All das ist legitime Meinung – wenn sie ehrlich gemeint ist. Aber ich frage mich: Ist sie das noch? Oder ist es einfach nur… bequem?
Denn was unterscheidet uns noch vom Mainstream, wenn wir dieselben Mechanismen anwenden? Wenn wir nicht mehr sagen, was ist – sondern nur noch, was ‚funktioniert‘?
Genau durch dieses feige Wegducken ist in der sogenannten alternativen Szene eine Pro-Putin-Hegemonie entstanden. Kurz nach dem Überfall Putins auf die Ukraine haben auch seine lautstärksten Verteidiger entsetzt reagiert und den Angriff verurteilt. Doch dann drehte sich das Momentum. Langsam bekam das Kreml-Narrativ Oberwasser. Es kam zu einer totalen Täter-Opfer-Umkehr. Die ich nie verstehen werde. Ich vergleiche es immer – verzeihen Sie mir – mit einer Vergewaltigung: Man kann das Opfer für noch so unmoralisch halten, man kann ihm vorwerfen, dass es die (Zwangs-Ehe) mit dem Russen gebrochen hat und sich mit dem Amerikaner liierte, man kann all das verurteilen, wenn man es so sieht – aber all das rechtfertigt nicht eine Vergewaltigung mit brutaler Gewalt. Aber mit genau dieser Logik führen Putins Propagandisten viele Menschen manipulativ in die Falle – dass die den Täter bedauern und das Opfer verurteilen und ihm die Schuld zuweisen.
Natürlich hat die Ukraine Fehler gemacht. Große Fehler. Und auch ihr Partner, der „Westen“. Darüber brauchen wir nicht zu reden. Aber wenn wir zulassen, dass Fehler eines Landes und seiner Partner eine Rechtfertigung sind, dieses Land zu überfallen, dann geraten wir zurück in Dauerkrieg und Barbarei. Leider sind Putins Propagandisten ausgesprochen erfolgreich darin, den Menschen genau diese Erkenntnis zu vernebeln. Nur so ist es zu erklären, dass Kritik an Putins Angriffskrieg und der Wunsch, sich ihm zu widersetzen, in einer fatalen Umdrehung zur Kriegstreiberei umgedeutet wird und „Friedensaktivisten“ sich nicht gegen den Angreifer wenden, sondern nur den Angegriffenen kritisieren.
Ich weiß, das klingt hart. Und ich spreche niemandem seine aufrichtigen, hehren Motive ab. Gerade deshalb ist es so wichtig, das Muster klar zu benennen – weil ehrliche Motive nicht davor schützen, ungewollt zum Verstärker von Propaganda zu werden. Denn wer ehrlich hinschaut, sieht genau dieses Muster: Kritik an Putin = Kriegstreiberei, Schweigen darüber, dass Putin der Angreifer ist = Normalität.
Ich habe mich Anfang 2022 noch lautstark dafür eingesetzt, auch die damals arg in Bedrängnis geratenen Putin-Verteidiger zu Wort kommen zu lassen. Doch inzwischen haben diese den Spieß umgedreht – und die absolute Lufthoheit in der alternativen Szene. Aber die sollte niemand haben. Es sollte immer eine offene Debatte geben.
Auch wenn es weh tut, muss man es benennen: All das steht der Anti-Russland-Hegemonie im heutigen Mainstream – nach 2022, bis dahin war es umgekehrt – in nichts nach, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Grautöne wie kurz nach Kriegsbeginn 2022 kommen heute kaum bis nicht mehr vor – eben weil sich so viele feige wegducken und deshalb ein Einheitsgesang entstanden ist.
So haben wir eine fatale Entwicklung. Denn gerade jetzt wäre es entscheidend, dass unterschiedliche, fundierte Stimmen zu Wort kommen. Nicht nur dumpfe Propaganda gegen Russland (etwas anderes ist sachliche Kritik an Putin) auf der einen Seite – und Propaganda für Putin oder betretenes Schweigen und Wegducken auf der anderen.
Aber solche Zwischentöne gelten heute schon für viele genauso als Ketzerei wie Kritik an der unkontrollierten Massenzuwanderung im rot-grünen Milieu.
Ich will Sie mit diesem Artikel nicht belehren. Ich halte mich nicht für den Hüter der Wahrheit – im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen, leider auch in Teilen der sogenannten alternativen Szene, die sich genau so aufführen. Aber ich halte es für meine Pflicht, meine Meinung offen zu sagen. Auch wenn sie unbequem ist. Auch wenn sie viele vor den Kopf stößt.
Denn, Hand aufs Herz: Was wollen Sie lieber? Journalisten, die Ihnen nach dem Mund reden? Die lieber schweigen, aus Angst, sich bei Ihnen unbeliebt zu machen? Oder solche, die Ihnen – mit offenem Visier, aber ohne Belehrung oder moralischer Überheblichkeit – eine andere Perspektive zumuten, gerade weil sie unbequem ist?
Ich akzeptiere jeden, der damit nichts anfangen kann. Ich will nicht, dass Sie mir zustimmen. Ich wünsche mir keine Leser, die alles abnicken. Ich wünsche mir Leser, die mitdenken, widersprechen, sich an mir reiben, statt sich einlullen zu lassen. Denn, was viele nicht verstehen: Unter echten Demokraten muss es krachen. Weil Erkenntnis nicht aus Konsens entsteht, sondern aus Reibung.
Wer nur Texte lesen will, die ins eigene Weltbild passen, braucht keine freien Journalisten. Der braucht eine Wärmflasche für sein Weltbild. Oder einen Spiegel (Für Linke reicht dazu auch das frühere Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.).
Sie müssen meine Meinung nicht teilen. Ich respektiere Ihre Meinung – auch wenn sie meiner völlig entgegensteht. Und ich setze mich dafür ein, dass Sie diese Meinung auch frei äußern dürfen, ohne Angst. Aber ich hoffe, Sie erwarten von mir auch nicht, dass ich selbst Ihnen meine Meinung vorenthalte und schweige – aus Angst, Sie zu verprellen.
Vielleicht trennt uns der Blick auf Putin. Aber echte Demokraten verstehen das, was für Rot-Grün heute undenkbar ist: dass zur Demokratie eben auch gehört, dass man sich – trotz harter Differenzen in manchen Bereichen – wertschätzen kann. Und genau so ein aufrechter Demokrat sind Sie, wenn Sie diesen Text bis zum Ende gelesen und nicht weggeklickt haben. Denn das zeigt, dass uns etwas viel Wichtigeres eint als der Blick auf Putin: der Wille, einander noch zuzuhören. Ich bin sicher: Wer den Mut hat, andere Meinungen zu ertragen, hat auch den Mut, dieses Land wieder zu einem freieren Ort zu machen. Genau dieser Mut fehlt den rot-grünen Anti-Demokraten an den Schalthebeln der Macht in Politik und Medien. Wir sollten ihr Spiel nicht mitspiegeln – sondern ihnen zeigen, dass es auch anders geht. Dafür, dass Sie das tun, danke ich Ihnen herzlich.
Dass ich von beiden Seiten kritisiert werde – den Putin-Kritikern schreibe ich viel zu wenig und nicht kritisch genug über Russland, den Putin-Freunden viel zu viel und zu kritisch, macht mir Hoffnung, dass ich da bin, wo ich sein will, und wo heute weder die staatstreuen noch die alternativen Medien sind: nicht in Lagern, sondern in der Mitte, in den Grautönen. In Zeiten, in denen Dauerlärm und ständige, demonstrative Wiederholungen von Bekenntnissen als fast religiöse Pflichtübung gelten, wirkt es schnell wie Schweigen, wenn man Maß an den Tag legt. Und seine Position nicht in Endlosschleife wie eine Monstranz vor sich herträgt, um andere zu bekehren. Dabei ist dieses Leisetreten kein Rückzug, sondern der Verzicht auf Missionierung, der quer durch alle Lager Mangelware geworden ist.
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