Zwischen Ikea und einer verrosteten Go-Kart-Bahn steht ein Stück Zukunft. Oder besser: Es sollte dort stehen. 100 Megawatt Rechenleistung für KI, Cloud und Streaming. Ein Rechenzentrum, das Berlin zur Datenmetropole machen könnte. Stattdessen: Gestrüpp, Krähen, Stillstand. Willkommen im deutschen Verwaltungsstaat.
Fünf Jahre nach Projektstart: kein Spatenstich. 55 Millionen Euro wurden bereits investiert. Und das Einzige, was hier wirklich gebaut wurde: ein Gefühl. Nämlich jenes, dass man in diesem Land alles darf – außer zukunftsfähig sein.
Die ganze Geschichte erzählt die „Berliner Zeitung“, leider hinter der Bezahlschranke. Aber sie ist zu wichtig, zu symbolträchtig, um dahinter zu versauern. Genau deshalb muss sie ans Licht: Dieses Projekt ist kein Einzelfall, sondern der Prototyp einer Politik, die sich Digitalisierung auf die Fahnen schreibt – und dann an jedem Laternenmast hängen bleibt.
Der Unternehmer Gabriel Khodzitski wollte bauen. Er kaufte das Grundstück, räumte Altlasten weg, stieß auf ein mutmaßliches DDR-Bunkersystem. Er musste ein Ersatzquartier für Fledermäuse errichten, weil in einem der Abrisshäuser mal welche gesehen wurden. Sie kamen nie. Aber der Schutz bleibt. 5000 Quadratmeter mussten dem Bericht zufolge aus dem Baufeld herausgenommen werden, weil der Bezirk Fledermäusen Lebensraum sichern wollte. Für immer. So sind die Regeln: Der Schutz muss bleiben, weil die Tiere ja mal da waren. Irgendwann. So was kann sich kein Schriftsteller oder Satiriker ausdenken – da würde man sagen: völlig überzogen.
Dann die Baugenehmigung: 2,5 Jahre. Weil man im Bezirksamt nicht wusste, was ein Rechenzentrum ist. Man sei anderes gewohnt: Wohnhäuser, Supermärkte. Kein Witz. Als die Genehmigung endlich da war, war das Design international schon veraltet.
Dann die Fernwärme: Khodzitski wollte das für die Kühlung genutzte Wasser zurück ins Netz einspeisen – 70 Grad heiß, perfekt für Nachhaltigkeit. Antwort der Politik: geht nicht, Planänderung zu aufwendig. Also: neue Leitung legen. Zusätzlich. Für mehr Geld. Für weniger Sinn.
Dann der Strom: Zwei Kilometer Leitung vom Umspannwerk. 13 Millionen Euro. Bezahlt vom Investor. Aber Netzanschlussgebühr zahlt er trotzdem. Berlin nennt das vermutlich “Kostenwahrheit”. Khodzitski bitter: “Du baust die Leitung für die Stadt, damit die Stadt danach damit Geld verdienen kann. Wir bezahlen also dafür, dass wir bezahlt haben.“
Und währenddessen? 40-seitige PowerPoint-Präsentationen in Ausschüssen. Neue Fragerunden. Abstimmungen. Immer wieder. Berlin simuliert Planung. Aber es baut nichts. Außer Bedenken.
Die Konkurrenz? Baut. In Brandenburg hat Amazon Verträge über Milliarden geschlossen. In den USA entstehen 500-Megawatt-Rechencluster. In China ist KI Staatsziel. Und das von einem CDU-Bürgermeister regierte Berlin? Entwickelt ein “Repartierungsverfahren” – für den Fall, dass jemand zu viel Strom braucht.
Skalierung? Effizienz? Clustering? Nicht in Berlin. Dort setzt man auf ein Mosaik aus Mittelprojekten. Hauptsache, keine Fledermaus stört sich. Und kein Amtsleiter.
Der Baubeginn bei Bluestar soll jetzt 2026 sein. Vielleicht. Wenn bis dahin keine Kröte wandert. Oder der Ausschuss nicht beschließt, den Begriff “Datendrehscheibe” neu zu gendern.
Dieser Fall ist keine Kuriosität. Er ist ein Menetekel. Deutschland ruft nach KI, verlangt aber zuerst die Umweltbilanz des Verteilerkastens. Es möchte Digitalisierung, aber nur mit Ausgleichsfläche für inaktive Fledermäuse.
Das Ergebnis ist ein Land, das immer weniger kann. Und das umso lauter behauptet, wie modern es doch sei.
Berlin nennt sich KI-ready. Tatsächlich ist es nicht mal baugenehmigungsbereit. Aber gut im Ausreden finden.
Und während irgendwo im Orbit das erste Mini-Rechenzentrum startet, wartet man hinter Ikea in Berlin-Lichtenberg auf das grüne Licht für die Baugrube. Wenn alle Anträge durch sind. Und der nächste Ausschuss seine Präsentation abgearbeitet hat.
Bis dahin: Gute Nacht, Datenland.
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