Man kommt sich vor wie in einem Parallel-Universum, wenn man mit Professor Bhakdi spricht. Auf der einen Seite liest und hört man in den großen Medien in einem fort von steigenden Corona-Fallzahlen, von der Gefahr einer zweiten Welle und einer dramatischen neuen Gefahr. Der Mikrobiologe und Infektionsepidemiologe sieht es genau umgekehrt: „“Es gibt seit Wochen keine neuen Covid-19-Kranken mehr in Deutschland“, sagte er mir im Interview (anzusehen hier). Ich glaubte zunächst, dass ich mich verhört habe. Bhagdi wiederholte seine Angabe: Seit mehreren Wochen seien keine neuen Fälle der gefährlichen Lungenkrankheit mehr in der Bundesrepublik gemeldet, dies ginge aus den offiziellen Zahlen des Robert-Koch-Institutes hervor, so der emeritierte Mainzer Professor. Diese würden aber in den Medien kaum genannt, und stattdessen würden vor allem die Zahl der positiv getesteten verbreitet. Die steige aber analog zur Zahl der Tests. Der Prozentsatz der Tests mit einem positiven Ergebnis liege bei etwa einem Prozent und damit im Rahmen der Fehlerquote der Tests (Kalenderwoche 32: 672.171 Tests, 6.909 positiv getestet, Positivrate 1%, Quelle RKI Lagebericht vom 12.08.2020). Die Testzahlen seien deshalb nicht aussagekräftig. Es handle sich lediglich um ein „Grundrauschen“, so Bhakdi.
Der Professor erhebt schwere Vorwürfe: Das Tragen von Masken haben kaum nachgewiesene positive Effekte, dafür aber viele benannte negative. Die Maskenpflicht an Schulen sei Kindesmisshandlung. Bhakdi ruft die Lehrer auf, sich dagegen zu wehren. Die Zahlen der Erkältungen durch Rhinoviren seien so stark angewachsen wie noch nie – nicht trotz, sondern wegen der Maskenpflicht. Dies belege, dass Masken wie die heute vor allem getragenen Operations- und Stoffmasken nicht gegen Vireninfektionen schützten. „Aus medizinischer Sicht gibt es keinerlei Beweis für den medizinischen Nutzen, eine Gesichtsmaske zu tragen. Daher haben wir uns dafür entschieden, auf nationaler Ebene keine Maskenpflicht einzuführen“, sagte auch die holländische Gesundheitsministerin van Ark.
Das in den Medien oft erwähnte Argument, Schweden mit seiner laxen Corona-Politik habe eine fünffach höhere Todesrate, lässt Bhakdi nicht gelten. Die Zahl der Toten durch Lungenerkrankungen sei in Schweden prozentuell genauso hoch wie in Deutschland und nur das sei ausschlaggebend, so der Mediziner.
Bhakdi warnt vor den Gefahren einer Impfung und führt an, diese könne zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen und sei allenfalls bei Menschen über 65 Jahren sinnvoll. Aber auch dann nur, wenn diese Impfung umfangreich getestet sei.
Mich hat das Interview sehr, sehr nachdenklich gemacht. Und meine ohnehin schon deutlichen Zweifel noch einmal erhöht. Mein größter Wunsch nach dem Interview: Ein offener Schlagabtausch zwischen Drosten und Kekulé auf der einen und Bhakdi und Medizinern mit seiner Sichtweise auf der anderen Seite. Damit sich auch Nicht-Experten – und das sind nicht nur Journalisten wie ich, sondern auch Politiker, die Entscheidungen treffen müssen – nach Auseinandersetzung mit verschiedenen Sichtweisen und Abwägung eine eigene Meinung bilden können, ja müssen. Dass dies nicht geschieht, ja dass sogar eine Diskussion und ein Austausch von unterschiedlichen Meinungen der Fachleute verhindert wird, ist ein Versagen der Corona-Politik, das man auch als Nicht-Mediziner eindeutig diagnostizieren kann.
Aus Gründen der Ausgewogenheit werde ich auch Prof. Drosten und Prof. Kekulé eine Interviewanfrage stellen und eine Presseanfrage an das Robert-Koch-Institut schicken mit Fragen zu den wichtigsten Thesen von Bhakdi. Bei einer Antwort halte ich Sie auf dem Laufenden – ich halte es für Aufgabe des Journalismus, unterschiedliche Sichtweisen zu präsentieren und den Menschen so zu ermöglichen, sich selbst eine Meinung zu bilden.