Aldi erhöht Preise um bis zu 50 Prozent Lebenshaltungskosten steigen so stark wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr

Von Mario Martin

Wenige Tage nach der Veröffentlichung des aktuellen Verbraucherpreisindex, der alle Erwartungen sprengte, und jahresübergreifend auf 7,3 Prozent anstieg, vermeldete der Lebensmittel-Discounter Aldi eine Anhebung der Preise verschiedener Artikel von 20 bis 50 Prozent.

„Aufgrund der Situation auf den Weltmärkten werden wir Sprünge in den Verkaufspreisen erleben, die es so noch nie gegeben hat“, sagte Florian Scholbeck, Geschäftsführer bei Aldi Nord, der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.

Bereits vor zwei Wochen erhöhte Aldi die Preise für rund 160 Artikel. Eine Woche später wurden 20 weitere Artikel teurer. Andere Supermarktketten zogen schnell nach. Aldi und Lidl gelten als Taktgeber für die Lebensmittelbranche, an die sich die anderen Ketten preislich anpassen.

Die Lebenshaltungskosten in Deutschland sind im Februar so stark gestiegen wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr: Waren des täglichen Bedarfs verteuerten sich im Durchschnitt um 7,3 Prozent.

Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, spiegeln sich in dem Anstieg von 5,1 Prozent im Januar auf 7,3 Prozent im Februar die Auswirkungen des russischen Einmarsches in der Ukraine wider, in dessen Verlauf die Öl- und Gaspreise angestiegen sind.

Fleisch, Wurst, Butter deutlich teurer

Ab Montag werden Fleisch, Wurstwaren und Butter „deutlich teurer“, sagte ein Aldi-Unternehmenssprecher gegenüber der Deutschen Presse-Agentur und fügte hinzu, dass die Preiserhöhungen bei verschiedenen Produkten aufgrund der gestiegenen Herstellungskosten notwendig seien.

Der Handelsverband Deutschland hatte die Konsumenten bereits am Freitag auf die nächste Runde Preissteigerungen eingestimmt. In der Neuen Osnabrücker Zeitung (Paywall) warnte Handelsverband-Präsident Josef Sanktjohanser: „Die zweite Welle von Preiserhöhungen wird kommen und sie wird sicherlich zweistellig sein.“

Schon vor dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine seien die Preise aufgrund der gestiegenen Energiepreise „über die gesamte Produktpalette“ um rund fünf Prozent gestiegen, so Sanktjohanser weiter.

Drohende zweistellige Inflationsraten müssen inzwischen sogar die Hofökonomen der Bundesregierung eingestehen. Auf die Frage der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ob zweistellige Inflationsraten möglich seien, sagte Volker Wieland, Mitglied des Wirtschaftsrates der Bundesregierung: „Das ist nicht auszuschließen, vor allem wenn Russland die Öl- und Gaslieferungen einstellt oder ein totales Importembargo verhängt, dann halte ich Inflationsraten in dieser Größenordnung für denkbar.“

Zu den Gelddruckorgien und der Zerstörung der Lieferketten wegen der Corona-Maßnahmen kommt jetzt noch Druck durch den Ukrainekrieg hinzu.

Russland dreht kurzzeitig das Gas ab

Da der Westen sich weiterhin weigert, für russisches Gas in Rubel zu bezahlen, könnte es bald zu einem Stopp der Lieferungen kommen. Das Gas der Jamal-Europe-Pipeline fließt derzeit wieder westwärts, nachdem es am Wochenende kurzzeitig wieder ostwärts geleitet wurde. Ein Warnschuss Putins. Wer wohl am längeren Hebel sitzt? Vermutlich die Partei, die über die Energiereserven verfügt.

Ein Komplettverzicht auf russisches Gas würde drastische energiepolitische Maßnahmen nötig machen wie die Verlängerung der Laufzeiten für Kohle- und Kernkraftwerke. In einer Analyse der Situation nennen die Analysten der internationalen Aurora Energy Research dies als einzigen Weg, um den Wegfall der Lieferungen zu kompensieren.

“Und sowohl die damit verbundenen Kosten als auch das Ausmaß der erforderlichen regulatorischen Eingriffe würden wahrscheinlich um eine Größenordnung unter dem Niveau liegen, das die EU und ihre Mitgliedstaaten zur Bewältigung der COVID-19-Krise aufbringen konnten“, schreiben die Analysten in ihrem Fazit.

Zweifelhaft, ob dies mit dem sich derzeit zur Weichwährung entwickelnden Euro überhaupt noch durchführbar ist.

Höhere Energiepreise werden unausweichlich zu noch höheren Produktionskosten führen und von den Erzeugern an die Kunden weitergegeben werden.

„Wir werden die Auswirkungen des Krieges bald in allen Supermärkten an den Preisschildern ablesen können“, so Handelsverband-Präsident Sanktjohanser.

Lebensmittelversorgung gesichert trotz Panikkäufen

Auch wenn die Preiserhöhungen die betroffenen Verbraucher in Deutschland beunruhigen, gehen Branchenexperten nicht davon aus, dass es in absehbarer Zeit zu einem Mangel an Produkten in den Regalen kommen wird.

Laut Joachim Rukwied, Präsident des Bauernverbandes, ist die Lebensmittelversorgung in Deutschland noch mindestens ein Jahr lang gesichert – danach sind die Prognosen allerdings unsicher. Angesichts der Gerüchte über eine Verknappung beklagen sich die Supermarktbesitzer jedoch über ein Ausmaß an Panikkäufen, wie es seit den ersten Monaten der Pandemie nicht mehr aufgetreten ist.

Geschäftserwartungen der Industrie brechen ein

Besorgniserregend sind die Prognosen der deutschen chemischen Industrie, die einen guten konjunkturellen Frühindikator abgeben.

Dort brachen im März die Geschäftserwartungen (oberer Graph) in einer Weise ein, wie sie seit der Krise 2008/09 nicht verzeichnet wurden. Der Ordereingang (mittlerer Graph) hinkt zwar noch hinterher, allerdings äußerte sich der Geschäftsführer der BASF dahingehend, die Produktion teilweise durch die hohen Energiepreise abzuschalten zu müssen. Was nützt ein Ordereingang, wenn die Waren durch knappe Energie nicht produziert werden können? Der untere Graph zeigt die Geschäftserwartungen der Automobilindustrie (unterer Graph). Hier ist der Einbruch der Erwartungen noch stärker als in der Chemiebranche.

Bis Ende Februar betrug die Preissteigerung der Inputfaktoren der deutschen Produzenten 25,9 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr. Diese Daten legen offen, dass bereits vor dem Krieg eine hohe Preissteigerung vorhanden war, die nun immer stärker an die Konsumenten weitergegeben werden musste.

Auf den Spuren Deutschlands vor 99 Jahren?

Nicht nur druckt die EZB Geld, als gäbe es kein Morgen. Ein weiterer Auslöser der aktuellen Misere liegt in der weltweit dümmsten Energiepolitik, die Deutschland (absichtlich?) in die Abhängigkeit insbesondere Russlands getrieben hat.

Die Preissteigerungen sind die Folgen geld-, außen-, und energiepolitischer Entscheidungen. Getrieben von dem irrationalen Glauben, man könne über den menschlichen Ausstoß von Kohlenstoffdioxid das Weltklima regulieren. Besonders töricht wird es aber, wenn man annimmt, ein Land, das gerade einmal zwei Prozent des CO2 emittiert, könne dies im Alleingang tun und deswegen die eigene Energieversorgung abschafft.

Margaret Thatcher traf den Nagel auf den Kopf, als sie sagte: „Die globale Erwärmung bietet eine wunderbare Ausrede für den weltweiten Sozialismus.“

99 Jahre nachdem die Mark und die Vermögen vieler Menschen im Jahre 1923 durch die Weimarer Hyperinflation ausradiert wurden, hat Deutschland für die nächsten Wochen wieder einmal Inflationsraten im zweistelligen Bereich zu erwarten. Interessanterweise flammte die Inflation damals so richtig auf, nachdem den Arbeitern des damals von den Alliierten besetzten Ruhrgebiets die Löhne fortgezahlt wurden, während sie die Besetzung durch Arbeitsniederlegung bestreikten. Parallelen zum ökonomischen Harakiri, das die deutsche Wirtschaftspolitik während der Coronazeit kennzeichnete, zeichnen sich ab.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Mario Martin ist Ökonom und arbeitet als Software-Projektmanager in Berlin.

Bild: Shutterstock
Text: mm

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